Volksglaube
und
volksbrauch
der
Siebenbürge
Heinrich von
Wlislocki
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Harvard College
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FROM THE BEjJUEST OF
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SUSAN GREENE DEXTER 1
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Beiträge zur Volks- und Völkerkunde.
Erster Band.
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Volksglaube und Volksbrauch
der
Sielbenbürger Sachsen.
Von
Dr. Heinrich von Wlislocki.
Berlin,
Verlag von Emil Felber.
1893.
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Verlag von EMIL FELBER in BERLIN.
Beiträge
zur
Volks- und Völkerkunde.
Dieses in zwanglosen Blinden erscheinende Sammelwerk
wird der Beachtung des gebildeten Publikums angelegentlichst
empfohlen. Bis jetzt sind zur Ausgabe gelangt:
Band I.
Volksglaube und Volksbrauch der Siebenbürger
Sachsen.
Von
Dr. Heinrieh von Wlisloeki.
Preis 5, — M.
Band II.
Die Entwicklung der Ehe.
Von
Th. Achelis.
Preis 2,60 M.
Im Herbst 1893 wird erscheinen:
Lieder und Geschichten der Suaheli.
Von
C. G. Büttner.
Auf diese ungemein wichtige und interessante Veröffent-
lichung, die uns zum erstenmal das Geistesleben unserer
ostafrikanischen Landsleute näher bringt, inachen wir schon
heute besonders aufmerksam.
*
Weitere Bände sind in Vorbereitung.
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Volksglaube und Volksbrauch
der
Siebenbürger Sachse
Von
Dr. Heinrich von Wlislocki.
Beiträge
zur
Volks- und Völkerkunde.
Erster Band.
Volksglaube und Volksbrauch der Siebenbürger Sachsen.
Von
Dr. Heinrich von Wlislocki.
Berlin,
Verlag von Emil Felber.
1893.
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Volksglaube und Volksbrauch
der
Siebenbürger Sachsen.
Von
Dr. Heinrich von Wlislocki.
Berlin,
Verlag von Emil Felber.
1893.
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HARVARD COLLEGE LIBRARY
D EXT ER FUND
All« Rächte vorbehalten.
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Qeibel k Co. in Altenburg.
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Adolf Bastian
verehrungsvoll
zugeeignet.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vorwort IX
I. Dämonen 1
IL Festgebräuche 45
III. Segen und Heilmittel 79
IV. Glück und Unglück 131
V. Tiere im Volksglauben 161
VI. Tod und Totenfetische 186
Schlagworte 207
Lautwert der siebenb.-sächsischen Buchstaben.
ä dumpfes, kurzes a.
ö dumpfes, kurzes e.
ä, e, i, 6, ü lange Vokale.
j nach n, d, t und 1 will den voraufgehenden Kon-
sonanten mouillieren.
M
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Vorwort
ch weifs nicht, ob es Anderen ebenso geht, für
mich aber liegt die ganze traumhafte Schönheit
des Märchenlandes über Siebenbürgen aus-
gegossen. Für den Volksforscher ist dies Ländchen, mit
seinen himmelanstrebenden Bergen und Zinnen, seinen welt-
verlassenen Hochlandstälern, ein fruchtbarer Boden, ein El-
dorado der Volkskunde. Brot- und heimlos habe ich im
Dienste der Volkskunde dies wundervolle, bezaubernde
Märchenland nahezu fünfzehn Jahre lang, bis auf den heu-
tigen Tag fast ununterbrochen durchpilgert und im Kreise
der einzelnen Völkerschaften ein bedeutendes Material zu-
sammengebracht, das für religionsgeschichtliche Forschung
und Völkerkunde der Beachtung wohl wert ist.
Das vorliegende Werk befafst sich mit dem Volks-
glauben und religiösen Brauch der Siebenbürger Sachsen,
unter denen ich meine Jugendjahre verlebt habe. Das be-
arbeitete Material ist teils aus älteren und neueren Druck-
sachen, aus Zeitungen, Zeitschriften, Kalendern und Gym-
nasialprogrammen, die schwer zugänglich und zum gröfsten
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- X -
Teil seit einer Reihe von Jahren gar nicht zu bekommen
sind, zusammengetragen worden, teils aber fufst es auf
eigenen Beobachtungen und Sammlungen. Meine Absicht
ging also in erster Reihe dahin, Zerstreutes in leicht über-
sichtlichen Zusammenhang, Unbekanntes zur Kenntnis,
Bekanntes zum Bewufstsein zu bringen. Die grundlegenden
Werke meiner verdienstvollen Vorgänger J. W. Schuster,
Fr. Müller, Haltrich, J. Wolff, Fr. Fronius, GL
D. Teutsch u. a. habe ich überall, wo es möglich war^
herangezogen, daneben aber auch die für siebenbürgisch-
sächsische Volkskunde wichtige, handschriftliche Sammlung
einschlägigen Materials, die mein Grofsvater mütterlicher-
seits, Andreas Roth, ein illiterater Mann, auf seiner
Wanderschaft als Handwerksgeselle (1818—1825) unter dem
Titel: „Dagebledder" angelegt hat. Diese Sammlung ent-
hält, bunt durcheinander gewürfelt, Lieder und Sprüche,
Märchen, und vor allem zahlreiche Heilmittel und Segens-
sprüche. Im Hause meiner Grofseltern stand diese Samm-
lung in hohem Ansehen; sie war für damalige Zeiten ein
rechter „Familienratgeber 1 *.
Bei der Ausarbeitung dieses Werkes habe ich mich
absichtlich in keine Erläuterungen und ausfuhrliche Er-
örterungen eingelassen; ich wollte eben vom Stoff, vom
rohen Material so viel als nur möglich zurKunde deut-
schen Volksglaubens und Volksbrauches geben.
Künftige Forscher können dann leicht die Schlufsfolgerungen
ziehen. Mit Riesenschritten scheint die Zeit zu nahen,
wo deutscher Brauch und deutsche Sitte in Klingsors
Lande, in Siebenbürgen, verschwunden ist. Fremde über-
fluten in hastigem Jagen nach Geld und Genufs das stille
Eiland mittelalterlicher Romantik, und wo einst der Weid-
ruf deutscher Ritter und der Allelujagesang frommer Pilger
erklang, dort braust das Dampfrofs; im flutenden Völker-
getümmel taucht bald diese kleine Insel deutschen Volks-
lebens unter. —
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XI —
Zum Schlüsse will ich diejenigen Schriften mitteilen,
denen ich Belege für das vorliegende Buch entnommen
habe:
Andree, Richard: Ethnographische Parallelen und Ver-
gleiche. Stuttgart 1878.
Bastian, Ad.: Geographische und ethnologische Bilder.
Jena 1873.
Baumann, Ferd.: Zur Geschichte von Mühlbach. (Mühl-
bacher Gymnasialprogramm 1889.)
Haltrich, Josef: Deutsche Volksmärchen aus dem
Sachsenlande in Siebenbürgen. Vierte Aufl. Wien 1885.
Haltrich-Wolff: Zur Volkskunde der Siebenbürger
Sachsen. Wien 1885.
Heinrich, G. A.: Agrarische Sitten und Gebräuche unter
den Sachsen Siebenbürgens (Sächsisch-Regener Gym-
nasiumsprogramm 1880).
Hillner, Joh.: Volkstümlicher Glaube und Brauch bei
Geburt und Taufe im Siebenbürger Sachsenlande
(Schäfsburger Gymnasialprogramm 1877).
Hopf, L.: Tierorakel und Orakeltiere in alter und neuer
Zeit Stuttgart 1888.
Kootz, Julius: Mühlbacher Hexenprocesse. (Mühlbacher
Gymnasialprogramm 1883.)
K rauf 8, F. S. : Volksglaube und religiöser Brauch der
Südslaven. Münster 1890.
L i p p e r t , J. : Christentum. Volksglaube und Volksbrauch.
Berlin 1882.
Mätz, Joh.: Die siebenbürgisch-sächsische Bauernhochzeit.
(Schäfsburger Gymnasialprogramm 1860.)
Müller, Fried r.: Siebenbürgische Sagen. 1. Aufl. Kron-
stadt 1857; 2. Aufl. Wien 1885.
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— XII -
Müller, Fried r.: Beiträge zur Geschichte des Hexen-
processes in Siebenbürgen. Braunschweig 1854.
Schuller, G. : Volkstümlicher Glaube und Brauch bei
Tod und Begräbnis im Siebenbürger Sachsenlande.
(Schäfsburger Gymnasialprogramm 1863 und 1865.)
Schuller, J. K.: Das Todaustragen und der Muorlef.
Ein Beitrag zur Kunde sächsischer Sitte und Sage in
Siebenbürgen. Sylvestergabe. Hermannstadt 1861.
— Zur Kunde siebenbürgisch-sächsischer Spottnamen und
Schelten. Sylvestergabe. Hermannstadt 1862.
Schuster, Fr. W.: Siebenbürgisch-sächsische Volkslieder,
Sprichwörter, Rätsel, Zauberformeln und Kinderdich-
tungen. Hermannstadt 1865.
— Ueber den in einigen Ortschaften Siebenbürgens bei
Hochzeiten üblichen „Rösseltanz". (Mühlbacher Gym-
nasialprogramm 1863.)
— Zur Kritik des Märchens vom Königssohn und der
Teufelstochter. (Mühlbacher Gymn.-Programm 1869.)
— Woden (ebenda 1856).
— Deutsche Mythen aus siebenb.-sächs. Quellen. (Archiv
des Vereins für siebenb. Landesk. VIU. IX.)
Schwicker, J. H. : Die Deutschen in Ungarn und
Siebenbürgen. Wien und Teschen 1881.
Sepp, J o h. : Internationale Hochzeits-, Tauf- und Toten-
gebräuche. München 1891.
Wlislocki, H. v.: Sitte und Brauch der Siebenbürger
Sachsen (in Virchow-Holtzendorffs Sammlung gemein-
verständlicher wissenschaftlicher Vorträge N. F. Nr. 63).
Hamburg 1888.
— Volksglaube und religiöser Brauch der Zigeuner.
Münster 1891.
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- XIII -
W 1 i s 1 o c k i , H. v. : Aus dem inneren Leben der Zigeuner.
Berlin 1892.
— Aus dem Volksleben der Magyaren. München 1892.
— Volksglaube und religiöser Brauch der Magyaren.
Münster 1893.
Wolff, J.: Deutsche Ortsnamen in Siebenbürgen. (Mühl-
bacher Gymnasialprogramm 1879 — 1881.)
So möge denn auch diese Arbeit eine gütige, nach-
sichtige Aufnahme im Kreise der Fachgenossen und Leser
linden !
Wildbad Jegenye (Siebenbürgen).
Dr. Heinrich von Wlislocki.
**
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I.
Dämonen.
as grolse Kapitel von den Dämonen, vom Geister-
glauben überhaupt, beschäftigt die Mythologen der
neuesten Zeit mit Recht in besonderem Mafse,
da man endlich zu der richtigen Erkenntnis gelangt ist, dafs
eben in diesem Glauben sozusagen die Urtypen des reli-
giösen Vorstellungsvermögens vorliegen, die überall und zu
allen Zeiten allen Menschen gemeinsam zu sein scheinen
aber doch auch unter dem Einflufs örtlicher und zeitlicher
Umstände bei den verschiedenen Völkern eigenartig aus-
gebildet wurden. Dieser Glaube ist ein Kaleidoskop, an
dem man nur leise zu rühren braucht, um immer wieder
neue und neue Bilder buntester Art hervorzuzaubern. Die
Grundstoffe bleiben dieselben, wenn sie auch in den Bildern
verschiedenartig zusammengewürfelt sind. Der Geisterglauben,
in welcher Form er immer im Bewufstsein eines Volkes zum
Ausdruck gelangt, ist ein Kardinalpunkt für religions-
geschichtliche Forschung, deren Aufgabe es ist, die darauf
bezüglichen Akten zu sammeln, um es kommenden Jahr-
hunderten möglich zu machen, dereinst ein endgiltiges Ur-
Wlislocki, Volksbrauch n. Volksglaube d. Siebenb. Sachsen. 1
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— 2 —
teil über den Urkeira des religiösen Gefühles fällen zu
können. —
Die Volksüberlieferung der Siebenbürger Sachsen hat
auch das Andenken der drei Schicksalsschwestern, der Nornen
bewahrt, die unter der Benennung Wenken oder
Wäinjken im sächsischen Volksglauben vorkommen. Die
Wenken sind ausgereifte Baumseelen , die vorzugsweise
aufserhalb der Bäume handelnd auftreten. Die Wenken der
Siebenbürger Sachsen, „die Ljesije undRusalken der Russen,
die Vilen der Südslawen, die Lesni panny oder Dive* Seny
der öechen, ferner die Holz- und Moosleute in Mitteldeutsch-
land, Franken und Baiern, die wilden Leute in der Eifel,
in Hessen, Salzburg, Tirol, die Waldfrauen und Waldmänner
in Böhmen, die Tiroler Fanggen, Fänken, Nörgel, die ro-
manischen Orken, Enguane, Dialen, die dänischen Ellekoner,
die schwedischen Skogsnufar — bilden eine einzige Sippe
mythischer Gestalten."
Wenn auch die Wenken im Volksglauben der Sieben-
bürger Sachsen nicht gerade als Schicksalsspinnerinnen,
sondern mehr als Krankheitsbringerinnen auftreten und wie
alle Krankheitsgeister in Wald und Baum lebend gedacht
werden, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dafs sie ur-
sprünglich auch als Schicksalsbestimmerinnen eine Rolle ge-
spielt haben. Darauf zielen einige Kinderlieder, wo sie als
Spinnerinnen auftreten (s. Abschnitt IV). Ais Krankheits-
bringerinnen werden sie in einigen Heilsprüchen angerufen,
oft nicht beim Namen, sondern nur einfach „weifse Frauen"
genannt (s. Abschnitt III). Ihr Wohnort ist der „dunkle"
oder „grüne" Wald, wo sie beim „Brunnen" hausen. In
einem Heilspruch werden gar drei Brunnen erwähnt: Isri,
Nisri, Pisri, in deren Nähe die drei Wenken wohnen. Als
^Spinnerinnen treten sie auch in einem Märchen auf. Einem
Mädchen wird von der bösen Stiefmutter eine übermäfsige
Menge Flachs zum Spinnen in einer Nacht gegeben. Aber
plötzlich, ohne dafs es weifs, wie, erscheint in dem ver-
schlossenen Zimmer eine Frau mit breitem Fufs — das
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- 3 —
Märchen giebt ihr den Namen : dräinte-fosz, d. i. Drei-
Enten-Fufs, ein Fufs so breit als dreier Enten Füfse — und
breiten Sitz teilen, zur Rettung. Sie tritt mit ihrem
Dreientenfufs das Rädchen so schnell, dafs der Flachs bis
zum Morgen aufgesponnen ist. Für die folgende Nacht wird
des Mädchens Aufgabe verdoppelt. Aber eine zweite Frau
mit noch breiteren Sitzteilen und breitem Daumen zum
Drehen des Fadens bringt zum zweitenmal Rettung. In
der dritten Nacht ist die Aufgabe verdreifacht. Aber auch
die dritte Retterin bleibt nicht aus; sie hat eine breite,
herabhängende Unterlippe, vom vielen Nässen des
Fadens, und so breite Sitzteile, dafs sie auf zwei Stühlen
sitzen mufs (Schuster, im Archiv d. Ver. f. sieb. Landesk.
X. S. 79).
Die alemannischen drei Mareien, die dem Menschen bei
seiner Geburt den Schicksalsfaden spinnen, die Frau Breite
mit dem Gänsefufs, die französische regina pede auca
entsprechen den drei Spinnerinnen des mitgeteilten Märchens
der Siebenbürger Sachsen (s. Abschnitt IV).
In einem Schlummerliede werden die drei Schicksais-
schwestern „Nonnen" genannt (vgl. Panzer, Beiträge zur
deutschen Mythologie, I, 163), was eben eine blofse Ent-
stellung von Nornen in Nonnen ist. Name und Wesen beider
boten manche Ähnlichkeit. Im Abschnitt über „Glück und
Unglück" werden wir das Wesen der drei Schicksals-
spinnerinnen eingehend behandeln, so weit dies aus den
spärlichen Überresten der Volksüberlieferung möglich ist.
Wir gehen nun zu einer anderen Art von dämonischen
Wesen über, die im Siebenbürgisch-Sächsischen unter dem
allgemeinen Namen: älf, Alb bekannt sind. Dieser älf ist
1) Alb, 2) Alp. Hiebei müssen wir Laistner's (Rätsei
der Sphinx usw. S. 10) Worte zur Erhärtung der folgenden
Zeilen anfuhren: „Es ist längst bekannt, dafs die deutsche
Volkssage die Gleichung aufstellt: Alb ist Alp, d. h. das
zahllose, vielnamige Heer der Elbe, der in der Luft, im
Wasser, im Hause und auf dem Felde, in Berg und Wald,
1*
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— 4 -
Heide und Ackerland, auf und unter der Erde hausenden
Dämonen, wird unter der nämlichen Bezeichnung zusammen-
gefafst, von welcher das Alpdrücken seinen Namen hat. Dafs
in dieser Gleichung zugleich das Rätsel des Mythus beschlossen
sei, mufste verborgen bleiben, so lange man bei dem Ver-
suche der Auflösung falsche Werte einsetzte und sich mit
dem Ergebnis begnügte, das Volk schreibe den Gewitter-
wesen oder Windgeistern oder Baumgenien unter anderen
Wirkungen auch diese zu^ den bekannten quälenden Traum
zu erregen, mit anderen Worten, der Alp sei ein Alb. Die
rechte Lösung ist aber nur zu finden bei der Wortfolge:
„Alb ist ein Alp." Während man also bislang glaubte, die
Elben oder Alben könnten auch als Alp drücken, behauptet
L a i s t n e r , dafs die Vorstellung von Alben, d. h. überhaupt
von geisterhaften Wesen, erst aus dem Alptraum hervor-
gewachsen sei , ). Dies bezeugt mehr oder weniger auch der
Volksglaube der Siebenbürger Sachsen. Der älf ist in erster
Reihe der Alp, der Geist, welcher dem Menschen leibhaftig
erscheint und ihn seine Macht spüren läfst Er kommt in
der Nacht zu den Schlafenden und sucht sie zu erdrücken ;
ja selbst als Buhlgeist (als ineubus und s u c c u b u s) tritt
er auf. Dabei ist aufmerksam zu machen, dafs der ä 1 f auch
im siebenbürgisch-sächsischen Volksglauben in den ver-
schiedensten Gestalten erscheint, bald menschlich, bald
tierisch; aber auch als Ungeheuer, dessen Aussehen in der
Wirklichkeit nichts Entsprechendes findet, tritt er oft auf.
Häufig setzt er sich dem Schlafenden als schwarzer Hund
oder Katze auf die Brust und droht ihn zu ersticken ; häufig
. erscheint er in der Gestalt von verstorbenen Bekannten.
Tritt er als Buhlgeist auf, so nimmt er die Gestalt eines
Jünglings oder einer Jungfrau an. „Daraus begreift man
leicht, wie die Sage dazu kam, die albischen Wesen oft als
lüstern und minnegierig darzustellen und vom geschlecht-
*) S. W. Golthcr's Recension im Archiv f. Anthropologie
XX, 252 ff.
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— 5 —
liehen Verkehr zwischen Alben und Menschen zu erzählen.
Dieses Traumerlebnis braucht dann nur in eine höhere Sphäre
der Auffassung entrückt zu werden, um den schlimmen
Buhlteufel, der schlafende Weiber tiberfallt, oder die teuflische
Buhlerin, die sich im Traume mit Männern vermischt, zu
Alb und Albin zu wandeln, die in Liebessehnsucht aus
ihrer fernen Heimat herabsteigen, um mit Menschen einen
dauernden Bund einzugehen" (Golther a. a. O. S. 253).
Von einer Frau in Mühlbach, die bereits 8 — 10 Kinder tot
zur Welt gebracht hat, sagt das Volk: „Der älf hot se äm-
gestälpt" (der Alp hat sie umgestülpt). Man glaubt, dafs,
wenn eine Schwangere vom älf ad coitum benützt wird,
dieselbe ihr Kind tot zur Welt bringe. In meiner Jugend-
zeit sagte man am Gymnasium zu Kronstadt von einem, der
der Onanie fröhnte, „he älfert" (er alfert).
In den meisten Fällen tritt der ä 1 f in seiner eigentlichen
Gestalt auf. Er ist klein und dick; er hat einen dicken
Kopf, langen weifsen Bart, struppiges Haar, ein breites,
altes, runzlichtes Gesicht, blöde, glotzende Augen, platt-
gedrückte Nase, weiten gefräfsigen Mund und kurze krumme
Beine und Arme (Hillner, Volkst. Gl. u. Br. bei Geburt
u. Taufe im Sieb. Sachsenl. Schäfsburger Gymn.-Progr. S. 24).
So stellt ihn sich allgemein das sächsische Landvolk in
Siebenbürgen bis auf den heutigen Tag dar. In Mtihlbach
erwachte einmal ein Mann unter grofsen Beklemmungen in
der Nacht und sah bei dem hellen Mondschein, wie ein
kleines, häfsliches Männchen zu seinen Füfsen im Bett stand.
Von den Füfsen springt es ihm auf den Bauch, auf die Brust,
und da tanzt es ihm unter fortwährendem Gesichterschneiden
herum. Der Mann will sich wehren, kann sich aber nicht
rühren. Endlich seufzt er: n O Jeses!" (0 Jesus), und der
Alp verschwindet (Schuster, S. 109). In Kronstadt lebte
vor Jahren der alte Tischlermeister Strobel, den der älf
nächtlicher Weile in der Gestalt einer schwarzen Katze, von
übernatürlicher Gröfse, plagte. Einmal wachte er jäh auf,
erblickte die Katze auf seiner Brust und rief: „Här, am
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Hemel!" (Herr im Himmel). Da sprang ihm die Katze ins
Gesicht und bifs ihn ins Qenick. Von der Zeit an hatte er
sein Lieben lang eine eiternde Beule am Nacken. Der ä 1 f
plagt den Schläfer so lange, bis er aufschreit Tut er die»
nicht, oder wird er nicht durch jemanden aufgeweckt,
so verweilt der älf bei ihm bis zum Hahnenschrei oder bi»
zur Morgenröte. Ich habe eine Anverwandte, Josefine Wagner T
die stets eine Katze bei sich im Bette hält, damit sie der
älf nicht plage, von dem sie in ihrer Jugend viel zu leiden
hatte. Das Schnurren der Katze soll dem Volksglauben
gemäfs den älf vertreiben. „Daher erklärt es sich wohl,
dafs die Alben meistens das Licht und den Tag scheuen
und bei der Dazwischehkunft eines Dritten das Feld räumen,
wie die Traumgestalten der Wirklichkeit nicht Stand halten.
Doch den Alptraum im besonderen scheucht namentlich der
Schrei, an welchem der Geängstigte aufwacht. Oft kommt
es vor, dafs er dabei ein Kissen oder Bettstroh krampfhaft
umklammert hält, woraus der vielbezeugte Volksglaube ent-
stand, der Alp könne gefangen werden, verwandle sich
jedoch dabei gewöhnlich in einen Strohhalm oder einen
ähnlichen unscheinbaren Gegenstand, müsse aber, wenn in
dieser Verwandlung gefangen gehalten, endlich seine wahre
Gestalt wieder annehmen und könne dann gestraft und für
immer verbannt und unschädlich gemacht werden" (G o 1 1 h e r
S. 254). Im Volksglauben der Siebenbtirger Sachsen heilst
es : Wer vom Alp gequält wird, der lasse drei Tropfen Blut
aus dem Schwanz einer Katze auf sein Bettstroh rinnen;
kommt nun der Alp zu ihm auf Besuch, so kann er sich
nicht mehr entfernen und verwandelt sich in einen Stroh-
halm; der vom Alp geplagte Mensch verbrenne nun sein
Bettstroh in einem Backofen, sorge aber, dafs kein Stroh-
halm unversehrt bleibe, sondern jedes Hainichen verbrenne.
Dann verbrennt auch der Alp (Streitfort). In Knoten ge-
wundenes Stroh wird aus dem Bette entfernt und verbrannt,
denn es könnte darin ein älf stecken. Steckt man aber
einige zusammengeflochtene Weidenruten in die Bettstätte,
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- 7 —
so vertreibt man dadurch den Alp (Burzenland). Dieser
Brauch hängt wohl mit dem deutschen „ Weidendrehen" zu-
sammen. „Im Aargau löst man diejenigen Knoten sorgfältig
auf, die man an den Ruten einer dem Wohnhause zunächst
stehenden Weide gewahrt; auch das Weidenband einer jeden
Strohgarbe, die man im Stalle streuen will, wird erlesen und
aus gleichem Grunde nicht mitgestreut Es könnte ein
Hexenschaden mit darin »verknüpft« sein" (Rochholz,
Alemannisches Kinderlied u. Kinderspiel S. 146).
Am schrecklichsten ist der älf, wenn er den Schläfer
in der Gestalt eines verstorbenen Bekannten plagt. Nur im
Gesichte gleicht er dem Verstorbenen, im übrigen aber be-
hält er seine Albengestalt bei. Wen der älf in dieser Ge-
stalt nächtlicher Weile besucht, der siecht und welkt dahin,
ohne dafs ihm irgend ein Heilmittel nützte. Gewöhnlich
werden Leute von solchem älf geplagt, die einem
Totkranken irgend einen Wunsch absichtlich nicht erfüllt
haben, oder ihn auf dem Sterbebett 'wegen angetanen Leides
nicht um Verzeihung gebeten haben (G. Schul ler, Volkst.
GL u. Brauch b. Tod u. Begräbn. Schäfsburger Gymn.-Progr.,
1863, S. 39). Wacht man dann plötzlich auf, so findet man
gewöhnlich einen Schmetterling im Zimmer vor, in den sich
der älf verwandelt hat. Diesen Schmetterling darf man
nicht töten, sondern man mufs ihn hinausfliegen lassen, sonst
benimmt man dem betreffenden Toten gänzlich die Ruhe
(Grossau, Neppendorf). Wahrscheinlich ist diese Art Alp-
traum die älteste Form des Alpdrückens überhaupt und hat
sich eben aus dem Seelencult, d. h. aus der Verehrung der
Toten, entwickelt, auf die sich nach Lippert's Ausein-
andersetzungen alle Religion zurückführen läfst Denn diese
Verehrung der Toten ist dem Menschen am nächsten ge-
legen und hat ihn dann weiter zum Gespenster- und Geister-
glauben, zum Alptraum, zum Albenglauben u. s. w. stufenweise
geleitet. L a i s t n e r dagegen nimmt als erste Stufe den Alp-
traum an, aus dem dann der Albenglaube, Geisterglaube u. s. w.
sich entwickelt hat.
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Einen Übergang vom Alptraum zu den Alben bildet
folgender Volksglauben der Siebenbürger Sachsen : Wer des
alfs, während er von ihm nächtlicher Weile geplagt wird,
habhaft werden kann, der macht ihn sich untertänig und
gelangt zu grofsem Reichtum, denn nicht nur sein Viehstand
gedeiht durch die Künste des alfs, sondern es führt ihm
dieser auch allnächtlich, im Winde einherfahrend, durch den
Rauchfang Schätze zu. In Scharosch glaubt man, der älf
fahre im Drehwinde einher (Hillner S. 24). Er ist also
schon nicht mehr Alp allein, sondern auch Alb. Auch hieraus
also läfst sich mit Laistner schliefsen, dafs die Vorstellung
von Alben, d. h. überhaupt von geisterhaften Wesen, erst
aus dem Alptraum hervorgewachsen sei. G o 1 1 h e r ' s Worte
kennzeichnen auch unseren siebenbürgisch-sächsischen Volks-
glauben bezüglich des älf 8 und seines Auftretens: „ Im Alp-
traum sah ja der Mensch wirklich derlei Wesen, welche ihm
in überirdischer und aufsergewöhnlicher Beziehung erschienen,
und so traten die Geister in seinen Anschauungskreis ein.
Was ihm hier unwillkürlich und ohne sein eigenes Zutun
ein natürlicher Vorgang nahe führte, gewann dann in der
vom Traum befruchteten Phantasie, welche sich später im
Zustande des Wachens das Bild des Alps zurückrief, weitere
Ausdehnung. Die Geister, welche leibhaftig dem Menschen
erschienen waren und ihm ihre Macht fühlbar gemacht hatten,
mulsten doch notwendig irgendwoher kommen; von aufsen
trat der Alp in die Hütte und entschwand den Blicken des
Erwachenden; er konnte sich also unsichtbar machen und
ward nicht überall und immer geschaut. Draufsen in der
Natur, in Wald und Wasser und Flur war er daheim, doch
verblieb er auch zuweilen als Hauskobold in der Hütte selber
gebannt; endlich bei fortschreitend sich entwickelnder Phan-
tasie mochte man auch in den Naturerscheinungen, in Nebel
und Wolken, in Sturm und Wind und Regen, im Gewitter,
in Licht und Dunkel das Walten solcher Wesen ahnen;
das ganze grofse Heer der vielgestaltigen Alben konnte sich
in stetig fortwirkenden Vorstellungskreisen aus dem deutlich
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erschauten Bilde des nächtlich oder auch bei Tage im Schlafe
erschienenen Alps entwickeln. Es liegt auf der Hand, dafs
man schliefslich alle Geister- und Göttergestalten mit ge-
wissem Rechte auf den Alp zurückfuhren darf ; denn wirk-
lich kam der Mensch durch diese in seinem physischen Leben
wurzelnde Erscheinung wohl überhaupt erst zu solchen Vor-
stellungen ; ebenso gewifs ist auch, dafs diese Erklärung der
Alben sehr einleuchtend ist und klar und deutlich den Punkt
bezeichnet, wo auf völlig unwillkürliche Weise der Phantasie
ein Stoff geboten wurde, den sie dann weiter bearbeitete.
Den Alb aus dem Alp folgern und dann dem Alb die Macht
über den Sturm oder übers Feuer und Ähnliches mehr zu-
schreiben, einen Solchen Entwicklungsgang begreifen wir
psychologisch sehr wohl."
Als Hauskobold, der seinem Besitzer Schätze durch den
Rauchfang zuführt, haben wir den älf der Siebenbürger
Sachsen bereits kennen gelernt Auf Alben als gutmütige,
wohltätige Wesen bezieht sich die Sage Nr. 138 und die
Parallelen dazu bei Müller (Siebenb. Sagen, erste Ausg.
S. 382). Die erste Relation erzählt, wie ein Zendrescher
Bauer aus der Mühle heimkehrend auf einer Wiese tanzende
Hexen erblickt. Sein Sohn will mit der Axt zwischen sie
werfen, er aber verbietet es ihm und grüfst die Tanzenden :
„Gott segne euch euren Reigen!" worauf er zur Antwort
erhielt: „Gott segne euch euren Sack!" Seit der Zeit ward
des Bauern Mehlsack nimmer leer, bis er einmal das Ge-
heimnis ausschwatzte. Die zweite Relation aus Mühlbach
ist aber bezeichnender (bei Schuster S. 110). Der Bauer
sieht auf einem erlenbewachsenen Rasenplatz einen
Trupp „Traden" tanzen. Er grüfst sie:
Got fermir ij iren danz! Gott vermehr* euch euren Tanz!
got fermir ij iren kränz! Gott vermehr' euch euren Kranz!
Sie antworten:
Got fermir ij ire sak, Gott vermehr 1 euch euren Sack,
dat e näkeszt lädich wirt ! dafs er niemals ledig wird!
vgl. dazu den „treuen Eckhart". „In beiden Relationen,"
sagt Schuster (S. 110), „sind Hexen und Traden offenbar
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gutartige, elbische Wesen. Wirkliche Hexen wären bei dem
Namen Gottes auseinandergestoben. Überdies zeigt der
Wiesengrund und noch mehr der Rasenplatz zwischen den
Erlen, dafs der Bauer auf einen Elbentanz gestofsen. Der
Name ist wohl nur deshalb verwechselt, weil eben nach
sieben bürgisch-sächsisch er Anschauung älf nur
für bösartige Wesen in Anwendung kommen
darf. Der Ausdruck trud wird übrigens in der Tat nicht
nur für Hexen, sondern auch für Elbe gebraucht. Die kennt-
lichen, runden Plätze auf der Weide, die durch das Lagern
des Viehes während der Nacht entstehen und anderwärts
den Elben und ihrem Reigen zugeeignet werden, heifsen hier
zu Lande trudend&nzplaz (Trudentanzplatz), und die
treffliehen Pilze, die oft auf solchen Plätzen wachsen, werden
von manchen aus Scheu nicht gegessen. Der Aufenthalt
des älf ist sehr verschieden, in Berg und Gestein, in altem
Gemäuer, in Wald und Hain, in Wasser und Moor, in Haus
und Hof ist er zu treffen."
Als bösartiges Wesen tritt der älf in der Wochenstube
auf, indem er nicht nur die Wöchnerin als Alptraum quält,
sondern auch gerne das Kind entfuhrt und an dessen Stelle
ein älfenkind legt. Einer Frau in Mü Illbach hatte eben ein
älf das Kind mit einem Wechsel balg (wieszelb&lch) vertauscht,
während sie schlief, und die arme Mutter war deshalb un-
tröstlich. Da gab ihr eine weise Frau den Rat, sie müsse
dem Wechselbalg aus einem kleinen Geschirr mit einem
grofsen Löffel zu essen geben, wenn sie je wieder zu ihrem
Kinde gelangen wolle. Die Kindbetterin befolgte den Rat,
und da der grofse Löffel weder in das kleine Geschirr noch
in den Mund des Wechselbalges hineingehen wollte, weinte
und heulte der letztere beständig. Dies währte so lange,
bis der älf in einer Nacht heimlich kam, das gestohlene Kind
zurückbrachte und das seinige mitnahm (Müller, 2. Ausg.
S. 40). Anders half man sich in Broos, als daselbst ein
Kind zur Welt gekommen war, welches sogleich redete und
Brot verlangte. Der herbeigerufene Pfarrer verbot, ihm Brot
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zu geben, vielmehr müsse eine Hand voll frischgefallenen
Schnees auf seine Zunge gelegt werden. Als dies geschehen
war, redete das Kind nochmals und sprach: „Euer tausendstes
Glück, dafs ihr mir nicht Brot gegeben, sonst wäre eine
siebenjährige Hungersnot übers Land gekommen !" Darauf
ward das Kind wie andere Kinder und redete nicht mehr,
d. h. die Elbe brachten das rechte Kind an Stelle ihres
Wechselbalges (Schuster S. 110). Solche ausgetauschte
Kinder sind häfßlich und wachsen schwer ; gewöhnlich sterben
sie in ihrem siebenten Jahre. „E äsz hieszich wä en älf —
e huod e w6r älfsgesicht" = er ist häfslich wie ein älf —
er hat ein wahres älfs-Gesicht, sagt man von einem häfs-
lichen Menschen.
In den letzten Wochen kann der älf das Kind auch
im Mutterleibe zu einem älfs-Kind machen. Auf welche
Weise dies geschieht, darüber weifs der Volksglaube nichts
zu berichten. In der Hermannstädter Gegend glaubt man,
dafs der älf besonders gerne schwangeren Weibern nach-
stellt, und Weiber, die in diesem Zustande von „schweren"
Träumen geplagt werden, wickeln sich vor dem Schlafen-
gehen eine Binde um den Unterleib, damit der älf ihnen
nichts anhaben könne; es handelt sich hier also um einen
geschlechtlichen Umgang mit dem älf während der Schwanger-
schaft Derartige Kinder können gleich nach ihrer Geburt
reden und herumlaufen und kommen mit Zähnen auf die
Welt. Solch ein Kind weifs die verborgenen Schätze in der
Erde, doch selbst darf es dieselben nicht anrühren. Durch
grofse Klugheit und Geschicklichkeit, aber auch durch tolle
Streiche zeichnet es sich vor allen anderen Kindern aus.
In seinem siebenten beziehungsweise vierzehnten oder ein-
undzwanzigsten Jahre verschwindet es auf Nimmerwieder-
sehen; es heilst: der Teufel hole es ab. —
Der älf fuhrt uns nun zu den Zwergen hinüber.
Alf ist den Siebenbürger Sachsen der allgemeinste, be-
wufst gebrauchte Gattungsname fiir zwerghafte Wesen über-
haupt Der Name Zwerg kann ihnen einst auch eigen
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gewesen sein, ist aber längst bis auf eine einzige, eben
wegen ihrer Einzelerscheinung verdächtige Spur verloren
und hat nur durch die Litteratur bei den gebildeten Ständen
Eingang gefunden (Schuster S. 105). Das gemeine Volk
kennt den Ausdruck nicht. J. K. Schuller (in der Ztschr.
„Transsilvania" Nr. 5. Jahrg. 1855) schreibt: „Wenn auch
der hochdeutsche Name der Zwerge im Sachsenlande nicht
fremd ist, so ist doch der * Gottsberg« oder » Gottsbergel c
recht heimisch darin. Jener bewegt sich in den höheren
Kreisen, wo man das altertümliche Wort gerne mit modernen
Klängen vertauscht; dieser treibt sich im Volk herum und
sieht es gerne, wenn man Kinder, die in ihrem Wachstum
zurückgeblieben sind, ohne deswegen ungestalt zu sein, nach
ihm benennt und so den Naturfehler der Kleinwinzigkeit,
so wie der Römer (Horatius, Sat. I, 3. 44) mit dem Worte
»Hühnchen« (pullus), mit einem Schmeichelnamen verhüllt.
Zweifeln wir aber nicht daran : Der sächsische Gottsberg ist
der »Gitewerk« oder »Getwerk«, d. i. der Gezwerg des
Nibelungenliedes und anderer mittelhochdeutscher Gedichte ;
und die Metamorphose des Gezwergs in den Gottsberg dankt
ihren Ursprung dem häufigen Bestreben, dem unverständlich
gewordenen Worte, wenn auch nur phonetisch, einen Sinn
zu geben." Dagegen meint Schuster (a. a. 0. S. 105)
wohl mit Recht: „Im »Gotsbärjel« kann ich nicht das
neutrale »Getwerc« der mittelhochdeutschen Dichtungen
sehen, deshalb nicht, weil es zu augenscheinlich Deminutiv
des »Gotsbuorich« ist, der entschieden auf Frö's Eber führt."
Der »Gotsbuorich« (Gotteseber) und die »Adventkräm«
(Adventssau) gehen zu Weihnachten um und strafen den,
der zu dieser Zeit kauend über die Schwelle geht (H a 1 1 r i c h -
Wolff, Zur Volkskunde d. S. Sachsen S. 282). Wie dem
immer sei, so viel ist gewifs, dafs zwerghafte Wesen auch
noch heutigen Tages „Gotsberg" oder „Gotsbergel" genannt
werden. Die einzige Spur des Namens Zwerg bei den
Siebenbürger Sachsen findet sich in den beiden Goldkindern
bei Hai tri ch (Märchen, S. 1), worin am Schlufs berichtet
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wird, daJs aus dem Land der sieben Zwerge das Wasser des
Lebens geholt worden sei. „Der ganze Schlufs aber sieht
wie eine Fliekerei aus" (Schuster S. 106). Dafür aber
kennt das siebenbürgisch-sächsische Volk den sonsther un-
bezeugten Namen „Zänken" für zwerghafte Wesen, freilich
auch nur in einer einzelnen Sage. Es wird nämlich erzählt, dafs
die Zänken, winzig kleine, aber geschickte Leutchen, die
»Hönjekirch« (Hünenkirche, Riesenkirche) im »Hönjendöl«
(Hünenthal) bei Maldorf erbaut haben (Schuster S. 106).
Von einem Land der Zwerge ist im Volksglauben der
Siebenbürger Sachsen keine Spur zu finden, obwohl Schuster
auch hierfür Belege anfuhrt, und zwar: „1) das wahrschein-
lich eingeführte und oben erwähnte »Land der sieben Zwerge«,
worin das Wasser des Lebens zu finden ist, 2) das ewig-
blühende Pfefferland, das unser Eigentum ist, 3) die
idoraenÄen«." Das »Land der sieben Zwergec fällt von
selbst weg, nachdem es — wie ja auch Schuster glaubt —
durch die Litteratur eingeführt, in einem einzigen Märchen
als „Flickschlufs" vorkommt. Was nun das „ Pfefferland "
der Zwerge anbelangt, so kommt dasselbe ebenfalls nur in
einer einzigen Sage (Nr. 147 bei Müller, 1. Aufl.) vor, wie
dies auch Schuster hervorhebt (S. 106). In einem Dorfe
wird zur Winterszeit Hochzeit gehalten, wobei natürlich
frisches Obst fehlte. Zwei Weiber boten sich an, solches
zu holen. Ein junger Bursche geht ihnen voraus aus dem
Hochzeitszimmer und versteckt sich in einem leeren Fafs.
Die Weiber besteigen das Fafs, und auf ihr Wort : n H i , h i !
än't fieferUnt!" (hi, hi, ins Pfefferland) fängt das Fafs
zu rollen an. Sie fahren mit unglaublicher Geschwindigkeit
über Land und Meer und gelangen in einen ewigblühenden
Garten, im Pfefferland gelegen, woher also die beiden Weiber
das gewünschte frische Obst den Gästen herbeischaffen. . .
Nun schreibt Schuster: „Die beiden Weiber äind
zwarHexen, wie di e Reise ins Pfefferland über-
haupt im Hexenglauben vorkommt; das Pfefferland
hingegen, wie es in dieser Sage erscheint, als ein ewig-
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blühender Garten, kann kaum etwas anderes sein, als das
selige Land der Eibe, der sieben Zwerge, wo ein immer-
währendes Blühen und Leben ist und auch der Brunnen des
Lebens quillt."
Das Pfefferland hat mit den Zwergen nichts zu schaffen,
und die ganze Sage rufst auf dem Hexenglauben. Der ewig-
blühende Garten ist eine blofse Zutat, die irgendwo anders
her entlehnt worden ist.
Was nun das dritte Land der Zwerge im Volksglauben
der Siebenbürger Sachsen anbelangt, so lesen wir vorerst
Schuster's darauf bezügliche Auseinandersetzungen
(a. a. O. S. 107): „Auch in dem bekannten Kinderliede
(Schuster, Volksl. etc. S. 382 Nr. 182) von dem Ritt in
die Düömenaen oder Domen&en, so verderbt es ist, hat
J. K. Schüller (a. a. O.) wohl richtig ein Land der Zwerge
erkannt. D o m 1 e n k und Domenhanz sind auch Gattungs-
namen Air Zwerge und wohl nur deshalb im Gebrauch
seltener geworden, weil einer derselben als „domelenk Hanz u
zum Helden eines Märchens geworden, worin er allerlei
fremde Züge meist von Thor und Siegfried angenommen
und allmählich seine Genossen verdunkelt hat. Die Dome-
n&en sind unzweifelhaft ein Elbenland; vielleicht darf
man das Wort geradezu deuten als Auen, wo die Däum-
linge wohnen. Schuller hat nur die vier Zeilen:
Sule mer regde fräen Sollen wir reiten (au) freien
än de düömenaen. in die Düömenaen.
De KrazewÖz wor uch dö t Der Krazewöz war auch da,
de Hepentep kam uch n6! der Hepentep kam auch nach!
Davon fehlen in anderen Relationen die beiden letzten
Zeilen und stehen dafür viele andere. Ich betrachte noch
eine — die reichste — von diesen Relationen:
Se süle regde fraen Sie sollen reiten freien
än de domenäen. in die Domenaen.
De dornen! wor net derhim, Der Domena war nicht daheim,
de gisz lag af em stin, die Geis lag auf dem Stein,
de kaz lag af cm hiert, die Kate' lag auf dem Herd,
der hangt lag für der dir. der Hund lag vor der Tür.
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Se wüle sich net wiejen,
se wüle sich net riejen,
86 wülen uch net afston,
se wülen uch net für de kenenk
gön,
se wftlen uch net schalmären,
wier de brokte wßren;
se sangen,
se sprangen,
se dranken ousz de kanen,
se schlagen de bangen:
terum, terum, titum, titum!
Sie wollen nicht weichen,
sie wollen sich nicht rühren,
sie wollen auch nicht aufstehn,
sie wollen auch nicht vor den König
gehn,
sie wollen auch nicht schalmieren,
wer die Braut wäre;
sie singen,
sie springen,
sie trinken aus den Kannen,
sie schlagen die Pauken:
terum, terum, titum, titum!
Ich erkläre — sagt nun Schuster — den Sinn des
Ganzen etwa so : Es wird ein vergeblicher Ritt — natürlich
auf dem Knie — ins Land der Elbe unternommen, entweder
um für den kleinen Reiter dort eine passende Braut zu
suchen — wahrscheinlich eine Prinzessin, — oder — auch
das könnte der Sinn des Liedes sein — um des Königs
Hochzeit zu sehen. Der Elbenkönig (wenn man in der offen-
bar verdorbenen (!) dritten Zeile das unverständliche do*
menä so bessern darf) ist entweder nicht zu Hause oder
läfst nicht vor sich treten, weil er selbst Hochzeit hält. Ziege,
Katze, Hund — Vieh und Haustiere der Elbe, wie sie auch
sonst bezeugt sind, und zugleich selbst Elbe in Tiergestalt —
liegen ruhig vor und in der Vorhalle. Das Hausgesinde
offenbart seine neckische Elbennatur, indem einige den An-
kömmling ruhig angrinsen, ihn weder vor den König fuhren,
noch ihm verkünden wollen, wer die Braut sei (oder: welche
als Bräute zu vergeben seien?), während andere mit harm-
loser Schadenfreude um ihn springen und singen, aus Kannen
zechen, trommeln und lärmen. Meine Deutung macht auf
Unumstöfslichkeit keinen Anspruch: mir ist nur das Eine
sicher, dafs wir uns in dem Kinderliede in elbischer Atmosphäre
bewegen. Andere Relationen verstärken diese Gewifsheit.
So enthält ein Bruchstück die Schlufsverse:
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Mousz, Moufez, Maas, Maus,
kier det housz ! kehr' das Haus !
Wisel, wisel, Wiesel, Wiesel,
drag et ousz! trag 1 es hinaus!
Maus und Wiesel sind elbische Wesen. Hier sind sie
elbisches Hausgesinde. In Kinderspielen und Gebräuchen
kommt Mäuschen vielfach in solcher Bedeutung vor. Den
ausgefallenen Milchzahn steckt man ins Mausloch und spricht
dazu die Formel :
Ha gien ech dir den helzeränen,
gäf ta mir en koecheränen!
Hier gebe ich dir den hölzernen,
gieb du mir einen knöchernen. . . . a
So weit Schuster. Ob nun dies Kinderlied sich in
„elbischer Atmosphäre" bewegt, das bleibt dahingestellt,
so viel ist gewifs, dafs düömen&en oder dornenden kein
Reich der Zwerge oder Alben ist. Im Laufe der Jahre
habe ich an verschiedenen Orten des Siebenbürger Sachsen-
landes nach einer Erklärung dieses Ausdrucks geforscht,
aber vergeblich. Bald hiefs es düömenäen oder dorne-
nden, bald d o m i n ä e n oder d u m i n a e n , eine Erklärung
davon aber konnte mir niemand geben, bis dafs ich selbst
auf den richtigen Sachverhalt kam. In einigen Ort-
schaften wird in der dritten Zeile statt dornen* — „domine"
gesagt, und somit haben wir auch den Schlüssel ins Land
der Zwerge. Noch in den ersten Jahrzehnten unseres Jahr-
hunderts lernten die Kinder schon in der Dorfschule lateinisch,
und lateinische Brocken wurden in die gewöhnliche Umgangs-
sprache unbewufst herübergenommen. Dies domenaen ist
nichts anderes als das lateinische dominium, womit man
auch noch heutigen Tages einen Herrensitz, ein Herrschafts-
gut u. s. w. benennt. Hierfür spricht auch die Wendung meiner
Variante: „De dorn ine wör net derhim!" = der Domine
war nicht daheim! Mit „Domine" (Herr) werden auch heut-
zutage, wenn auch nur scherzweise, „gelehrt tuende" Leute
angeredet. —
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Wie sich nun immer die Sache mit diesem Lande der
Zwerge verhalten mag, so viel ist gewifs, dafs der Volks-
glaube der Siebenbürger Sachsen in alter Zeit eine ganze
Reihe von zwerghaften Wesen aufzuweisen hatte, von denen
heute sozusagen nur noch die Namen fortleben. An erster
Stelle stehen die Imtchen oder Umtchen (J.K. Schuller
Transs. 5. 1855). Das Wort Imtchen in seiner uneigent-
lichen Bedeutung bezeichnet ein zwerghaftes, hilfloses Wesen
und wird in diesem Sinne grösstenteils auf Kinder bezogen
oder auf Leute, die sich in ihrer Schlichtheit und Un-
erfahrenheit nicht in die Welt zu schicken wissen. In
seiner eigentlichen Bedeutung benennt es, wie das nieder-
deutsche emken und omeken und das hochdeutsche
Heimchen die Hausgrille (Schuster S. 111). Heim-
chen heifsen in Ostthüringen und im Vogtlande die Kinder-
seelchen (Grimm, Myth. 367), in Westfalen Zwerge (Kuhn,
Westfal. Sag. 2, 80) und anderwärts Albe (Grimm 382).
Sie bringen Glück ins Haus und dürfen nicht getötet
werden (Wuttke, Deutscher Abergl. § 150). „Den An-
lafs zu dieser Auffassung," schreibt Lipp er t (Christentum,
Volksgl. u. Volksbr. S. 505) „boten sie gewifs als Herd-
bewohner. Bei Tschechen führen Nachtschmetterlinge den
Namen der tötenden Göttin. In Westfalen heifst ein solcher
Molkentöwerer (Molkenzauberer), in Schlesien der Weifs-
ling Molkendieb. In beiden Fällen dürfte die Alp-
vorstellung mafs gebend sein. Wie der Alp die Ge-
stalt eines Strohhalms oder einer Bettfeder annehmen kann,
so kann er auch als Schmetterling erscheinen — die Molke
deutet auf die ablösende Spende. Ebenso steht diese Fetisch-
eigenschaft des Schmetterlings mit dem Raupenzauber der
Hexen in Verbindung. Dieser Tierfetischmus erklärt ganze
Gruppen von Hexensagen und die nicht wenig zahlreichen
der „verwunschenen Menschen", welche in Tiergestalt ihre
Schätze hüten oder sonst umgehen, ferner die von unheim-
lichen Tieren, welche an Kreuzwegen und Stegen dem
Menschen auflauern, aufhocken etc. Mit diesen Vorstel-
Wlislocki, Volksbrauch u. Volksglaube d. Siebenb. Sachsen. 2
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lungen hat die Phantasie bis in unsere Zeit dichtend um-
zugehen gewufst," Shakespeare hat nicht ohne G-rund
seinen Elfen Namen gegeben wie : Motte, Spinnwebe u. s. w.
Nach dem Volksglauben der Siebenbürger Sachsen bringen
Grillen Segen ins Haus; nach anderer Meinung sind sie
auch Boten des Todes. In meiner Kinderzeit schreckte man
uns abends mit dem Grillengezirpe, indem man uns sagte:
„Hir, det Grömantchen kit!" (Hör', das Graumännchen
kommt!) Zu Anfang dieses Jahrhunderts lebte zu Kron-
stadt in der Burggasse ein armer Seiler, der, einmal einen
Stein der Stadtmauer loslösend, einen Ziegenschädel voll
Heimchen fand. Um diese Tierchen zu vernichten, warf er
den Ziegenschädel ins Herdfeuer. Am nächsten Morgen,
als er Feuer anmachen wollte, war der Ofen mit blanken
Goldstücken angefüllt. Der Seiler war nun ein reicher
Mann, aber er fand seit dieser Zeit keine Ruhe mehr; all-
nächtlich safs an seinem Bett ein kleines, graues Männlein
und zirpte ineinemfort: „Warum hast du meine Geschwister
verbrannt?" Da sammelte der Mann viele Heimchen und
liefs sie in seinem Hause frei. Seit der Zeit besuchte ihn
das graue Männlein nicht mehr. Den Mann nannte man
spottweise den „Imchen-Petrus" . . .
„Wenn in den imtchen zuletzt eben nur Grillen
stecken," schreibt Schuster (S. 112), „so wird auch der
männliche h&zel — ebenfalls Benennung der Hausgrille —
auf elbische Natur Anspruch haben. Schon sein Name er-
innert an Heinzel und Heinzelmännchen. Noch näher klingt
äufserlich an die Heinzelmännchen unser hänzepänz,
änzepänz, der unstreitig hierher gehört. Ob er, wie
Schuller meint, auch sprachlich gleichen Ursprungs sei
mit den Heinzelmännchen oder, nach Müllers Ansicht,
von enz (angelsächs. ent) herzuleiten, also ursprünglich
Riese und nur zum Kobold herabgesetzt sei, bleibt unent-
schieden." Will man eine unbedeutende, wertlose Kleinig-
keit bezeichnen, so sagt man: Das ist gut für den Hänze-
pänz! Eine Kleinigkeit wird scherzweise Hänzepänzerei
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genannt. Müller macht dagegen für sich geltend das
Vorkommen des Wortes auch in der Form Änzepänz
und den Umstand, dafs der Beiname Heinz, Hinz für die
Katze bei den Siebenbürger Sachsen unbekannt ist. Einen
Hausgeist aber, in dessen Namen die Katze steckt, finden
wir im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen auch vor.
Schul ler („Transsilvania" 5, 1855) hat nämlich nach-
gewiesen, wie der Ausdruck Krazewöz, der eigentlich
eine Gurke bedeutet, uneigentlich aber zur Bezeichnung
. eines kleinen Knirps gebraucht wird, in dieser Anwendung
nur irrtümlich, nach verlorenem Verständnis zu dieser mit
dem Namen der Gurke gleichlautenden Form gekommen
und richtig K a z e b ö z lauten müsse. Der sächsische Kraze-
wöz mag mit dem Katzebutz und Katzenweit in der Gegend
von Hanau identisch sein. Eine bei Hermannstadt noch
zuweilen gehörte Schelte ist das kazebösenzärchen
(Zärchen-Sara), was ebenfalls ein „muttertelliges" oder armes
Imchen bedeutet (Haltrich - Wolff a. a. O. S. 258).
Buz werden im Siebenbürgisch- Sächsischen feiste, voll-
wangige Kinder genannt. In Oberdeutschland ist der Butz
ein verlarvt erscheinender Hauskobold, doch nennt man
Butz auch ein zwergigtes Kind; es ist dasselbe Wort mit
dem siebenbürgisch - sächsichen ferbät und dem ober-
deutschen buderli (verhüttetes Kind) und buderwinzig,
zwergenklein (Haltrich- Wolff, S. 258). Der Hezem-
penz ist das rheinländische Hinzel- oder Heinzelmännchen.
Der Hepentep scheint unter den Zwergen die Rolle ge-
habt zu haben, die der hinkende Hephästos unter den Göt-
tern hatte (Haltrich-Wolff S. 258). Hinkende Menschen
werden Hepentep gespottet. Ein anderes Wort zeigt
schon durch die Redensart, in welcher es ausschliefslich
gebraucht wird, seine mythische Bedeutung. „Giet dem
Bartesch uch en strämpel!" (gebt dem Bartesch auch
einen Schenkel) pflegt man, ohne sich der Bedeutung des
Wortes bewufst zu sein, scherzend bei der Mahlzeit zu
sagen, wenn man einen der Dienstleute oder einem Kinde,
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das nicht bei der Tafel sitzt, ja einem Hunde, einer Katze
etwas von der Tafel reicht, oder auch nur ein abgegessenes
Bein wegwirft. Das wird sich auf das Opfer beziehen, das
man von jeder Mahlzeit dem Hausgeist zu bringen gewohnt
war. Ein Hausgeist wäre also dieser Bart es ch, und darauf
weist auch die Geringfügigkeit des Dargebrachten, die sich
für alle Wesen dieser Gattung wiederholt" (Schuster
S. 113). Schuller erinnert sich bei diesem Bartesch
jener Bertha, welche die wilde Jagd führt und vermute ty
dafs er einst in höherem Range, vielleicht als männlicher
alter idem jener Bertha an der Spitze der wilden Jagd
gestanden.
Als letzten der zwerghaften Hausgeister im Siebenbürger
Sachsenlande haben wir noch den Bisakesz zu erwähnen.
Mit diesem Namen werden unruhige, wilde, wenn auch
nicht eben bösartige Kinder liebkosend angerufen, oft aber
auch mit diesem Wesen geschreckt. In einem Kinderspruch
J. K. Schuller hielt in seinen Beiträgen zu einem Wörter-
buch bis für das Adjektiv böse, und in akes vermutete
er einmal einen elfenartigen Geist (agaz), ein andermal
einen bösartigen Kobold, indem er das Wort ableitete aus
demselben Stamme, aus dem das süddeutsche hagg y
h a g s c h (altes, böses Weib, Hexe) entsprossen (s. S c h u 1 1 e r ,
Zur Kunde ss. Spottnamen u. Schelten S. 8). Die rechte
Deutung und Ableitung wird bei dem mittelhochdeutschen
akust (Schlechtigkeit, Tücke) zu suchen sein; nebenbei
mag auch das thüringische Verb bisake (belästigen, quälen)
erwähnt werden (Hai tri ch- Wolf f S. 361). Wir haben
im Bisakesz wohl einen reizbaren Hauskobald zu suchen.
(Schuster S. 113) heifst es:
Bisakesz
Bisakesz
trag' Holz ins Backhaus!
komm' zurück,
dräg hfilz än't bakesz!
kam zeräk
fal af de räk
bräinj mer e stak
mar hibesz mät!
fall' auf den Rücken,
bring 1 mir ein Stück
mürben Kuchen mit!
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„Es umfs auffallen," schreibt Schuster (S. 139), „dafs
unsere Überlieferung in überwiegender Menge Wald- und
Wassergeister, darunter besonders Moorgeister kennt, die
Bergelbe fast nicht vertreten sind, da doch unser jetziges
Vaterland im ganzen Sinne des Wortes ein Gebirgsland ist.
Diese Erscheinung entspricht der Neigung der Eingewan-
derten, sich vorzugsweise in Tälern anzusiedeln, das eigent-
liche Berg- und Felsgebiet zu meiden und weist neben
vielen anderen Überlieferungen darauf hin, dafs unsere Vor-
fahren nicht aus einem Gebirgsland, sondern aus wald- und
moorreichen Gegenden gekommen. Sowohl Flandern als
Westfalen waren reich an Mooren und besonders letzteres
auch an Wäldern, und Moor und Wald fanden die Ein-
wanderer noch reichlicher in der neuen Heimat, die sie
urbar machten." Einen Bergalben suchen die einheimischen
Mythologen in dem Ausdruck Wicht und Wichtel, wo-
mit eigentlich der Turmfalke bezeichnet wird.
Waldgeister sind im Volksglauben der Siebenbürger
Sachsen noch immer verhältnismäfsig zahlreich vorhanden,
wenn auch dieselben weniger zum eigentlichen Zwerg- oder
Albengeschlecht zu gehören scheinen. Vor allen ist es die
Baschgris (Buschgrofsmutter) und Baschmoter (Busch-
mutter). Schuster (a. a. 0. S. 250) hat beide mythisch
zu deuten versucht und eine „Hel a darin gefunden zu haben
gemeint. Beide sind gewöhnliche Waldgeister, wie sich
dieselben fast jedes Volk vorstellt. Struppige, flatternde
Haare; grofse, feurige Augen und überaus grofse Zähne
kennzeichnen diese Wesen, mit denen die Kinder geschreckt
werden. Dasselbe gilt auch vom Baschäinjel (Busch-
engel). Einen wüst und unordentlich aussehenden, ins-
besondere ungekämmten Menschen nennt man Basch-
ünjel (Schuster S. 115). Oft erscheint die Basch-
moter als weifsgekleidete Frau den Holzfällern im Walde
und treibt sie von ihrer Arbeit weg, besonders wenn
sie unerlaubte Sachen treiben, den Wald verunreinigen,
rauchen u. s. w. Ein Bauer aus Nieder- Eidisch ging einmal
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um Holz in den Wald und rauchte dabei sein Pfeifchen*
Da erschien ihm die Baschmoter und rief: „Wie wagst
du in meinem Walde zu rauchen? Tust du dies noch
einmal, so ergeht es dir übel!" Der Mann lief davon. Ana
Waldrande aber sammelte er sich Reisig und nahm seine
Pfeife wieder hervor und wollte rauchen. Aber da rollten
Steine, Erde, Bäume an ihn heran, und mit schwerer Mühe
konnte er sein Leben retten und heimkehren (vgl. Müller,
Sagen, 2. Aufl., S. 32). Es heifst im Volksglauben, dafs die
Waldfrau oder Bas chmöter auserwählten Menschen, ihren
Lieblingen auch das sogenannte Springgras verschafft,,
womit man alle Fesseln und Schlösser geräuschlos öffnen
kann. Es hat eine herzförmige Gestalt, und ein Tropfen
wie Gold oder Blut hängt daran; denn es wächst gewöhn-
lich auf solchen Bergen und zwar an der Stelle, wo einmal
jemand ermordet worden ist. Hat man es gefunden, so
schneidet man sich den Ballen der linken Hand auf und
läfst das Blatt dahin einwachsen, worauf man alles Eisen
durch die blofse Berührung sprengen kann (Müller a. a. 0. y
2. Aufl., S. 26). Wer sich zur Baschmoter verirrt und ihre
Töchter, die Waldmaide, unterhält, bekommt von ihr viel
Geld (Mtihlbach). Solche Waldmaide, erzählt das Volk, hat
man schon einigemal gefangen und gefesselt ins Dorf ge-
bracht; aber jedesmal sind sie entwichen. In Neudorf bei
Bistritz fing man einmal zwei solcher Waldmaide und
brachte sie ins Dorf. Zuerst entfloh die eine, später die
andere. Die zuerst entfliehende rief der noch zurück-
bleibenden zu: „Lea, Lea, alles so, nor zewat der
dällsom and der färbledrich kli ös, d&t nät sö!"
(Lea, Lea, alles sage, nur zu was der Dillsame und der
vierblättrige Klee ist, das sage nicht!) Dill hat im Volks-
glauben der Siebenbürger Sachsen eine zauberabwehrende
und zaubererstickende Kraft. Wer ein vierblättriges Klee-
blatt findet, heifst es im Volksglauben, ohne es gesucht zu
haben, dem steht ein Glück bevor; auch kann der, der es
gefunden hat, die Truden (s. Abschnitt IV) sehen, wie sie
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abends auf den Kühen hinreiten, den Trudengeiger voran.
In Tartlau bringt es aber nur dann Glück, wenn man es
nach Hause tragen kann, ohne über ein fliefsendes Wasser
zu gehen. Man soll in der Kirche, meinen die Tartier,
kein vierblättriges Kleeblatt ansehen, sonst sieht man die
Traden mit Schöpf kannen (schöchtert) auf dem Kopfe, und
wenn man dann nicht als erster aus der Kirche heraus-
kommt, „so schlagen sie eins so fürchterlich, dafs man's
seiner Lebtage nicht vergisst." Ist man aber mit dem
Blatte zuvor über einen Graben gegangen, so sieht man
nichts (Haltrich-Wolff S. 298). Vor vielen Jahren
zeigte ein Schwarzkünstler auf dem Marktplatze zu Mühl-
bach seine Künste. Das Volk staunte besonders über einen
Hahn, der einen mächtigen Heubaum hinter sich her-
schleppte. Da kam eine Maid mit einem Sack voll Gras
auf dem Rücken heran und rief: „Ihr Narren, das ist ja
nur ein Strohhalm, was ihr für einen Heubaum anseht ! u
Sogleich merkten alle den Betrug. Der Zauberer aber
wufste sogleich, dafs die Maid ein vierblättriges Kleeblatt
im Sack haben müsse. Er nahm ihr daher den Sack 5a b
und sie war nun so sehr in seiner Gewalt, dafs sie den
ebenen Weg plötzlich für ein Wasser ansah und sich zum
Gelächter des Volkes hoch aufschürzte (Müller, 2. Aufl.,
S. 25).
Verwandt mit diesen Wesen scheint der W T aldjäger
zu sein. In den tiefsten Wäldern und höchsten Gebirgen
streift ein grofser wilder Mann herum, dessen Leib ganz
mit langen dichten Haaren besetzt ist. Die Leute nennen
ihn den Baschjäger (Buschjäger). Oft begegnet er Jägern
und erteilt ihnen dann guten Rat, z. B. wenn man in der
Neujahrsnacht eine Natter in seine Flinte lade, so werde
man im ganzen Jahre nie mit diesem Gewehre das Ziel
verfehlen (Müller 2. Aufl. S. 26). In Mühlbach und Um-
gebung sagt man, wenn der Sturmwind im Winter nächt-
licher Weile braust: „Der Baschjäger pfeift!" Im Burzen-
land dagegen meint man: „Der Kriwiz bläst ! a Der
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K r i w i z scheint auch ein dem Volksbewufstsein entschwun-
dener Berggeist zu sein. Auf hohen Gebirgen soll er in
Höhlen hausen, und wenn er manchmal hervorkommt, so
entsteht durch sein Blasen und Schnaufen ein kalter,
schneidiger Wind. Wenn im Winter der Sturm draufsen
heult, schreckt man die Kinder auch mit der Drohung:
„Hirt, der Babau äsz dertouz" (hört, der Babau ist
draufsen). „Ob bei diesem Babau blofs an einen elbischon
Waldgeist oder, in Erwägung des Sturmgeheuls, an einen
zum Elb herabgesunkenen Anführer der wilden Jagd zu
denken sei, bleibe unentschieden. Noch verblafster ist der
Babau, wo er blofs zu einem kinderschreckenden Haus-
kobold geworden" (Schuster S. 117). Wie denn alle diese
zuletzt genannten Wesen im Volksbewufstsein ganz und gar
verblafst sind.
Von gleicher Gestalt wie die Baschmöter und die
ihr verwandten Waldgeister ist der Sc ha seit. Das Wort
entspricht dem gothischen skohsl. T& Schäselt! (du
Scheusal) oder „E segd ousz wei e Schäselt" (ersieht
aus wie ein Sch.) sind gewöhnliche Redensarten, wobei
durchaus nicht an das abstrakte Scheusal zu denken ist,
wiewohl das Wort, wie Grimm vermutet, gleichen Ursprung
haben könnte. „Noch bezeichnender erscheint der Aus-
druck oft und überall in unseren Gauen in der Bedeutung :
Scheuche 1 ), namentlich in der Zusammensetzung bire-
schäselt, d. i. Scheuche auf dem Birnbaum, womit wieder
auch uneigentlich ein häfsliches Weib — besonders in ge-
schmacklosem Putz — bezeichnet wird. Ursprünglich könnte
dieses Biresch&selt der schützende Baumgeist gewesen
sein. Auch jede andere, zur Abwehr der Vögel aufgestellte
Scheuche heifst Sch&selt und e Sch&selt afstälen
geradezu: eine Scheuche aufpflanzen" (Schuster S. 115).
Dafs Sch&selt ursprünglich ein Wald- und Baumgeist,
') Vgl. dazu das magyarische csom6, cs6va = Geschwulst,
Knoten, Vogelscheuche.
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und als solcher eben auch ein Krankheitsgeist ist, dafür
spricht vielleicht auch folgendes Mittel gegen das Berufen:
Man nimmt von einem auf Bäumen oder im Felde auf-
gestellten Sch&selt (Vogelscheuche), das man aber vor-
her nicht darf gesehen haben, ein Stück, aus dem das
Sch&selt besteht, pulvert solches und giebt es dem Kinde
in Wasser ein (Haltrich- Wolff S. 262).
„Der Grampus," sagt Schuster (S. 115), „der in
einigen Gegenden Deutschlands als eine Art Kobold spuckt,
ist bei uns zumGrumpesz, d. i. einem dicken, knorrigen
Holzklotz, geworden, aus dem er vielleicht hervorgegangen
sein mag, und hat sich so als echten Waldgeist entlarvt
Auch Rübezahl nimmt zuweilen die Gestalt eines Holz-
klotzes an, der im Wege Hegt. Wenn dann der müde
Wandersmann sich darauf setzt, rollt er plötzlich unter ihm
weg, dafs der Erschrockene dahinpurzelt , den er dann un-
sichtbar auslacht. Das sind ganz elbische Züge. In Mediasch
kam in früheren Zeiten nach dem Kräsztmän (Christ-
mann) an Weihnachten der Krampesz (mät der Bat)
und drohte, die Kinder in der Butte mitzunehmen, wenn sie
den Eltern nicht gehorsam wären. Gleiches Schicksal mit
dem Grampus hat sein Vetter Pilwiz erfahren, indem er
bei uns zum Pelewelesz, d. i. Knüttel, herabgesunken ist,
während sein Kamerad , der B o b e 1 o z noch immer in An-
sehen steht und ein Schreckgeist der Kinder ist, denen
man, wenn sie sich nicht beruhigen lassen, droht, man
wolle den Bobeloz rufen, dafs er sie in den Wald mit-
nehme.'* J. K. Schuller (a. a. O.) hat auch den Päkesz
unter die Waldgeister der Siebenbürger Sachsen eingereiht,
indem er das Wort mit Pucks und Puck in Verbindung
bringt und mit Recht die Ableitung von dem lateinischen
pecus abweist. Mit diesem Ausdruck werden die Michels-
berger Holzhändler gespottet. Ein Mensch, der uns durch
seine Zudringlichkeit zur Last fiUlt, ist ein Päkesz.
Schuster (S. 116) meint: „Ich finde in dem Pekesz den
Abkömmling eines lateinischen picus wie in dem gleich-
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bedeutigen Pacheresz oder Patcheresz, womit die-
selben Michelsberger gemeint sind, passeres oder das
walachische paszere. Die Bildung des Wortes päkesz
aus picus ist ganz sächsicher Lautregel gemäfs. Das ab-
lautende u nlufste nach derselben in stummes e schwinden,
das i der Stammsilbe in ä übergehen, wie Säe hei der
Sichel, Mäche 1 dem Michel, Gläk dem Glück und auch
päken dem picken gegenübersteht. Wenn ich nicht irre,
so wird gerade in Michelsberg der Specht auch Päkesz
genannt. Ob unter diesen Umständen die elbische Natur
des Päkesz nicht aufzugeben wäre, bin ich zweifelhaft.
Dafs die Lautverschiebung in dem Worte fehlt, zeugt auch
für die Entlehnung — etwa aus jener Zeit, wo auch in
unseren Dorfschulen lateinisch gelehrt wurde. Allerdings
ist auch der deutsche Namen des Spechtes mit picus ver-
wandt, der sonst bei uns gebräuchliche, aus seinem Picken
hergenommene : Bümpäker (neben dem gleichbedeutigen :
Bumtschaker) erinnert lautlich daran. Allen Völkern
Europas war der Specht ein heiliger Vogel. Wie der
Michelsberger sucht er seinen Unterhalt im Holz ; im Baum
ist seine Wohnung, und wer sein Picken und Hämmern von
weitem hört, den gemahnt es wohl wie das versteckte
Handtieren des kleinen Zwergvolkes. Kurz der Päkesz,
der denn doch seinen Namen seit einigen Jahrhunderten
haben könnte, verlöre vielleicht seine elbische Natur nicht,
nur bliebe er nicht Hausgeist, sondern müfste als Elb ge-
wordener Vogel, als Waldgeist Specht aufgefafst werden."
Picus war der Sohn des Saturnus, ein Waldgott der alten
Latiner. Der Name des Helden Beowulf bedeutet : Bienen-
wolf, d. i. Specht (Grimm, Myth. S. 698). Der Specht
holt die Springwurzel, die den Weg zu verborgenen Schätzen
öffnet. Zu diesen Auseinandersetzungen habe ich nur noch
zu bemerken, dafs Päkesz bei den Sachsen in meiner
burzenländischen Heimat auch der Buchsbaum heifst. —
Auch von einem eigentlichen Waldmännchen, Holz-
mandel oder Hülzmantchen erzählt die Sage (Müller,
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2. Aufl., S. 19). Wo jetzt das Dorf Holzmengen, sächsisch
Hülzmängden, steht, wohnte ein winzigkleines Männchen,
welches auf jeden Wochenmarkt eine Fuhre Holz nach
Hermannstadt brachte. Niemand kannte seinen eigentlichen
Namen. Man nannte ihn das Holzmandel. Bald siedelten
sich in seiner waldreichen Gegend Leute an, die man alle
Holzmandel nannte, weil sie Holzhandel trieben. Das Holz-
mandel aber verschwand und ward nicht mehr gesehen.
Sein Name ward auf das Dorf übertragen . . . Der Schlufs
von einer Variante dieser Sage, die mir Herr Ad. Adleff
mitteilte, ist für die vergleichende Sagenkunde von Be-
deutung. Es heifst nämlich, dafs das Holzmandel nicht gleich
nach der Ansiedelung der Leute in seinem Waldrevier ver-
schwand, sondern im Gegenteil den Leuten hilfreich bei-
stand, ihnen guten Rat erteilte, ja selbst das Baumfällen
für sie ganz allein verrichtete. Aber die Leute bewiesen
sich ihm gegenüber undankbar, spotteten ihn wegen seiner
winzigen Gestalt und Häfslichkeit. Einmal waren die Leute
mit dem Holzmandel draufsen im Walde und bliesen sich
in die Hände, um sie zu erwärmen, denn es war ein bitter-
kalter Wintermorgen. Da fragte das Holzmandel : „Warum
bläst ihr?" Die Leute versetzten: „Um uns die Hände zu
erwärmen!" Zu Mittag kochten sie eine Suppe, und wäh-
rend sie afsen, bliesen sie in den Löffel. Da fragte das
Holzmandel: „Warum bläst ihr in den Löffel?" Die Leute
antworteten: „Damit wir die heifse Suppe abkühlen!" Da
ärgerte sich das Holzmandel und rief: „Mit solchen Be-
trügern will ich nichts mehr zu schaffen haben. Ihr bläst
einmal, damit es warm werde; dann bläst ihr, damit es
kalt werde; ihr wollt mich nur betrügen!" Und das Holz-
mandel verschwand und ward nicht mehr gesehen. Ihm zu
Ehren nannten die Leute ihr Dorf Hülzmängen, aber
es kehrte nicht mehr zu ihnen zurück. . . .
Dies Märchen scheint ein Allerweltsmärchen zu sein,
wie dies Giannini in einer Broschüre „L'Uomo Selvaggio"
(Lucca, Giusti 1890) nachgewiesen. Dies Holzmandel ist
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identisch mit dem „wilden Alten" (vad öreg) der Kalotaszeger
Magyaren 1 ), der uns aufser bei Äsop noch bei Avianus
(Satyrus et Viator), bei Erasmus, bei La Fontaine, ferner
in alten toskanischen Versen, im Dittamondo von Fazio
degli Uberti, im Verliebten Roland, in den Dreizehn
Nächten Straparola u. s. w. begegnet. Mario Menghini
schreibt in einem Aufsatz (in d. Ztschr. d. Ver. f. Vlksk.
I, S. 403) : „Dieses gutmütige, vielleicht zu gutmütige Wesen,
das über die alltäglichsten Naturphänomene in Bestürzung
gerät, und das ein anderes, ihm ähnliches Wesen, das es
aufnimmt oder vielmehr sich seiner bedient, für etwas Über-
natürliches ansieht, kann wohl eine uralte, vielleicht prä-
historische Rasse darstellen, die von einer anderen, intelli-
genteren überwunden worden ist ... Die verschiedenen
Motive der Legende und der Tochterlegenden, die sich im
Laufe der Zeit über ganz Europa ausbreiteten, lassen sich
in einem gemeinsamen Punkte vereinen, als dessen Grund-
lage man die Absicht, den Dualismus zwischen Vernunft
und Unvernunft darzustellen, ansehen kann." —
Wir gehen nun zu den Wassergeistern über. Ihre
Gestalt ist nach sächsischem Volksglauben, halb menschlich,
halb tierisch, oft von übermenschlicher Gröfse, von hoher
Schönheit, oft aber auch von grausenhafter Häfslichkeit mit
finsterem Angesicht, langen grünen Zähnen und Haaren.
Selten stehen sie dem Menschen hilfreich bei, sondern sie
sind im Gegenteil tückisch und grausam und fordern ihre
Opfer. Zahlreiche Gewässer im Siebenbtirger Sachsenlande
fordern einen Menschen zu ihrem Jahresopfer. Dies kann
wohl — wie Grimm vermutet — darauf hindeuten, dafs
den Wassergeistern einst wirklich zu bestimmten Zeiten
Menschen geopfert wurden. „Vielleicht ist auch auf Opfer
zurückzuführen der Brauch, von dem nach Einbruch der
Nacht vom Bach geholten Wasser nicht zu trinken, ehe
einige Tropfen in das Feuer gespritzt werden" (Schuster
') S. mein Werk: „Aus dem Volksleben der Magyaren", S. 17 ff.
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S. 123). „De ischt hangt wirft em än de Bach"
(die ersten Hunde wirft man in den Bach) sagt das Sprich-
wort. Man glaubt, dafs eben die ersten Jungen einer Hündin
rasend werden. Als Ersatz für die Menschenopfer wurden
vielleicht Hundejungen den Wassergeistern dargebracht.
Auf alten Opferbrauch weist auch der Brauch zurück, dafs
man Ertrunkene so aufsucht, indem man einen Laib Brot
aushöhlt, eine brennende Kerze hineinsetzt und es den Flufs
hinabschwimmen läfst in dem Glauben, dafs, wo der Tote
liegt, das Brot still halte. Als sich vor Zeiten ein Pfarrer er-
tränkt hatte und man den Leichnam nicht aufzufinden ver-
mochte, soll der achtzigjährige Dechant des Kapitels selbst
angeordnet haben, dafs eine brennende Wachskerze auf eine
Brotkrume gesetzt und in den Kokel flufs gebracht werde,
um so den Ertränkten zu erforschen (Schuster S. 123).
Was den erwähnten Glauben über die Entstehung der
Hundswut betrifft, so berichtet eine Sage aus Kelling, dafs
man zu Zeiten, wann viele Hunde wütend wurden, ein
kleines weifses, zottiges Hündchen dem Bach entsteigen
sah, das alle anderen Hunde bifs. Schlug man nach ihm,
so war es auf der Stelle verschwunden und wurde oft
schon in demselben Augenblick im nächsten Dorfe gesehen
(Schuster S. 124). Das Hündchen ist hier also gleich-
sam der ausgeschickte Rächer der Wassergeister.
Der allgemeine Name für Wassergeister Nix, Nickel
ist zwar in der Form Nikel erhalten, aber das Wort hat
seine alte Bedeutung verloren, indem man damit heutzutage
ein buhlerisches Weib bezeichnet, was ja eigentlich dem
ursprünglichen Sinn nicht widerstreitet, da ja in vielen Sagen
die Nixen mit Menschen buhlen. Der Ausdruck Wasser-
jungfer für Wassergeister im allgemeinen findet sich im
Siebenbürgisch - Sächsischen vor. Wasserjungfer (Waszer-
jangfer) heifst auch die Libelle. Meerjungfrauen, die wohl
aus fremdem Volksglauben entlehnt worden sind, denkt
sich das Volk halb menschlich, halb fischgestaltig. Im
Mühlbach wohnt die Bachfrä (Bachfrau), im Kokelflufs
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die Kakelfrä und man sagt, sie verlangen alle Jahre ihr
Menschenofer. Darum lassen die Eltern ihre Rinder nicht
gern zu Anfang der Badezeit in den Flufs ; sie möchten ab-
warten, bis die Wasserfrau ihr Opfer empfangen. Christ-
lichen Anflug zeigt es, wenn die Kinder am Sonntag vom
Wasser ferngehalten werden, damit sie der Flufsgeist nicht
hinabziehe und ertränke. Dagegen erscheint es als uralte
Vorstellung, dafs das Wasser nichts Unreines duldet. Die
böse Köchin im Märchen Nr. 1 bei Haltrich, welche die
Goldkinder vernichten wollte, wird vom Flufs, in dem sie
sich zu ersäufen versucht, ausgeworfen. Hexen werden
daran erkannt, dafs sie nicht untertauchen können. Viel-
leicht ist auch das sächsische Sprichwort : Bäsz detWaszer
fliszt iwer za stin, äs et wider rin (Bis das Wasser
fliefst über zwei Steine, ist es wieder rein) nicht ohne Zu-
sammenhang mit dieser Vorstellung. Ertrinkt jemand im
Wasser, so regnet es so lange, bis man seinen Leichnam
findet; ertränkt sich aber jemand absichtlich, so „wirft" ihn
das Wasser nach neun Tagen auf die Wasseroberfläche
herauf. Steine soll man nicht in einen Brunnen werfen,
denn es entsteht ein Gewitter. Im Brunnen wohnt die
Branefrä (Brunnenfrau), welche die Kinder zu sich hinab-
zieht. Kinder biegen sich über die Brunneneinfassung und
rufen hinab: „Branefrä, Branefrä! z&h mech än de
Bräncn" (Brunnenfrau, Brunnenfrau, zieh' mich in den
Brunnen); dann ziehen sie sich rasch zurück, denn sie
fürchten, es könne ihr Wunsch in Erfüllung gehen (Müller,
2. Aufl., S. 35). Im Brunnen wohnt auch der H 6 k e m ä n
(Hakenmann), der mit seiner hakenförmigen Stange die
Kinder zu sich herabzieht. Gleiches gilt auch hinsichtlich
des M u m e 8 c h , mit dem man in ganz ähnlicher Weise die
Kinder schreckt. Der Babau entfuhrt die Kinder in den
Wald, derMumesch zieht sie ins Wasser hinab. Mehr
als ein See oder Sumpf heilst in Deutschland Mummelsee,
und Wassernixen werden oft Mummeln und Muhmen ge-
nannt.
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Eine einzige Zusammensetzung mit n i k e 1 findet sich im
Siebenbürgisch-Sächsischen vor, worüber Schuster (S. 118)
also schreibt: „Der Wortbildung nach im Zusammenhang mit
nikel steht der Grasznäku, anderwärts auch Grasz-
nanku gesprochen und immer männlich gebraucht. Das
Wort ist offenbar eine Zusammensetzung aus g r a s z (grafs,
finster) und näku, worin der Begriff des Wassergeistes
stecken mufs. Grasznäku wäre also ein verstärkter
Ausdruck wie irmindest, Bösewicht, Bisakesz und
ähnliche. Allerdings hat auch dieses Wort seine ursprüng-
liche Bedeutung verloren, die aber unschwer aufzu-
spüren ist. In seiner heutigen Verwendung bezeichnet
es einen finsteren und tückischen Menschen. „Tä Grasz-
näku!" ist noch vorwurfsvoller als: „Tä Isegrim".
„Net 8& esie Grasznäku" (Nicht sei so ein G.) kann
kaum je im Scherz gesagt werden. Von dem Substantiv
ist auch ein Adjektiv grasznäckich gebildet, das noch
entschiedener den Begriff des Tückischbösen enthält. Hät
dich für diem grasznäckige Mäinjtschen! (Hut'
dich vor diesem heimtückischen, finsteren Menschen) ist eine
Warnung von schwerem Ernst. Noch verständlicher wird
das Wort in Verbindung mit g r ä n z ä i n j d i c h (grünzähnig).
Grüne Zähne haben die Wasserdämonen, und nur deshalb
hat gr&nzäinjdich in unserer Mundart nur den einen
Sinn des Tückischen, Rachsüchtigen, Hämischen, Unver-
träglichen, Schadenfrohen. E gränzäinjdich Grasz-
näku würde daher auch, abgesehen von der Bedeutung des
Hauptwortes, kaum zu verkennen sein." Es kommt aber
auch in der Form Grasznikel vor. Tä gränzäinjdich
Grasznickel! war das Lieblingsschimpfwort meines seligen
Grofsvaters, mit dem er mich zu beehren pflegte. Von ihren
grünen Zähnen soll nach Felix Liebrechts, meines
unvergefslichen Meisters, Auseinandersetzungen die englische
Wasserfrau ihren Namen haben; grüne Zähne besitzt auch
der deutsche und böhmische Wassermann (s. Litteraturblatt
f. germ. u. roman. Philologie 1884, 181). Haltrich-
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Wolff (S. 359) dagegen meinen: „Vielleicht littst sich unser
Wort auch ohne Mythologie deuten. Graen (oder gr&n
in einigen sächsischen Dialekten) könnte eine volksetymo-
logische Umbildung sein aus grenj, und dieses gehört zu
dem mittelhochdeutschen grinen (die Zähne blecken, den
Mund lachend, knurrend, weinend verziehen). Zu diesem
grinen stellen Hintners Beiträge zur tirolischen Dialekt-
forschung auch das tirolische greinsauer mit der Be-
deutung sehr sauer. Verwandt ist damit die von Woeste
im Niederdeutschen Jahrbuch 3, 115 mitgeteilte südwest-
fillische Schelte grenseb&rd, Ginser, und gr ensesnu te,
Grinsenschnauze ... Grasznäku scheint zusammengesetzt
zu sein aus grasz (leidenschaftlich erregt, wütend) und
nak (nieder- und mitteldeutsch nuk, nück Heimtücke). a
Ich schliefse mich den Auseinandersetzungen Schusters
an und bringe aufser dem erwähnten Grasznikel auch
folgenden Reim aus meiner Kinderzeit bei:
Grasznäku, Grasznäku, Gr., Gr.,
Hu, hu, hu! Hu, hu, hu!
An der Böch platsch, platsch! Im Bache platsche, plätschere,
An den ürsch mech matsch, matsch! In den .... mich küsse!
Mit diesem Reim wurden die Lumpensammler geneckt, die-
in den damals noch unbedeckten Kanälen von Kronstadt
ihrem Geschäfte nachgingen. —
Schon durch seinen Namen zum Wassergeist gestempelt
ist der Muorlef, Mooralb. Muorlef ist nichts anderes
als durch Umstellung der Laute nach sächsischer Weise
verändertes M u o r ä 1 f , M a o r e 1 f , das eben dem deutschen
Mooralb gleich ist (Schuster, S. 121). Redensarten, in
denen das Wort vielfach im Gebrauch ist, erläutern das
Wesen des Muorlef ausreichend. E äsz bisz wei der
Muorlef = er ist bös wie der M. , e äsz dich mät
dem M. — er ist doch mit dem M., gänk zem M., = geh'
zum M. , hil dech der M, = hole dich der M. u. s. w.
Schuller (Das Todaustragen u. d. Muorlef, S. 13) sucht
dagegen ganz und gar unrichtig im Muorlef den Morolf
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oder Markolf der deutschen Litteratur, der in einem sprich-
wörtlichen und einem epischen Gedichte als schlauer, häfs-
licher Bauer dem König Salomo und dessen ernster Weis-
heit gegenübergestellt wird. Schuster hat nun diesen Irr-
tum, lückenhafter Kenntnis des Volksglaubens entsprungen,
zurückgewiesen. „An einzelnen Orten," sagt er, „findet
sich eine andere Form des Wortes, die im zweiten Teile
ganz un verkappt den alf enthält. Die Form Murenälf,
Mur'nälf, möglich geworden durch Einschub des n, ist
auch ihrer Anwendung nach ganz dem M u o r 1 e f identisch,
und wie der zweite Teil der einen Wortform durch den
der anderen Licht erhält, so wirkt diese auch wieder um-
gekehrt durch ihren ersten Teil auf den der anderen er-
klärend zurück; Mur'n wird durch Muor erklärt wie lef
durch älf. Als blofser Erklärungsversuch des Volkes
— wie Schuller vermutet — für das Wort Muorlef
darf Murnälf schon deshalb nicht angesehen werden, weil
das Volk am allerwenigsten weifs und sich darum beküm-
mert, wer eigentlich in dem Muorlef steckt, den es täg-
lich in Scherz und Ernst auszusprechen gewohnt ist Wie
sich Muorlef und Mur'nälf gegenseitig erklären, so
dürften sie beide zusammen geeignet sein, ein drittes Wort
zu beleuchten, nämlich: Mure sä, welches als Name,
häufiger noch als Appellativ gebraucht wird. Te bäszt
beschnupert wei de Muresä = du bist beschmutzt
wie die Moorsau, ist eine tägliche Redensart. Es kommt
aber auch vor, dafs man Kinder, die ausgehen wollen,
schreckt: G&nk nor, g&nk! de Muresä wirt dich
schi frieszen! = Geh' nur, geh'! die Moorsau wird dich
schon fressen! Es ist kein Zweifel, dafs, wie der Muorlef
lehrt, auch diese Muresä von Moor abzuleiten und eben-
falls als Moordämon aufzufassen sei." 0
Auch der fruchtbare Grendel, der in der Nacht aus
seinem Moore steigt, um den schlafenden Helden das Blut
aus den Adern zu saugen, ist seinem Namen und Aufenthalts-
ort nach im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen als
W 1 i s 1 o c k i , Volkstrauch o. Volksglaube d. Siebenb. Sachten. 3
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Rudiment in dem „Grändelsmör", einem grofsen. tiefen
Sumpf mitten im Walde auf der Senndorfer Gemarkung
bei Bistritz erhalten (vgl. H. Wittstock, Sagen u. Lieder
a. d. Nösner Gelände, Nr. 38).
Schuster (S. 122) erwähnt noch einen Moorgeist in
Ochsengestalt, den Rürüsz (Rohrochsen), der in einigen
Redensarten auftritt wie : Net berl wei e Rürüsz (brülle
nicht wie ein Rohrochse); te diszt hieszich wei e Rür-
üsz (du tust häfslich wie ein Rohrochse) und ähnlichen,
aus welchen hervorgeht, dafs des Rohrochsen Stimme häfs-
lich, grausenhaft gedacht wird, d. i. ganz den auch sonst-
her bekannten Vorstellungen von Wassergeistern gemäfs.
In Mettersdorf, erzählt die Sage, nicht weit vom Ende der
Kirchgasse, ist eine grofse Wiese, auf der sich der sogenannte
Fatabrunnen befindet. Dort gingen einmal zwei Gensdarmen
vorbei und sahen zehn Schritte weit von sich ein Ding auf-
steigen, halb Mensch, halb Ochse. Kopf, Hände, Brust und
Bauch waren Mensch, die Beine waren die eines Ochsen,
und es hatte einen langen, dicken Schwanz und war grau.
Der eine Gensdarm sagte: „He Bruder, nimm dein Gewehr
und schiefs das Tier nieder!" Der aber antwortete: „Ich
schiefse nicht darauf, sondern ich will ihm Brot und Gras
zu fressen geben." Da sprach das Tier zum Gensdarmen :
„Hättest du geschossen, so wärest du in meine Stelle hier
gekommen, und es hätte dich niemand, so lange die Welt
steht, von hier fortfuhren können." Das Tier gab ihm nun
Salz, Brot und Wasser und sprach: „So lange du lebst, wirst
du nicht in Not geraten, wenn du diese drei Dinge besorgst!"
Mit diesen Worten verschwand das Tier (Müller, S. Sag.,
2. Aufl., S. 39). — Bei Kronstadt ist eine Quelle, „Gespreng"
genannt, die trotz ihres grofsen Wasserreichtums fast jeden
dritte/i, vierten Sommer versiegt. Kommt dann im nächsten
Sommer das Wasser wieder zum Vorschein, so hört man
schon Wochen vorher den Rürüsz brüllen, den Leute oft
auf den felsigen Beckenrändern der Quelle in halb mensch-
licher, halb tierischer Gestalt lustwandeln gesehen zu haben
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behaupteten. Grimm (Myth. 458) berichtet auch von
einem wilden Stier, der aus einem Sumpfloch in Nieder-
sachsen zu gewissen Zeiten ans Land steigt, und in den
„Irischen Elfenraärchen" der Gebrüder Grimm (S. CXVI)
wird aus Simplicissimus mitgeteilt, dafs aus dem Mummel-
see, als Hirten ihr Vieh in dessen Nähe geweidet, ein Stier
gestiegen sei und sich unter die weidende Herde gemischt
habe; ein Wassernix sei ihm sogleich nachgefolgt, um ihn
zurückzutreiben, dem er aber nicht gehorchen wollte, bis
ihm derselbe gewünscht, es solle ihm sonst aller Menschen
Weh und Leid ankommen. Vom entsetzlichen Gebrüll
solcher Stiere wird ebenda und sonst in vielen Sagen be-
richtet (s. besonders Adalb. Kuhn, Sag., Gebr. u. Märchen
aus Westfalen, Nr. 35—40, 267).
Weder im Volksglauben, noch in den Sagen der Sieben-
bürger Sachsen finden wir Berichte über Aussehen, Woh-
nung, Charakter, Lebensweise usw. der Wassergeister. Eine
einzige, noch dazu uralte Bestandteile enthaltende Sage be-
richtet uns von der Wasserfrau und ihren Heldensöhnen
(Müller, S. Sag., 2. Aufl., S. 33). Es wird erzählt: „Auf
der Strafse von Mehburg nach Repa war früher ein schöner
Wald, in diesem Wald ein See, und in dem See wohnte
eine Wasserfrau. Tausend Jahre war sie mit keinem Manne
zusammengekommen ; da geschah es einmal, und siehe ! nach
einem Jahre gebar sie zwei Söhne. Den älteren hiefs sie
Isian, den jüngeren Isgau. Als beide grofs waren, sagte
die Mutter zu ihnen: „Zweierlei ist euch bestimmt: einer
wird als berühmter Kriegsheld ein grofses Land unterwerfen,
darüber König werden, aber von seinen Untertanen ge-
hafst und am Ende abgesetzt werden ; der andere wird nicht
so glänzende Taten verrichten, aber dennoch am Ende
König werden und glücklich sein. Wählet 1" Der ältere
wählte das erstere, dem jüngeren blieb das zweite. — Da
hatte Isian sogleich ein mächtiges Heer ; damit zog er hinaus
aus Siebenbürgen, eroberte ein grofses Land und Hefa sich
eine Hauptstadt bauen und regierte, da er nicht sterblich
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war, viele hundert Jahre. Zuletzt führte er aber ein laster-
haftes Leben, peinigte das Volk. Da empörte es sich, setzte
ihn ab und jagte ihn aus dem Lande. Nun grämte er sich
sehr und wünschte sich den Tod; allein er konnte nicht
sterben. Da zog er wie ein Wahnsinniger von einem Ort
zum anderen und wurde überall fortgejagt; endlich kam er
auch zu seiner Mutter. Die erbarmte sich seiner, berührte
ihn schweigend mit einer Rute; da sank er hin und war
tot. — Isgau, der jüngere Sohn, hatte sich immer in der
Nähe des Sees bei seiner Mutter aufgehalten, und wenn
jemand in der Gegend Unglück hatte, dem stand er bei
und half ; so verschafFtte er den Leuten ihr gestohlenes Vieh
zurück, so schützte er die Wandernden vor Räubern, so
besserte er die Wagen aus, die im Walde zerbrachen. Nach
langer Zeit, als der König starb, wählte das Volk ihn zum
König, denn einen würdigeren konnte es nirgends finden.
Isgau zog nun in die Königsburg und regierte weise und
gerecht, und das Volk liebte ihn. — Als die Sachsen nach
Siebenbürgen kamen, hielt es Isgau gut mit ihnen; allein
es brachte ihm doch den Tod. Es geschah nämlich, dafs
viele von ihnen sich an dem See niederliefsen und den
ganzen Wald ringsum niederschlugen. Nun trocknete der
See durch die Sonne allmählich aus, und so verlosch auch
das Leben Isgaus und seiner Mutter, der Wasserfrau, so
langsam und schön, wie eine Lampe, wenn ihr das Öl aus-
geht . .
Offenbar liegt uns hier irgend eine Stammsage vor, die
sich mit dem Nixenmythus und später mit der Ein-
wanderungssage verquickt hat. Schuster (S. 120) er-
innert bei den Namen Isian und Isgau an Ingo und Isko.
Der beständige Aufenthalt im See, das Verlöschen ihres
Lebens mit dem Austrocknen des Wasserbeckens stellen die
Mutter in die Reihe der Wasserfniuen. . . .
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Der Ausdruck Riese (Risz plur. Risen) wird zwar
Oberall im Siebenbürger Sachsenlande verstanden, volks-
tümlich aber ist er nicht und wird fast nur in den Städten
gebraucht. Der sächsische Gesamtname für Riese ist H ü n ,
Hu in, Höinj, d. i. Hüne. „Wie noch manche unserer
Überlieferungen," sagt Schuster (S. 88), „weist auch er •
nach Westfalen, wo diese Bezeichnung am meisten heimisch
ist." Der Riesenmythus ist in den siebenbtirgisch-sächsischen
Märchen und Sagen so auffallend reich vertreten, dafs man
wohl sagen kann: er habe sich im Laufe der Zeit am
stärksten im Volksglauben zu erhalten gewufst. Dafür
zeugen schon die zahlreichen Benennungen von Örtlich-
keiten, wie Hünenweg bei Schweischer, Hünenkirche, Hünen-
treppe, Hünenmauer, Hünenberg und Hünenburg bei Bistritz,
eine andere Hünenburg bei Kaisd, Hünengraben bei Zend-
risch, Hünenberg und Hünengasse bei Schäfsburg, Hünen-
keller ebendaselbst, Hünenberg und Hünenburg bei Heitau.
Neben Höinj wird kein anderer Gesamtnamen für Riesen
mit Bewufstsein in dieser Bedeutung vom Volk gebraucht,
doch lassen sich mit mehr oder minder Wahrscheinlichkeit
noch einige als einst bekannt folgern. Müller z. B. will
auch imHänzepänz oder Änzepänz einen änz = Riese,
angelsächsisch ent, finden, obgleich dahinter mehr ein
elbisches Wesen steckt (s. oben S. 18). Das bald auf
Riesen, bald auf Zwerge bezogene Trol findet sich im
Siebenbürgisch-Sächsischen in der Form Drul, weiblich
Drula vor. Fast nur noch die weibliche Form ist aber in
Gebrauch und wird auf eine plumpe, schwerfallige Weibsperson
in vorwerfenden Redensarten verwendet, z. B. Te bäszt
en äglämpich Drula =du bist eine unbeholfene Trulle.
„Mit Bewufstsein," sagt Schuster (S. 89;, „will durch einen
sehr gebräuchlichen Ausdruck Uolrangen hauptsächlich
die Gefräfsigkeit der Riesen hervorgehoben werden. Von
Mastschweinen, die gut fressen, sagt man: se friesze we
de uolrangen (sie fressen wie die Uolrangen); zu Kindern,
die zu oftEssen verlangen, sagt man: wälderschi' wider
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ieszeniruolrangen (wollt ihr schon wieder essen, ihr U.) r
oder: er ieszt int uorm, ir uolrangen (ihr efst eins
[= einen] arm, ihr IL). Das Wort erinnert allerdings zu-
nächst an Alirunen, Aliorunen, Alraunen, doch gewinnt man
durch Zusammenstellung mit diesen keine Erklärung. Weder
die alte, weissagende Priesterin, noch weise, zauberkundige
Frauen können gefräfsig gedacht werden; auch der Haus-
kobold schwerlich in so hohem Mafse und am wenigsten
die Zauberpflanze. Man müfste sich nur an des Jornandes
„teuflische aliorumnen (oder wie sonst der verdorbene
Ausdruck lauten mag) halten." Indessen ist, glaube ich,
sagt Schuster, die Erklärung aus runge = Riese be-
quemer und entsprechender. Wenn in dem ersten Teil
unseres offenbar zusammengesetzten Wortes dasselbe alhs
steckt, das Diefenbach und Leo in aliruna voraus-
setzen, dieses aber nach Grimms Vermutung die Grund-
bedeutung saxum hätte, so gäbe das Ganze einen guten
Sinn, und wir bekämen in den uolrangen Steinriesen oder
Bergriesen (vgl. Grimm, Myth., S. 58 u. 494). Indessen
hält Bopp jenes alhs zu der Sanskrit- Wurzel arc = colere r
und das würde wohl noch zur Erklärung von Alraunen,
nicht aber unserer Uolrangen passen. In solchem Falle
wäre es vorzuziehen, unser uol blofs als verstärkendes Präflx
mit der Bedeutung super modum zu fassen, das auch
noch einen guten Sinn gäbe. Range, der zweite Teil
unseres Wortes, entspricht gotisch: hrunga ursprünglich
= virga, aber sehr bald auf schlanke, hochgewachsene
Menschen und somit auf Riesen verwendet. Der Name der
nordischen Riesen Hrungnir bietet sich zur Vergleich ung. tt
Löpel mit der Bedeutung Tölpel führt Müller an.
Dieselbe Bedeutung hat anch Bilesch oder Bölesch. In
der Gegend von Schäfsburg liegt auch ein Böleschdorf.
Eigennamen der Riesen, wie Bergstürzer, Steinzerreiber und
Baumdreher kommen in Märchen und Sagen vor. In einer
Sage (Müller, 1. Aufl., Nr. 6), die vom allbekannten „Riesen-
spielzeug M erzählt, heifst der Riese Toreschöinj. Müller
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sieht wohl mit Recht in dem ersten Teil des offenbar zu-
sammengesetzten Wortes das Appellativ thurs = Riese,
das im Siebenbürgisch - Sächsischen tors oder tores ge-
lautet haben könnte. Gewifs steckt im zweiten Teil des
Wortes Höinj = Hüne, und der Name scheint also den
Begriff „Riese" zweimal zu enthalten, und sollte richtiger
Toreszhöinj oder Toreschhöinj geschrieben werden,
was nach siebenbürgisch- sächsischer Sprachweise eins ist
(Schuster, S. 90).
Sagen erzählen, dafs einst die Riesen die ganze Welt
besessen haben; später wohnten sie zerstreut auf Bergen,
auf Felsenburgen, ja selbst in Städten und Dörfern mitten
unter den Menschen, von denen sie immer mehr verdrängt
werden. Eine Sage erzählt (Müller, 2. Aufl., S. 6), dafs,
wenn sie einen Menschen herankommen sahen, sie stets
riefen: „Saet doirt kunn de jümezen en walPn es
äus äser himet verdreiwen" (seht, dort kommen die
Ameisen und wollen uns aus unserer Heimat vertreiben,"
oder in einer anderen Sage: „Diese werden uns aus dem
Lande hinausfressen."
Von einem eigenen Riesenland spricht namentlich nur
die Sage Nr. 3 bei Müller (1. Aufl.), die mit dem reicher
ausgeführten Märchen von den drei Schwestern bei dem
Menschenfresser (bei Hai tr ich S. 162) gleiche Grundlage
hat. Schuster (S. 91) hat diese Überlieferung gar treff-
lich erläutert, so dafs wir gezwungen sind, dieselbe hier mit-
zuteilen. „Die Sage aus Reen (sächs. Regen) stammend,
erzählt: Vor Zeiten gab es übernatürlich grofse Leute, sie
hatten Nasen wie ein vier Mafs haltender Milchtopf, Augen
wie dicke Kürbisse, Schürzenbänder wie Taue und frafsen
Menschen. Einst hatten sie drei Schwestern gefangen und
wollten sich diese, nachdem sie mit Nufskernen gemästet
worden, von der alten Riesengrofsmutter zubereiten lassen,
während sie selbst bis zur Mittagszeit ihren Geschäften
nachgingen. Die alte Riesin heizte den Backofen und hiefs
die Mädchen auf den Ofenschofs sitzen, um sie hineinzu-
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schieben. Die Mädchen verlangten, dafs ihnen zuvor ge-
zeigt werde, wie das zu geschehen habe. Die Alte setzte
sich auf den Schofs und wurde nun selbst in den Ofen ge-
schoben. Die heimkehrenden Riesen verfolgten die ent-
flohenen Mädchen und schleuderten ihnen Blitz und
Donnerwetter nach. Aber die Fliehenden hatten be-
reits das Gebiet der Menschen erreicht, und Blitz und
Donnerkeil Helen kraftlos an der Grenze des Hünenlandes
nieder. — Diese Sage hat schöne und starke Züge. Sie
bewahrt uns eine Riesenzeit, ein Riesenland und zeigt
uns Blitz und Donner in der Gewalt der Riesen.
Mit den Edden hat sie diese Züge und dafs an der Grenze
des Hünenlandes der Riesen Gewalt aufhört, gemein. So
fallen auch Rübezahls Blitze, als er die entflohene Geliebte
verfolgt, an der Grenze seines Gebietes nieder. Oder hätte
Musäus diesen Zug der Riesensage entlehnt? Wir haben
es also hier mit Gewitterriesen zu tun. Demnach
müfste man in den Mädchen sommerliche, milde Wesen
sehen. Aber die Sage bietet keine Anhaltspunkte zu weiterer
Deutung. Hier kommt nun das erwähnte Märchen zu Hilfe.
Es stimmt im ganzen vollkommen mit der Sage überein, nur
hat es anderen Eingang und viel vollständigeren Schlufs.
Die drei Mädchen lasen Erdbeeren im Walde, als sie von
einem ungeheueren Hünen dabei überrascht und zu dessen
Wohnung fortgeschleppt wurden. Hier fragte er sie nach
der Reihe : „Willst du lieber mein Weib werden oder lieber
sterben?" Die beiden ältesten wollten lieber sterben, die
jüngste dagegen ist schlau, verheifst nach Jahresfrist, wenn
sie gröfser gewachsen, sein Weib werden zu wollen. Die
älteren Schwestern werden nun in einen Stall gesperrt und
mit Stritzel und Nufskernen gefuttert; die jüngste bleibt
frei und leitet alle Listen, bis zur Bewerkstelligung der
Flucht. In diesem Teile weicht das Märchen nicht ab von
der Sage. Dann fahrt das Märchen fort: Der heimgekehrte
Riese verfolgte die Entflohenen mit Siebenmeile n-
stiefeln. Aber die Mädchen hatte ein alter Mann
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gesehen; er zeigte ihnen den rechten Weg, beschenkte sie
mit einer Nadel, einer Glasscherbe und einem Wasser-
fläschchen, und gab ihnen Anweisung zum Gebrauch der-
selben. Als sie nun der Riese zu erreichen drohte, steckten
sie die Nadel hinter sich in die Erde; da wurde der Boden
weit und breit voller Nadeln. Der Riese wollte wissen,
wie sie da hinübergekommen. Sie riefen ihm zu, sie hätten
sich die Schuhe ausgezogen. Er tat dies und zerstach sich
die Füfse; die Mädchen gewannen Vorsprung. Bald aber
nahte der Riese wieder. Nun warfen sie das Glasstückchen
hinter sich, dafs weit und breit die Erde voller Glas-
scherben wurde und sagten dem Riesen, sie seien auf „allen
Vieren" da hinübergekommen. Er zerschnitt sich dabei die
Hände, und sie gewannen abermals Vorsprung. Zum dritten
gössen sie ihr Fläschchen aus; ein Meer entstand, das der
dumme Riese mit einem Mühlstein am Halse durch-
schwimmen wollte, wobei er fast ertrunken wäre. Im Grimm
eilte er zurück nach Hause, nahm drei mächtige
Donnerkeile, stieg auf einen hohen Berg, von
wo er bis zur Morgen- und Abendsonne sehen konnte, sah
auch die Fliehenden und schleuderte ihnen die Donnerkeile
nach, die aber an der Grenze des Hünenlandes
niederfielen. Vor Grimm zerbarst er. . . .
Indem hier auch der „alte Mann" in die Aktion tritt,
wird die Scene klarer; der milde und mächtige Ase tritt
dem ungeschlachten Riesen, die segnende Naturmacht der
verderblichen gegenüber. Zunächst mit den Siebenmeilen-
stiefeln, d. i. im Sturm, verfolgt der Riese die Mädchen,
dann nimmt er das Gewitter zu Hilfe, er erhebt sich,
übersieht oder überzieht den Himmel, schleudert Blitze und
zerberstet im Grimm, d. h. das Gewitter vernichtet sich
selbst durch Entladung. Dafs die Schützlinge des Alten
immer sommerliche Mächte sind, haben frühere Unter-
suchungen vielfältig gezeigt. Eine andere Relation dieses
Märchens hat noch bedeutsameren Eingang. Es erzählt:
Einst sei Riesenzeit gewesen. Da hätten die Leute oft
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vor den eindringenden Riesen aus dem Lande fliehen müssen
und in der Not ihre Kinder, die sie nicht mitzuschleppen
vermochten, nur in Erdgruben, die sie oben mit Reisig zu-
deckten, verbergen können. So war es wieder einmal ge-
schehen, da fanden die Riesen ein solch verstecktes Zwillings-
kinderpaar, nahmen es mit usw. — Deutlich tritt hier die
Flucht der Sonnenmächtc vor den Wintermachten, die »Ost-
fahrt der Götter c hervor." Also erklärt Schuster dies
Riesenmärchen. Das von ihm gleichfalls mythisch gedeutete
Märchen (S. 99) „Der Königssohn und die Teufelstochter"
(Hahr ich, Nr. 27, S. 118) spielt mehr in den Teufels-
glauben hinein und hat mit dem Uiesenmythus gar wenig
zu schaffen. —
Was die Gröfse und Kraft der Riesen anbelangt, so
werden sie im Volksglauben stets Ubermenschlich, ungeheuer
dargestellt. Das Hünenhemd in der Kaisder Burg mifst in
der Brustweite l 1 /* Ellen und mit den Ärmeln, die seinem
Besitzer bis zu den Ellenbogen reichten, drei Ellen (Müller,
2. Aufl., S. 11). Beim Bau der Kirche zu Hermannstadt
werfen sie sich zehn Zentner schwere Steine zu. Der Riese
in Schweischer durchschreitet mit zwei Schritten einen Weg,
wozu ein guter Fufsgänger mehr als eine Stunde braucht
(Müller S. 9). Die Hünenfrauen nahmen oft die mit der
Bestellung des Feldes beschäftigten Menschen zu ftinfzigen
in ihre Schürzen und trugen sie zu ihren Wohnungen als
Spielzeug für ihre Kinder; ja Wagen und Pflug, Mensch
und Vieh sollen sie auf diese Weise zuweilen mitgenommen
haben (Müller S. 8). Andere schreiten von Berg zu Berg.
Ihre Fufstritte lassen tiefe Spuren zurück und geben da-
durch den Felsen den Namen. Solche Wege und Spuren
heifsen Heintrapp, Höinjtrapp. Über weite Täler werfen
sie sich die Axt zu (Müller S. 9) und Hünentöchter tragen
Erde in ihrer Schürze, wenn diese zerreifst, so entsteht aus
der Erde gleich ein Berg (Müller S. 12). Reinigen sie
sich von ihren Stiefeln den anklebenden Morast, so entsteht
daraus ein Berg (Müller S. 9).
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Was die Beschäftigung der Riesen anbelangt, so treten
sie gewöhnlich als Erbauer von hohen Steinburgen und
Wegen auf. Selten befassen sie sich mit Ackerbau und
Viehzucht (s. Müller, 2. Aufl., S. 6—15). „Trotz ihrer
Gewalttätigkeit,« schreibt Schuster (S. 95), „sind die
Riesen wie in Märchen den eigentlichen Göttern, so in Sagen
gröfstenteils den Menschen gegenüber die unterliegenden.
Nur in wenigen Überlieferungen — auch wieder Märchen —
treten sie als Menschenfresser auf, und auch hier werden
sie jedesmal durch menschliche List oder göttlichen Beistand
überwunden. In dem gröfseren Teil der Sagen weichen sie
vor dem vordringenden Menschengeschlecht, ahnen ihren
Untergang, sind bereits im Aussterben oder suchen sich
friedlich mit den Eindringlingen zu vertragen und vererben
ihre Güter an sie. In Hennannstadt, wo sie mit den
Menschen zusammenwohnen, wird der letzte Riese er-
schlagen und sein Bildnis in dem Hause, das er bewohnt,
aufbewahrt. In solchen Ausläufern knüpft die Sage in ihrer
Weise an Historisches an. Mit Recht vermutet Müller
(1. Aufl.), dafs sich darin zum Teil Kämpfe der Ansiedler
mit sporadisch im Lande vorgefundenen älteren Bewohnern
abspiegeln. An die Stelle der grofsen Kämpfe der Elemente
sind die kleineren menschlichen, an die Stelle der Götter und
Riesen feindlich gegenüberstehende Menschen getreten. Aber
auch sonst blickt Historisches durch. Die Grabsteine
sächsischer Patrizier in der evangelischen Kirche zu Her-
mannstadt werden in Riesendenksteine, die deutschen Ritter
als Erbauer der Kreuzburg im Burzenlande in Riesen ver-
wandelt. Überall denkt sich das Volk das Geschlecht der
Riesen längst ausgestorben und spricht von der Riesen-
z e i t oder Hünenzeit als von einem eigenen, in
weiter Vergangenheit liegenden Zeitalter. Aus-
gegrabene Mammutsknochen gelten ihm für Riesenknochen.
In solcher Verschwächung des Mythus zeigt sich am besten
das allmähliche aber sichere Absterben des Heidentums."
Neue, unbekannte Züge enthält dies Kapitel sieben-
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bürgisch-sächsischen Volksglaubens nicht. Riesen und
Zwerge, wo solche im Volksglauben vorkommen, lassen
sich ihrem Ursprung nach zum grofsen Teil auf Wald-
geister zurückfuhren. „Es sind wohl nur besondere Ge-
stalten der Waldgeister," sagt F. S. Krauss (Volksgl. u.
rel. Brauch der Sudslawen S. 129), „eigenartige Ausdrucks-
formen, die erst durch glückliche Verhältnisse Leben und
Gehalt gewinnen, bei manchen Völkern aber fast gar nicht
aufkommen können oder höchstens in einigen Sagen ein
unsicheres Dasein kümmerlich behaupten, ohne tieferen oder
festeren Zusammenhang mit den übrigen volksreligiösen
Vorstellungen. Es scheint fast, als ob selbst dort, wo
Zwerge und Riesen im Volksglauben heimisch sind, die
bewufst schaffende Kunstdichtung an der Ausbildung dieser
Wesen gearbeitet und der Volksdichtung Vorschub geleistet
habe."
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IL
Festgebräuche.
ie im Volksglauben überhaupt, so treffen wir auch
in den Festgebräuchen auf zweierlei Wurzeln:
auf eine christliche und eine aufserchristliche.
Wenn auch , wie wir ja wissen , wenigstens die Hauptfeste
der christlichen Kirche : Ostern, Pfingsten und Weihnachten
sich im engsten Anschlüsse an ihre eigene Geschichte ent-
wickelt haben, so finden wir doch auch in den Bräuchen
dieser und anderer Feste auch vorchristliche Formen, und
es ist auch nicht ausgeschlossen, dafs eben das Vorchrist-
liche dabei das Wesentliche und das Christliche daran nur
die Form sein könnte (s. Lippert, Christen t., Volksgl. u.
Volksbr., S. 580). Eben weil diese Festgebräuche noch im
heidnischen Altertum am tiefsten in das gesamte öffentliche
und häusliche Leben des Volkes eingriffen, wofür später
das Christentum keinen Ersatz bieten konnte, erbten sich
diese Gebräuche unausrottbar fort bis in die Gegenwart.
Man ist gewohnt, anzunehmen, dafs die Feste durch
die jährlichen Veränderungen in der Natur, durch die
Hauptmomente des Sonnenjahrs als Naturerscheinungen an
sich ursprünglich veranlafst worden sind. Auf einer pro-
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saischen Grundlage fufsen unsere Feste mit allen ihren
rudimentären Gebräuchen, wie dies Lippert (S. 581) so
trefflich nachgewiesen hat, ohne dabei in dieser Richtung
Gehör zu finden. „Denn einmal ist eine solche sinnige Be-
trachtung," sagt er, „nicht Sache des Naturmenschen, und
anderseits bliebe ja dann immer noch die sehr schwierige
Frage zu lösen, wie der Mensch auf diesem Wege zu den
eigentümlichen Formen einer solchen Festfeier gelangt
wäre? Müfsten diese dann notwendigerweise wo anders
hergenommen sein, so wäre die Aufgabe, die letzte Quelle
zu finden, nicht gelöst. Umgekehrt erscheint es viel an-
nehmbarer, dafs diese Festformen schon lange als von be-
stimmten Zeiten bedingte Lebensformen da waren, ehe
man daran dachte, davon den Begriff einer Feier zu ab-
strahieren und nach dem Gegenstande zu suchen, der ge-
feiert werden sollte. Hatte sich aber an bestimmten Lebens-
formen und dem Vergleich derselben mit denjenigen, aus
denen sie als die ungewöhnlicheren heraustraten, der Be-
griff des „Festes" gebildet, so mufsten nachmals, als von
aufsen, aus welchem Anlasse immer, Feste gleichsam ge-
boten werden, als deren Feier jene Lebensformen eintreten,
von denen aus sich der Germane den Festbegriff gebildet
hatte. Darum enthalten, wie wir sehen werden, die heutigen
Feste so viel Mannigfaltiges nach ihrem christlichen Inhalte
und so viel Übereinstimmendes nach dem angeschlossenen
Volksbrauche.
Bei dem sehr konservativen Zuge, der den Volksbrauch
kennzeichnet, dürfen wir, um uns seine Entstehung zu ver-
gegenwärtigen , unbedenklich der Zeit nach höher hinauf-
greifen, als die Geschichte uns zu führen vermag. Wenn
wir den Ubergang vom Nomadentum zur Ackerwirtschaft,
in welchem die Germanen in den ersten Jahrhunderten
ihres Auftretens sich befanden, und das stetige Fortschreiten
von ersterem zu völligem Siege des letzteren vor uns sehen,
so erscheint die Annahme ganz berechtigt, dafs sie in einer
früheren Zeit mit noch mehr Ausschliefslichkeit Nomaden
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waren, und dann erst allmählich der Feldbau, zunächst nur
unter geringschätziger Duldung, sich Eingang verschaffte.
Unter diesen Umständen wird man die ältesten Quellen der
Lebensgewohnheiten schon im Nomadentum zu suchen
haben." Selbst beim allmählichen Durchdringen des Acker-
baues bildeten doch zwei Zeiten des Jahres: Winter und
Sommer mit ihren verschiedenen Anforderungen, einen
wesentlichen Abschnitt im Leben. Viehaustrieb und die
Rückkehr in die Winterquartiere waren die Hauptmomente.
Dabei mufsten selbstverständlich Beratungen der ganzen
Sippe gepflogen werden, ehe man sich verstreute, oder be-
vor man geeignete Winterquartiere bezog und sich für die
rauhe Jahreszeit verproviantierte. „Die Gemeinsamkeit der
Beratung verlangte auch die Gemeinsamkeit des Mahles,
und das Mahl hob wieder die Geselligkeit, — so mögen die
»Märzfeldert begonnen haben," aus denen sich dann
später die Versammlungen der Leute am Mahle der Ge-
meinde, beim Gerichte ausbildeten, und in noch späterer
Zeit der Markt (z. B. die Oster- und Michaelis-Messe).
„Da gab es denn Abschiedsbesuche und Beratungen, und
nichts läfst sich richten ohne Schmaus und ohne Teilnahme
der Götter." Man feierte nicht den Göttern zu-
liebe, sondern mit den Göttern. Auf den Beginn
und Schlufs dieser Festzeiten übte selbstverständlich das
landschaftliche Klima einen grofsen Einflufs aus, wie denn
z. B. auch heutigen Tages der Viehaustrieb nicht in jeder
Gegend zu gleicher Zeit, an demselben Tage vorgenommen
wird. Durch das Vorschreiten des Ackerbaues wurden
auch die Besorgungen des Mannes vielfältiger, und neben
den Hauptversammlungen zu den beiden Hochzeiten, zu
Sommer- und Winteranfang, wurden noch besondere Ver-
sammlungen auf der Gerichtsstätte abgehalten, die mit der
Zeit einen festlichen Charakter annahmen. „Diese natür-
lichen Hochzeiten," sagt nun Lippert (S.885), „insbesondere
aber die zwei wichtigeren, sind fortan bis heute die Grund-
lage der volkstümlichen Jahreseinteilung und des Featcyklus
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geblieben, — nur hat unsere Zeitsparsamkeit sich bestrebt l ) r
aus den grofsen Zeitfristen Tage zu machen, und ist hierin
in verschiedenen Gegenden verschieden vorgegangen, so
dafs die Feste zwar verkürzt, aber mehrfach auch verviel-
facht wurden. Aber ob nun St. Georg oder Ostern, oder
ein mit Ostern bestimmter Termin (Mitfasten etc.), oder ob
Bartholomäus, Michael oder Gallus, — es bezeichnet immer
den Frühlings- und den Herbsttermin für Gerichte, Ver-
sammlungen, Schofs, Zins, Pacht und Zehent." Durch
strenge Fasten suchte eben die Kirche diese Festtermine zu
kürzen und zu zerreifsen, was ihr auch gelang; aber an
den eigentlichen Quatemberzeiten blieben noch jene Spuren
haften, an denen wir „stets auf das sicherste altgermanische
Festfeierlichkeiten wiedererkennen. Es ist dies der Ver-
kehr des Menschen mit den Geistern seiner Vorfahren, —
die Kirche konnte die Mahlzeit vernichten, aber jenen Ver-
kehr bis heute nicht. Ob die Geister als »arme Seelen«
oder als verwünschte Unholde erscheinen, das entscheidet
nicht; ihre Anwesenheit im Volksglauben bekundet heute
noch das alte Fest." An den Quatembertagen soll man Salz
in die Stalle schütten, um das Vieh vor Behexung zu
schützen; auch darf man an diesen Tagen nicht säen
(Haltrich-Wolff a. a. 0. S. 285). —
Die Opfer für den Hausstand werden vorzugsweise um
die Zeit der winterlichen Jahreswende dargebracht, wobei
man unblutige, d. h. Feld- und Fruchtopfer, und blutige-
Tieropfer zu unterscheiden hat. Die eigentlichen Fest-
gebräuche drehen sich eben um Darbringung von Opfern
zur Versöhnung oder Günstigstimmung der Gottheit; die-
bis zur Gegenwart zu Brauch bestehenden Opfer sind eben
der heidnische Grundstock unserer Festgebräuche. „Das
Opfer und die das Opfer einbegleitenden Beschwörungen,"
schreibt F. S. Kr aufs (Volksgl. u. rel. Brauch der Süd-
*) S. mein Werk „Aus dem Volksleben der Magyaren" (München
1892, Dr. M. Huttier), S. 24 ff. u. S. 54.
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slaven, S. 164), „durch die man üble Ereignisse abzuwenden
und glückliche herbeizurufen strebt, dienen durch die Be-
ziehung, in welche sie zu den übersinnlichen Mächten treten;
auch zu Divinationszwecken. Als vorzüglich geeignet dazu
erscheint das Festopfer an hohen Feiertagen, wo die Gott-
heiten in günstigster Stimmung sein müssen ob der vielen
Erkenntlichkeitsbeweise der Menschen. Die Wahrsagung
aus Festopfern fufst auf der Überzeugung, dafs die Über-
irdischen in fürsorglicher Anerkennung der ihnen erwiesenen
Huldigungen und dargebrachten Gaben, mittelbar durch
besondere Zeichen auf den Gaben ihren Willen kund tun
und den Menschen helle Einblicke in die Gestaltung der
zukünftigen Schicksale gewähren wollen Das Volk
betreibt eben eine Auguralwissenschaft, um „die Causalität
der Erscheinungen zu erforschen und alles, was mit den
Sinnen wahrnehmbar ist, nach dem etwaigen Einflufs auf
sein eigenes Wohl und Wehe abzuwägen."
Auch bei den Siebenbürger Sachsen haben wir es nicht
mit einem Weihnachtsfest, sondern mit einer F e s t z e i t
zu tun, die auch bei diesem Volksstamm mehr durch die
kirchliche, als durch die Volkstradition gerade auf zwölf
Tage, beziehungsweise dreizehn Nächte festgestellt wurde.
In den Zwölften, d. i. in den zwölf Tagen von Weihnachten
bis zum Dreikönigstag, darf man keine Hülsenfrüchte essen,
sonst bekommt man am Mund einen unheilbaren Ausschlag
(Hai tr ich- Wolf f S. 282); auch soll man zu dieser Zeit
nicht kauend über die Schwelle gehen, sonst bekommt
das Vieh die Würmer (Fr. W. Schuster, Deutsche Myth.
aus 8ieb.-sächs. Quellen im Vereins-Archiv des Ver. f. sieb.
Landesk. N. Folge Bd. IX. X. S. 144). Auch darf in
diesen Tagen nicht gesponnen werden, denn das jörs-
färken (Jahrferkel), die ad ventkraem (Adventsau) und
gotsbörig (s. Abschnitt I S. 12) gehen um. Eine für
das Volksleben bedeutsame Arbeit darf und soll man aber
in der Christwoche verrichten, das ist das Schweine-
schlachten, wozu Verwandte und Freunde geladen
W 1 i s 1 o c k i , Volktbrauch u. Volksglaube d. Siebonb. Sachsen. 4
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werden. Dies Einschiachten ist als wirtschaftliche Grund-
lage auf den ursprünglichen Nomadenzustand der Germanen
zurückzufuhren (s. Lippert S. 588). Bei den damals und
später abgehaltenen Versammlungen gab es stets Schmau-
sereien und Gelage, wobei man sich mit Fleischanteilen zu
beschenken pflegte. „Auch heute noch ist aus jener Zeit
her," schreibt Lippert (S. 678), „an jedem Schwein-
schlachten die oft bittere Verpflichtung haften geblieben,
von dem frischen Fleische und den Würsten an Nachbarn
und Freunde Geschenke als eine förmliche Abgabe zu ent-
richten oder eine Mahlzeit zu geben. Dies war zu einer
socialen Notwendigkeit geworden."
Die Thomasnacht wird bei Schmaus und Trank
„versucht" oder „gemessen", d. h. durchwacht Märchen
werden erzählt und bei Scherz und Schmaus und Gelage
die Nacht durchwacht — der Geistergefahr wegen. Solche
Erzählnächte waren einst auch in Deutschland bekannt.
In der Thomasnacht geht man Schätze graben (Schuster
S. 142). Man stellt sich auf einen Kreuzweg, zieht mit
einer Haselrute einen Kreis um sich und „blickt aus". Wo
eine blaue Flamme aus dem Erdboden emporzüngelt, dort
ist ein Schatz vergraben. „Auch reiten an diesem Abend,
noch mehr aber um den Abend gegen den Georgs- und
Johannistag, die Hexen auf Kühen in den Hof, wenn man
nicht Zweige vom wilden Rosenstrauch oder ähnliches dor-
niges Gezweig über die Hoftüre steckt. Die Pferdeköpfe
auf den Zäunen halten auch Hexen und böse Geister ab"
(Haltrich-Wolff S. 281). Zerbrochene Hufeisen ver-
gräbt man in den Stall, um die Hexen vom Vieh fern zu
halten.
Der Abend des 23. Dezember heifst „geinzeldwend".
An diesem Abend zerbrechen die Burschen den Mägden den
Spinnrocken und verbrennen ihn samt dem Zocken. Daher
nehmen die Maide nur Stecken und Werg in die Spinn-
stube mit (Schuster S. 142). Von dieser Zeit an bis
h. Dreikönig darf nicht gesponnen werden. „Hierauf ge-
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meinschaftliches Essen und bei allerlei Unterhaltung (Rätsel
und Märchen fehlen selten) wird die „Nacht versessen" oder
„gemessen" (Schuster S. 142). Auch die Christnacht
bringt man wachend beim Kräsztkno ren oderKräszt-
grumpesz (Christklotze) zu, wobei in früheren Zeiten die
Meister und Gesellen mancher Handwerke ihre Wachskerzen
für den Morgen drehten; in Schaas brachten die Kinder
den Kräsztgrumpesz in die Schule (Schuster S. 142).
Nach dem festlichen Abendessen, dessen Speisereste (Knochen,
Brotbröckchen usw.) man ins Feuer wirft, wird auf vielen
Dörfern das „Kränzchenbinden" vorgenommen. Es werden
Kreuze und Kränze aus Wintergrün gewunden und daran
Wachskerzen befestigt An diesem Abend ist allgemein
das „Begaben" (äsaken = Einsacken) der Kinder. Der Be-
gabende ist der Christengel, der unsichtbar kommt und den
Kindern Asche in die Augen streut, wenn sie erwachen
und die Augen aufschlagen (Mühlbach), oder der Niko-
laus oder Pelzmartin oder der Christmann als
Schimmelreiter oder der Krampesz mit der Butte,
die alle sichtbar kommen, oder der Gotsbuorich oder
das Kräsztschweinj (Christschwein), die gewöhnlich
durch den Rauchfang kommen. Die Begabung ist mannig-
fach ; den Hauptbestandteil bilden grüne Bäume mit Nüssen,
Äpfeln u. dgl. behangen, oft Rute, Seife, Kamm und Ziegen-
mist in den Schuhen (Schuster S. 142). Der Christbaum
unserer Städte beginnt erst in neuester Zeit bei der länd-
lichen Bevölkerung Eingang zu finden. In Kerz kommt
der Christmann auf einem mit Katzen bespannten Wagen.
In Thalheim und wohl auch sonst verkündet der Burghüter
in dunkler Frühe der Gemeinde das Fest, indem er mit
lauter Stimme ins Dorf hineinruft:
Krästwurst menj! Christwurst meiii!
Aller legden är Trenj Aller Leut Katrein
sal hetj fräsch uch gesangt senj ! Soll heute frisch und gesund sein !
(Haltrich-Wolff S. 282). Bei der alten Burg in Ur-
wegen wird in dieser Nacht ein Feuer angezündet, und die
4*
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Burschen schwenken lärmend und johlend brennende Pech-
schwänze in den Turmfenstern herum (Schuster S. 143).
Dies geschieht, um Hexen und böse Geister vom Dorfe
fernzuhalten. Weihnacht und Neujahr sind eben zwei der
Nächte, die man bis zum Kirchengeläute durchwachen mufs,
denn die Geister gehen um, die oft in dieser Zeit in irgend
einem Hause, wo die Menschen schlafen, „Kirche halten"
(Haltrich, AbergL, Schäfsburg 1871). Wer zufallig in
diesen Nächten in die Kirche gerät, „wo um Mitternacht
die Verstorbenen Kirche halten (Geisterkirche), und sich
oder andere noch lebende Personen mit unter den Andäch-
tigen sieht, der kann gewifs sein, dafs er oder die anderen
Lebenden, die er sah, im Laufe des Jahres sterben" (G.
Sch ulier, Volkst. Glaube und Br. bei Tod und Begräb-
nis im Sieb. Sachsenlande; Schäfsburger Gymnasialprogr.
1863-65, S. 23). An vielen Orten halten um diese Zeit
die Toten auf dem Friedhof Kirche, nachdem ihr Pfarrer
dreimal auf einem weifsen Schimmel um die Kirche geritten
(Hai tr ich- Wolf f S. 283). Wenn man am Christabend
Kleiderfetzen oder Haare oder etwas von den Exkrementen
eines solchen Weibes erlangen kann, das im Rufe einer
Hexe steht, so soll man diese Sachen verbrennen und die
Asche in Haus und Hof streuen. Keine Hexe wird je da
einkehren (ähnlich der magyarische Glaube). Haus- und
Hofgeräte soll man an diesem Abend nicht im Freien lassen ;
vor die Türe aber soll man „gegen die Bösen" einen Kehr-
besen legen. Arme soll man zu dieser Zeit beschenken,
sonst „fliegt das Glück vom Hause". In Kronstadt nahm
man bis 1736 das „Himmelbrotausteilen" an diesem Tage
vor, wobei die Armen öffentlich beschenkt wurden. Es war
dies ein Brauch, der aus dem absterbenden Rudimente jener
alten heidnischen Festsammlung geboren wurde, wo jeder
zum gemeinsamen Mahle auf der Malstätte beizusteuern
hatte. „Die Mahlzeit selbst," schreibt Li ppert (a.a.O.
S. 677), „ist trotz des zur Dämpfung eingelegten Fasttages
kirchlicher Observanz gerade bei dieser Festzeit immer noch
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besonders betont. Als eigentliche Festmahlzeit gilt aber
meist noch vielfach erkennbar bei Germanen wie bei Slaven
diejenige, welche am Abende vor dem Haupttage begann.
An jenem ist trotz der Fastendämpfung das eigentliche
Festessen der Weihnachtszeit, das des „heiligen Abends",
und noch vielen grofsen Festen geht ein solcher „heiliger
Abend" voran, so dem Neujahr und dem Dreikönigs tage. Zu
solchen Mahlzeiten Gäste zu laden, ist das Rudiment früherer
Zeiten des Überflusses." In sächsischen Dörfern versammelt
sich die Familie bei ihrem ältesten Mitgliede zu gemein-
samem Mahl. Wie alle alten Festzeiten besteht das Mahl
auch zu Weihnachten insbesondere aus bestimmten alther-
gebrachten Gerichten. Schweinebraten, Sauerkraut und
Strizel dürfen nicht fehlen.
Am ersten Weihnachtstag trug früher die Jugend in
Zuckmantel dem Pfarrer „das grüne Jahr", eine Schüssel
voll Obst und Blumen. „Daselbst und sonst giebt es am
Vorabend oder am Abend des ersten Festtages grofse
Feudenfeuer" (Schuster S. 143). Zu dieser Zeit soll man
auch den Haustieren gut zu fressen geben, denn in diesen
dreizehn Nächten reden die Tiere miteinander und klagen
Gott ihr Leid. Wer ihre Sprache versteht, der kann oft
Wunderdinge hören, darob er den Verstand verliert. Jede
Schlange hat im Kopf ein gewisses Knöchelchen; wer das
verzehrt, versteht dann die Sprache der Tiere. „In Rosein
wird am heiligen Christtag in Mitte eines grofsen Reifes
eine Menge Korn, Hafer oder Mais geschüttet und das
Hausgeflügel gerufen, dafs es sich sättige ; das Übrigbleibende
gehört den Vögeln unter dem Himmel" (Schuster S. 143).
Um die Konzeption der Zuchttiere (Kühe, Stuten) zu för-
dern, ist es gut, dieselben am Christabend mit einem Miinner-
kleid zu bedecken. An vielen Orten werden zu Weihnachten
oder Neujahr die Obstbäume mit Stroh umwunden, damit
sie reichlich Früchte tragen (Hai tri ch- Wolf f S. 283).
Gegen Weihnachten hielten früher die Bauern in Schäfs-
burg an drei aufeinanderfolgenden Abenden Tänze. Der
letzte Abend hiefs benengövend; dann wurde auch ein
Schwerttanz unter unzüchtigen Gesten („also unter sym-
bolischer Andeutung der Zeugung") aufgeführt (Schuster
S. 143). Es scheint, als ob man den Geistern zu dieser
Zeit einen Einflufs auf die Zeugung zumutete. Ein un-
fruchtbares Weib soll am Weihnachtsabend Fische essen
und die Knochenreste derselben in fliefsendes Wasser werfen,
damit es Kinder zur Welt bringe; eine Schwangere aber
soll an diesem Abend die Stube nicht verlassen, die „Bösen u
könnten ihr Kind ums Leben bringen. Auch trächtige
Tiere soll man zu dieser Zeit nicht aus dem Stalle lassen,
denn jetzt, d. h. an diesem heiligen Abend, können sie am
leichtesten behext werden. „In diesem Behexungsglauben
steckt eigentlich wieder nichts, als die uralte Anschauung,
dafs jede Krankheitsursache nur als ein Geistwesen in Men-
schen und Tiere eindringen könne ; erst als man den Begriff
»Hexet so roh verunstaltete, verlor auch die Vorstellung
des Behexens ihre Klarheit. Auch der Umgang des „Christ-
kindchens" ist nichts anderes als die Einkehr guter und
böser Geister" (Lipp er t S. 683). „Die Hauskomödie: das
Sterntragen oder Christkindlein wurde von den Schülern
des Gymnasiums in Kronstadt zwischen Christtag und hei-
ligen Dreikönigstag in jedes Bürgers Haus aufgeführt. Der
Brauch hörte auf um 1700. Ein ähnliches Bauernspiel
existierte in dem Gebiete von Kronstadt noch 1736. In
Grofs-Schenk wurde bis 1750 das Herodesspiel aufgeführt,"
so schreibt Schuster (S. 143). „In diesen Zwölfen drischt
man an vielen Orten auch den Hafer, weil ihm dann im
kommenden Jahre nach der Aussaat die Erdflöhe nicht
fressen" (Haltrich- Wolff S. 282). —
Auch in der Sylvesternacht werden in einigen Ort-
schaften auf Anhöhen Feuer entzündet. Diese Nacht wird
auch „durchmessen", d. i. durchwacht, und man scheut sich
an vielen Orten, aus dem Hause zu gehen, weil derjenige,
welcher im kommenden Jahre sterben soll, einen goldenen
Sarg am Himmel sieht (Haltrich-WolffS. 282). Wenn
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am Weihnächte- oder Neujahrsmorgen in der Frühkirche
eine der Altarkerzen von selbst erlischt, so stirbt im Jahre
einer der Geistlichen. „In der Geisterstunde der Neujahrs-
nacht spricht das Vieh eine Sprache, die der Mensch nicht
hören darf, oder er stirbt, wenn er sie hört. Hört man zu
Neujahr ein Geräusch im Hause, ohne hievon die Ursache
finden zu können, so stirbt man im selben Jahre. Wenn
am Neujahrsmorgen der Himmel rot ist, so sterben in dem
Jahre viele Menschen (Senndorf). Nach anderen bedeutet
Morgenrot am Neujahrstage Krieg" (G. Sch ulier a. a. O.
S. 23). Wind in der Neujahrsnacht bedeutet Pest, ebenso
Nebel am Neujahrstage. Will man wissen, wer von zwei,
drei Personen zuerst sterben wird, so legt man zu dieser
Zeit die Fäuste abwechselnd um einen langen Stock, wie
wenn die Städter beim Ballspiel „schwadimieren" (s. Halt-
rich-Wolff S. 186); wessen Faust am Ende des Stockes
obenan kommt, der stirbt zuerst. Das nennt man f Sehen
oder ßlusten. Ob fachen zum mittelhochdeutschen veic
(zum Tod reif sein) gehört? Auch in der bergisch-rheini-
schen Mundart hat »feig sein« die alte Bedeutung: dem
Tode verfallen sein (Zeitschr. f. deutsche Philologie 3, 332).
Ist der Himmel in dieser Nacht heiter, so legen die Hühner
im Jahre viele Eier. Heller Mondschein berechtigt zur
Hoffnung auf eine volle dunkle Scheuer (Haltrich-Wolff
S. 283). Um die Witterung des kommenden Jahres zu be-
stimmen, legt man am Sylvestorabend zwölf Zwiebelhülsen
auf einen Teller, giebt jeder den Namen eines Monats, salzt
sie und stellt sie hinaus aufs Fenster. Nach der grösseren
oder geringeren Menge der bis zum folgenden Morgen in
den Schalen befindlichen Flüssigkeit bestimmt man die
Regenmenge der durch die Schalen bezeichneten Monate
des folgenden Jahres (Schuster S. 145). Diese zwölf
Nächte gelten überhaupt für ein Abbild des Jahres, darum :
wie das Wetter in diesen Zwölfen ist, so ist es nachher in
den zwölf Monaten des Jahres.
Die Geister gehen in dieser Nacht um und geben durch
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heimliche Zeichen dem Menschen kommendes Glück oder
Unglück kund. Stellt man so viel Holzscheite, als Familien-
mitglieder vorhanden sind, an diesem Abend im Freien an
eine Wand oder einen Baum und giebt jedem Holzscheit
den Namen eines Familienmitgliedes, so stirbt im Jahre der-
jenige aus der Familie, dessen Holzscheit am Neu jahrsmorgen
umgefallen angetroffen wird (Kronstadt). Man werfe in
dieser Nacht einen Lappen auf einen Baum, und wenn der-
selbe am kommenden Morgen noch dort sich befindet, so
hat man im kommenden Jahre Glück zu erhoffen. „Tücher
und Laken," schreibt Lipper t (S. 396), „als die ältesten
Gewandformen, erscheinen immer wieder als besonders an-
ziehungskräftig den Geistern gegenüber." In Bootsch wird
in der Neujahrsnacht Mais gekocht, damit der im Frühjahr
auszustreuende Same gleich dem gekochten Mais gröfser
werde, d. h. keime und aufgehe (Hai tr ich- Wolf f S. 284).
Immergrünblätter werden auf die Feuerstelle oder eine heifse
Feuerschaufel gelegt; wenn sie sich kräuseln, bedeutet es
Glück, wenn sie verbrennen, Tod innerhalb Jahresfrist
(Schuster S. 145). Die Neujahrsnacht ist überhaupt die
Nacht der Geister und Wunder. „Dann steht," wie Men-
zel sich schön ausdrückt, „die Zeit auf eine Weile still ; es
ist gleichsam ein Rifs, eine Spalte in der Zeit, durch welche
die Ewigkeit mit ihren Entzückungen und Wundern hinein-
schaut. Darum wird Wasser zu Wein, darum können die
Tiere reden und weissagen, darum wachen die Toten auf,
steigen versunkene Städte und Reiche empor, blühen und
reifen die Bäume, darum regen sich die Steine und öffnen
sich die Pforten der Unterwelt."
Für den Liebeszwang ist gerade diese Festzeit am
geeignetsten. Die Maid erforscht den künftigen Gatten
entweder durch das allbekannte Bleigiefsen, oder schöpft
schweigend Wasser vom Brunnen, füllt das Glas damit,
schlägt ein Ei hinein und weissagt dann aus der Gestalt
desselben am folgenden Morgen. Auch holen manche rück-
wärts gehend Holzscheite vom Holzlager; ist die Anzahl
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eine gerade oder ungerade wie das betreffende Jahr, so hei-
ratet man innerhalb Jahresfrist. In Mühlbach stellt sich
das Mädchen um zwölf Uhr mit zwei brennenden Kerzen
vor den Spiegel, um darin seinen künftigen Lebensgefährten
zu sehen (Haltrich-Wolff S. 283). Oder man spreitet
ein reines Tuch auf den Tisch und legt darauf einen leeren
Teller samt Efsbesteck nebst drei brennenden Kerzen ; dann
entfernt man sich und blickt um 12 Uhr nachts in die
menschenleere Stube von aufsen durch das Fenster hinein;
wenn man im Jahre heiraten soll, so wird man die zukünf-
tige Ehehälfte, beim Tische sitzend, sehen; ist dann ihr
Teller gefüllt mit Speisen, so wird man mit ihr in Wohl-
stand leben ; erscheint er aber leer, so wird man in der Ehe
viel Not und Elend erleiden müssen. Wenn in dieser Nacht
die Familie im Zimmer um den Tisch herum sitzt und je-
mand von draufsen zum Fenster hineinblickt, so sieht er
das Familienmitglied, welches im Jahre sterben wird, ohne
Kopf am Tische sitzen (Mühlbach, Kronstadt).
Will eine Maid die Liebe eines Burschen entfachen, so
nestelt sie ihm einige ihrer Haare an sein Gewand; wenn
diese Haare bis zum Neujahrsmorgen am Kleide des Burschen
haften bleiben, so kann er von der betreffenden Maid in
dem Jahre nicht lassen. Oder es backe die Maid einen
Blutstropfen von ihrer linken Hand in einen Kuchen und
lasse diesen in der Syivesternacht vom Burschen verzehren ;
er wird in Liebe zu ihr entbrennen. Legt sie sich um
12 Uhr in der Sylvesternacht im Freien auf einige Augen-
blicke horchend auf die Erde, so hört sie den Namen ihres
zukünftigen Gatten rufen. —
Nur mit dem heiligen Dreikönigstag, wo Kinder, um
Gaben singend, von Haus zu Haus ziehen, nimmt dieser
Festcyklus ein Ende. Früher dauerte er gar bis zum
1 3. Januar, bis zum sogenannten „GeschworenenMon-
tag". An diesem Tage wurden die neugewählten Beamten
eingeschworen, wobei es öffentliche und private Gelage und
Unterhaltungen gab. Viermal im Jahre versammelte sich
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früher die sogenannte „Nachbarschaft" zum Sitttag oder
Gerichtstag. Heute findet dies nur noch auf Dörfern
statt, bei welcher Gelegenheit es an Schmaus und Gelage
nicht fehlt (s. Fronius, Bilder aus d. sieb.-sächs. Bauern!.
Am Blasius tag (3. Februar) gab es früher ein all-
gemeine« Schulfest, weil an diesem Tage der Unterricht auf
den Dörfern bis zum Herbst eingestellt wurde 1 ). Zum ge-
meinsamen Mahl sammelten die Kinder schon am Vortag
Fleisch, Kraut, Holz aus den Häusern und sangen dabei:
Frau Mutter,
Gib Butter,
Gib Schmäh:!
Alles ist gut in Hals.
Der Szolgabiro*) ist durstig,
Der Fleischhacker ist hungrig,
Achen, kokachen, Stümpchen Licht!
In Mehburg sah der Schulmeister, wenn er in die Schule
kam, einen Fuchs an die Tafel gezeichnet. Hinter der
Tür stand der erste der Schulknaben mit einem Topf in
der Hand, in welchem er Feuer hatte und Schafwolle ver-
brannte. Dieser bat um die Erlaubnis, das Fest zu feiern.
Unter dem Bild auf der Tafel stand „Blasius Fuchs"
(Schuster S. 145). —
Bis zum letzten Faschingstag, bis zur Fastnacht (fuos-
nicht) giebt es kein Fest. Auf diesen Tag haben sich viele
der alten Frtihlingsfestgebräuche übertragen. Gaben werden
fast allerorten zum gemeinsamen Mahl gesammelt. „Das
Einsammeln von Nahrungsmitteln, oder was an deren
Stelle getreten sein mag, läfst uns immer auf die alte Vor-
bereitung eines gemeinsamen Festmahles schliefsen. Diese
Gaben, welche in einem rudimentären Zustande teils als
*) Siehe über die Blasiusumzüge mein Werk: „A. d. Volksl. d.
Magyaren", 8. 46 ff.
*) Aus dem Magyarischen entlehnt = Stuhlrichter.
S. 99).
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Almosen, teils als Kindergeschenke und noch in anderen
Formen fortleben, waren einst deshalb von grofsem Werte,
weil sie die Gemeinsamkeit des Mahles für Alle, auch für
die Ärmsten, ermöglichten M (Lippert S. 599). In S c h a a s
z. B. ist Richttag, Zusammenkunft der „Nachbarschaft"
unter Vorsitz des Nachbarvaters, und gemeinsames Mahl,
zu dem Jeder beisteuern mufs. In Trappold, Seiburg und
sonst wird am Vorabend von den Burschen von Haus zu
Haus Wein und Fleisch gesammelt und am folgenden Tage
gemeinsam mit den Maiden verzehrt (Schuster S. 146).
Auf die alte germanische Gerichtsversammlung beim Mal-
zeichen weist der folgende Brauch zurück : Der Fasching
wird in Braller nämlich aufgehangen. Zwei weifse und zwei
rote Pferde ziehen den Schlitten, auf dem ein mit weifsem
Tuch umwundener Strohmann sich befindet und neben ihm
ein Wagenrad, das gedreht wird. Zwei Burschen als Männer
verkleidet folgen trauernd dem Schlitten. Die übrigen Bur-
schen des Ortes begleiten zu Rofs, mit Bändern verziert,
den Zug. An der Spitze desselben fahren auf einem Wagen
oder Schlitten zwei mit Wintergrün bekränzte Mädchen.
Vor einem Baum wird Gericht gehalten, wobei Burschen,
als Soldaten verkleidet, das Todesurteil fällen. Die beiden
alten Männer versuchen den Strohmann zu rauben und zu
fliehen, doch es gelingt ihnen nicht. Da erhaschen die
beiden Mädchen plötzlich den Strohmann, überreichen ihn
dem Henker, der ihn an einen Baum hängt. Vergeblich
versuchen die zwei alten Männer den Baum zu erklettern
und den Strohmann zu befreien; sie fallen immer wieder
herab und verzweifelnd werfen sie sich auf die Erde und
weinen und heulen um den Gehenkten. Da tritt der »Alt-
knecht« (Vorstand der Dorfburschen, s. Fronius S. 48)
auf und hält eine Rede, in der er erklärt: der Fasching
habe ihnen nicht nur Gutes, sondern auch Böses gebracht,
er habe ihnen die Schuhe zerrissen, sie matt und schläfrig
gemacht, und darum sei er zum Tode verurteilt worden
(Haltrich-Wolff S. 284). Wie man aus den an sich
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schwer erkennbaren, aber in der Zusammenstellung leicht
zu deutenden Zügen dieses Fastnachtsbrauches ersieht, so
hat man in der Tat die Vorgänge auf der Gerichtsstätte,
auf der alten Dingstätte, bis in unsere Zeiten nachgeahmt.
„Sie waren nicht immer nur Rügengerichte, auch das Hals -
gericht fand seine Nachahmung und ohne Köpfen und
Hängen ging es nach mittelalterlichem Stile Uberhaupt nicht.
Bei dieser Ernsthaftigkeit der Procedur war es natürlich
notwendig, für den Delinquenten Surrogate zu suchen, wo-
durch später der ursprüngliche Sinn bis zur Unkennbarkeit
entstellt wurde. Man wählte zunächst doch wohl schädliches
Raubzeug, Habichte, Raben und was man noch dafür hielt,
dann aber auch zahme Tiere, insbesondere Hähne oder
Gänse, aber selbst auch Frösche" (Lippert S. 638). So
entstanden die häfslichen Gebräuche des „Hahnschlagens",
Froschköpfens usw., zu denen das mitgeteilte Fastnachts-
spiel einen Übergang von den Vorgängen auf der alten
Gerichtsstätte bezeichnet. So dumm kann ein Spiel und so
ehrwürdig als Relique sein. In Grofs-Schenk wurde früher
der Erbsenmann, eine Figur aus Erbsenstroh, herum-
geführt und geprügelt. In Mühlbach wurde früher ein
Schlitten oder Wagen mit verschiedenen Masken, worunter
auch der Strohmann, umgeführt. In Schäfsburg befand
sich auch Tod und Teufel unter den Masken. Um diese
Zeit wurde noch 1700 in Kronstadt von den Kürschnern
der Schwerttanz autgeführt; ebendaselbst führten die
Schuhmachergesellen den Reif tanz auf, den sie von der
Böttgerbruderschaft erkauft haben sollen (Schuster S. 146).
In vielen Ortschaften herrschte früher allgemein der Brauch,
an diesem Tage Strohpuppen zu verbrennen. In Olden-
burg und Westfalen trug man auch brennende Strohbündel
auf Stangen herum und verbrannte eine Strohpuppe
(Wuttke, Deutsch. Abergl., § 98). Man mufs also doch
auch um diese Zeit einmal Puppen aufgestellt und nach
dem Feste wieder entfernt haben, wie solche Puppen zeit-
weilig an der Stelle eines Malbaumes oder auch mit diesem
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vereint erscheinen. Mit der Entfernung dieser Puppe mag
ursprünglich die Sitte des »Faschingbegrabens« im Zu-
sammenhange gestanden haben. Auch ein »Hahnenschlagen«
findet in den genannten Landschaften statt. In diesen und
verwandten Bräuchen ist die einstmals mit der Frühlings-
festzeit zusammenfallende Gerichtshandlung in ein Spiel der
erwachsenen Jugend verkehrt worden. In der That gehörte
gerade die Faschingszeit da, wo man drei Jahresdingzeiten
hatte, vielfach zu diesen" (Lippert S. 600).
Dafs um diese Zeit wieder die Geister umgehen, dafür
sprechen manche Gebräuche. Die Anwesenheit der Geister
verrät sich auch in dem Verbote des Arbeitens. In Denn-
dorf dürfen die Frauen am Aschermittwoch nicht
spinnen, weil sonst die Schweine Würmer bekommen. Man
darf zu dieser Zeit nicht nähen, sonst „vernäht man sein
Glück". Auch soll man nicht Brot backen, denn man wird
von diesem Gebäck krank. Das Volk hat eben „der Tat-
sache des unter Strafandrohung stehenden Verbotes in jedem
einzelnen Falle seine begründende Deutung hinzugefügt,
und so ist der wunderliche Aberglaube entstanden." In
Gergischdorf wird am Aschermittwoch von Burschen, die in
Frauenkleidern stecken, Asche auf der Gasse gesäet. In
Halwelagen wird die Asche vom Aschermittwoch auf die
jungen Kohlsetzlinge gestreut (Haltrich-Wolff S. 284).
An diesem Tag schüttelt man an vielen Orten die Obst-
bäume und verbrennt den Strohschaub, den man zu Weih-
nachten oder Neujahr um sie gewunden hat, damit sie reich-
lich Früchte tragen. Geister weilen eben gerne auf Bäumen.
Durch das Schütteln weckt man gleichsam „die Bäume aus
dem Schlummer, damit die durch die Luft ziehenden Geister
nicht ihre Lebenskraft — gleich einer Seele — davon-
tragen" (Lippert S. 596). Auch an diesem Tage wurde
früher vielerorts eine Strohpuppe (gekel) gemacht und ver-
brannt (Haltrich-Wolff S. 284). —
Am Tage Mariae Verkündigung (25. März) wird
in Feldorf und in Braller am Himmelfahrtstage jetzt noch
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Jahr fUr Jahr der Tod ausgetragen. Der Tod, eine Stroh-
puppe, wird mit reichem Frauenschmuck und gelbem Schleier
versehen. In Feldorf heifst man das : die Marien -
jungfer verbrennen. Unterbleibt der Gebrauch nur
einmal, so ist die Folge, dafs ein Bursche oder Mädchen
in dem Jahre stirbt, oder dafs ein anderes Unglück die
Gemeinde trifft (Haltrich- Wolff S. 285). Das „Aus-
tragen des Todes" wird in Braller auf folgende Weise vor-
genommen: Nach dem Vormittagsgottesdienste des benannten
Tages begeben sich die Schulmädchen in das Haus einer
Mitschülerin und „machen daselbst den Tod", der aber als
weibliche Person dargestellt wird Sie nehmen dazu eine
ausgedroschene Korngarbe, an welcher der obere Teil, d. i.
die leeren Ahrenspitzen, zusammengebrochen und unter-
bunden werden, so dafs eine köpf-, hals- und rumpfformige
Gestalt herauskommt. Der zuvor mit einem sogenannten
Knüpftuche (Knäppd&ch) umhüllte Kopf wird sodann mit
der gewöhnlichen „roten Haube" und den silbernen „Bockel-
nadeln", kurz ganz in derselben Weise aufgeputzt, wie sich
die jungen Frauen des siebenbürgisch-sächsischen Land-
volkes festlich zu schmücken pflegen. Um das Gesicht des
Todes zu veranschaulichen, werden demselben an die Stelle
der Augen zwei grofse, schwarzknöpfige Stecknadeln, wie
sie die älteren Frauen des Dorfes bei feierlichen Gelegen-
heiten tragen, eingesetzt; die Arme werden mittels eines
quer durch den Strohschaub gesteckten Stockes gebildet.
Darauf wird die Gestalt ganz nach der Dorfsitte der Frauen
bekleidet; Arme und Brust werden vorzugsweise mit vielen
Bändern geziert. Der Füfse bedarf es nicht, der untere
Teil wird von dem Saume der Bekleidung verdeckt. Nun
ist der „Tod gemacht". Man hat sich getummelt; denn
bald wird zur Vesper geläutet, und da mufs der Tod am
1 Vgl. mein Heft: „Sitte und Brauch der Sieb. Sachsen" (in
Virchow-Holtzendorffs Samml. gem. wissenseh. Vorträge, N. Folge 63)
8. 16.
f
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geöffneten Fenster ausgestellt sein, „dafs ihn die Leute be-
sehen", wenn sie am Hause vorüber zur Kirche gehen. Die
Vesper ist aus, nun ist der ersehnte Augenblick da, wo der
erste Umzug mit dem „Tod u beginnt; das Recht dazu ge-
bührt nur den Schulmädchen. Zwei von den älteren fassen
ihn an den Armen und schreiten voran; paarweise folgt
ihnen die Zahl der anderen. Die Knaben bleiben ordnungs-
los aufser dem Zuge und begaffen voll Bewunderung den
„schönen Tod". So geht der Zug durch alle Gassen des
Dorfes, indem dabei das Kirchenlied: Gott, mein Vater,
deine Liebe — Reicht so weit der Himmel ist, . . . jedoch
nach einer Melodie, welche von der gewöhnlichen abweicht,
gesungen wird. Eine alte Bäuerin des Dorfes erinnert sich,
dafs ehemals das Lied: Ach, bewahre mich vor Schrecken,
Schütze mich vor Überfall, — nach derselben Melodie beim
Todaustragen gesungen worden sei. Ist der Umzug durch
die Gassen vollendet, so begeben sich die Mädchen in ein
anderes Haus. Die Türe wird vor den mutwillig nach-
dringenden Knaben verschlossen, der Tod entkleidet, und
der nackte Strohschaub ihnen bei dem Fenster hinaus über-
geben. Die Knaben ergreifen ihn, stürmen ohne Gesang
damit zum Dorfe hinaus und werfen ihn in den vorbei-
fliefsenden Bach. Ist dieses geschehen, so beginnt der zweite
Teil dieses Volksdrama. Mit dem dem „Tode" entrissenen
Schmuck wird nun eines von den im Hause zurück-
gebliebenen Mädchen bekleidet, und wie vorhin der Tod,
unter Absingung desselben Kirchenliedes durch alle Gassen
geleitet. Nach diesem Umzüge begeben sieh alle in das
elterliche Haus der „Königin" des Festes, wo zusammen-
getragene Efswaren verschmaust werden. Die Knaben
bleiben auch von diesem Schmause ausgeschlossen (J. K.
Schuller, Das Todaustragen u. d. Muorlef, S. 4).
Das ähnliche, am Mariae- Verkündigungstage in Feldorf
auch jetzt noch begangene Fest wird also beschrieben:
Eine aus Stroh gemachte menschliche Figur wird als Mäd-
chen mit den Borten, dem bekannten Kopfschmucke kon-
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firmierter Dorfmädchen, dem schönsten Brustlatz, der feinsten
Schürze und neuen Stiefeln geschmückt und in dieser Weise
zur sogenannten „Marienjungfer" gemacht In feierlichem
Umzüge wird diese Puppe darauf unter Absingung eines
Kirchenliedes an dem Hause des Pfarrers und Pfarrgehilfen
und an der Schule vorbei durch das ganze Dorf getragen.
Über den Begräbnisplatz, wo er eine Weile stehen bleibt,
begiebt sich der Zug dann auf die vor dem Dorfe gelegene
Kuppe (Kuupen). Hier wird die Marienjungfer entkleidet,
das Stroh bis zum letzten Halme verbrannt und die Asche
mit den Füfsen gestampft. Unterbleibt diese Feier in einem
Jahre, so wird jeder Unfall, welcher die Jugend trifft, wie
z. B. die Schwangerschaft einer Maid, der Tod eines Bur-
schen usw., dieser Unterlassung beigemessen (J. K. Schul ler
a. a. O. S. (5).
Dies „Todaustragen" hat mit dem Einzug des Früh-
lings und dem Vertreiben des Winters eigentlich und ur-
sprünglich gar nichts zu schaffen. Bei jedem Feste dachte
man sich auch die Geister als teilnehmend daran, und dies
„Todaustragen" bildete ursprünglich den Schlulsakt der
Geistervertreibung. „Es liegt in der Natur der
Sache , " schreibt diesbezüglich L i p p e r t (S. 613) , „dafs,
wenn irgend eine Vorstellung die Ausübung einer gewissen
Tätigkeit von Seiten der Menschen bedingt, diese Tätig-
keit als Brauch sich länger erhält, als die Vorstellung als
Glauben. Deshalb sind ja so viele Bräuche rudimentär und
die dazu gehörigen Vorstellungen kaum noch zu finden. So
ist auch vom Seelenverkehr nichts so lange und so all-
gemein erhalten worden, als jene ausgesprochenen Hand-
lungen, welche ursprünglich den Schlufsakt aller
Feste bildeten, die Akte der Geistervertrei-
bung. Meist haben sich aber diese Akte so selbst-
ständig gestaltet, dafs ihr Zusammenhang mit
den Festen durch die Zeit, in welche sie nun
fallen, nicht immer mehr ausgedrückt wird..."
Die Geistervertreibung „ist endlich vielfach zu einem dra-
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in a tiechen Akte geworden und hat sich als solcher in der-
artiger Selbständigkeit erhalten, dafs er als ein Fest für
sich zu verschiedenen Zeiten, immer aber innerhalb der
alten Frühlingsgrenzen auftritt. Ganz im Einklänge mit
der geschichtlichen Entwicklung hat er im Osten länger
seinen ursprünglichen Sinn bewahrt als im Westen ; überall
aber hat er sich gegen das Mifsverständnis und die Unter-
drückung durch die Kirche dadurch zu retten versucht,
dafs er neue Elemente in sich aufnahm oder sogar ein-
tauschte. So heifst der Brauch bei den Slaven, im östlichen
Deutschland und in Franken, immer noch ganz deutlich
seinen Ursprung andeutend, das „Todaustragen" oder
„Todaustreiben"; im übrigen Deutschland dagegen nur
noch das „Winteraustragen". Der Sommer ist aber auch
schon im slavi sehen Brauche als Gegensatz eingeführt, doch
hat auf der anderen Seite der Winter den Tod noch nicht
verdrängt. In Böhmen heifst der Ausgetriebene smrt'
(fem. Tod) oder Mofena (Hei, Todtengeist, Gespenst), in
Slovenien ebenso, sonst Muriena oder Ma- murienda; nie-
mals wird statt deren der Winter erwähnt; und doch wissen
wir aus dem böhmischen Pönitentialcodex, dafs dieser Brauch
uralt sei und bis an. die Grenze des Heidentums hinauf
verfolgt werden kann. Ebenso wissen wir aber auch daher,
dafs die Kirche ihn schon früh als einen abgöttischen ver-
folgt hat. Daraus mufs man notwendig den Schlufs
ziehen, dafs die deutsche Form des Brauches,
welche Sommer und Winter einander drama-
tisch gegenüberstellt, eine spätere Umdichtung
sein mufs, gegen welche die Kirche keinen Grund zu
eifern gehabt hätte. Das ergibt sich auch aus dem Brauche
selbst. Sobald man in Böhmen die Puppe ins Wasser ge-
worfen, eilen Alle so schnell als möglich dem Dorfe zu,
weil den Letzten der Tod erwischt. Das hätte keinen Sinn,
wenn umgekehrt der Tod nur an die Stelle des Winters
gerückt wäre" (Lippert S. 616).
Es ist ferner zu beachten, dafs in der slavi sehen Sprache
W 1 i • 1 o c k i , Volksbrauch u. Volksglaube d. Slebenb. Stchaen. 5
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der Tod immer noch weiblich erscheint — „die Er-
innerung ist also auf der Stufe der Mutterfolge stehen
geblieben, was ganz dem Hervortreten der Bäba (Urmutter)
in den Anfangen der cechischen Mythologie entspricht."
Dafs bei unserem siebenbürgisch-sächsischen „Todaustragen"
sich nur Mädchen beteiligen, dazu ist zu vergleichen, was
Grimm (Myth. S. 629) über den fränkisch - slavischen
Brauch in Nürnberg mitgeteilt hat. Dort hat sich nämlich
auch nur noch der Umzug der Mädchen mit der den Tod
bedeutenden Puppe erhalten, und „der Sinn wäre ohne die
älteren Formen nicht zu reconstruieren." Unser sächsisches
„ Todaustragen u hat also mit dem Winteraustragen nichts
zu schaffen, sondern es ist ein viel älterer Brauch, der sich
hier in Siebenbürgen unverfälscht erhalten hat, während in
Westdeutschland dafür nur noch ein dramatisches Turnier
zwischen Winter und Sommer übrig geblieben ist, und
„man hat dort schon von alten Zeiten her den neuen Sinn
in neue Formen gekleidet." —
Am schwarzen Sonntag (Judica) darf man sonst
nirgends hingehen als in die Kirche; der Teufel geht um
und sucht, wen er verschlinge (Haltrich-WolffS. 285).
Geht man an diesem Tage vor Sonnenaufgang auf den Fried-
hof, so kann man die „verdammten Seelen" ächzen und
stöhnen hören, wenn man sich auf die einzelnen Gräber
setzt. Fängt man um diese Zeit eine Kröte, so soll man
sie in den Viehstall vergraben, dann kommt dorthin nie
eine Hexe mehr.
Am Palmsonntag holen die Mägde in Schaas
Weidenzweige und stecken sie in die Dachfenster. In
Scharosch und Neudorf stecken die Burschen an die
Häuser, wo Mädchen wohnen, grüne Zweige, wofür sie Eier
erhalten (Schuster S. 147).
In der Kreuzwoche oder tauben Woche (Char-
woche) darf keine wichtige Arbeit vorgenommen werden.
Dafs auch in der Osterzeit die Geister unter den Menschen
sind, um mit ihnen zu feiern und durch sie erfreut zu
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werden, ist aus hundertfältigen Vorstellungsrudimenten er-
sichtlich. In dieser Woche ist es nicht gut zu säen
(Schuster S. 147); auch darf mit Bleuel nicht gewaschen
werden, weil es sonst hagelt (Haltrich- Wolff S. 286).
Nur der Gründonnerstag bildet eine Ausnahme. An diesem
Tage werden die Stuben gereinigt, um Insekten daraus für
das ganze Jahr zu verbannen. An diesem Tage gingen in
Kronstadt bis 1700 die Kinder „Eier maindeln", was sonst
zu Ostern geschieht (Schuster S. 147). Am Charfreitag
werden an vielen Orten die Grabhügel frisch „aufgezogen 8 ,
d. i. aufgeschaufelt und erhöht. Holt man während dem
Gottesdienste an diesem Tage Attich vom Friedhof, so hat
man daran ein Mittel gegen jede Krankheit (Haltrich-
Wolff S. 286). In der Charfreitagsnacht treiben wieder
die Hexen ihr Wesen. Haus- und Stalltür bekreuzt man
mit einer Kohle und giefst Kohlenwasser auf das Futter
des Viehes. Geht die Maid in dieser Nacht schweigend
zum Brunnen und blickt in denselben, so kann sie in der
Tiefe desselben ihren zukünftigen Gatten ersehen, doch
mufs sie dabei ein Kleidungsstück verkehrt angezogen
haben, sonst stöfst sie der Teufel in den Brunnen. „Auch
das tiefe Schweigen, das man wahren mufs, sobald man
aufser Haus ist, scheint sich auf die Alles erfüllenden
Geister zu beziehen 14 (Lipp er t S. 611). Schweigend
sammelt man um diese Zeit Heilkräuter, schweigend geht
man aus, um die vergrabenen Schätze „blühen" zu sehen.
Wer an unheilbarer Krankheit leidet, der bade am Char-
freitagsabend und giefse dann das Badewasser schweigend
unter einen Baum, der bei einem Kreuzwege steht. Wasser
in der Charfreitagsnacht oder am Ostermorgen schweigend
geschöpft, ist ein Heilmittel gegen jedwede Krankheit.
Wäscht sich die Maid darin, so wird sie „schön" ; begiefst
sie damit die Zimmerpflanzen, so entfalten dieselben herr-
liche Blüten. Das Osterwasser und seine besondere Kraft
gehört eben auch in den Kreis des Geisterumgangs, und
wie immer, „wenn die Geister die Luft erfüllen," schüttelt
5*
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der Landmann auch um diese Zeit die Obstbäume oder ver-
sieht sie mit einem aus Stroh geflochtenen Ring.
Wo die Kultur noch weniger lang ihre zersetzende Ar-
beit betreiben konnte, dort tritt wieder das energische
Gabensammeln, das mehr oder weniger zwangsweise Ein-
sammeln von Gaben zu einem gemeinsamen Festmahle der
Jugend am zweiten Ostertage auf. Eier, Kuchen und
der Festbraten dürfen dabei nicht fehlen. Der erste Oster-
tag gehört überall „der Kirche". Am zweiten Ostertag ist
aber überall Begiefsen der Mädchen durch die Burschen,
welche dafür mit roten Eiern (gegelft ächer = gegelbte
Eier) beschenkt werden. In vielen Ortschaften müssen auch
die Frauen begossen werden, sonst wächst der Flachs nicht
hoch (Schuster S. 148). In Grofspold geht die Jugend
singend um die Kirche, während anderwärts an diesem
Tage nach dem Gottesdienste die Feldbrunnen von der
Jugend gereinigt werden, was viel Aehnlichkeit mit den
Flurumzügen der Magyaren 1 ) und anderer Völker hat,
die eben auch noch in aller Wirklichkeit die Wanderung
zur alten Mal- und Gerichtsstätte bilden, wohin das Volk,
wie einst zur heidnischen Malstätte, in Lust und Freude
hinströmt. Tanz um den Mast und das Rad vereinigt an
vielen Orten die Jugend zu allgemeiner Lustbarkeit. Auf
einem freien Platze wird ein hoher Mast aufgestellt, auf
dessen Spitze ein Wagenrad nebst einer Weinflasche an-
gebunden ist; an den Speichen des Rades hängen Kränze
und Kronen herab, welche die Mägde aus Garten- und
Feldblumen gebunden haben. Wer Mut und Geschicklich-
keit hat, erklettert den Mast und leert die Flasche, indem
er eine reiche Zahl von „Gesundheiten" ausbringt, während
die Mägde das Lied singen:
Es flog ein kleines Vögelein,
:|: Nach (Zeiden) flog es aus :|:
') Vgl. mein Werk: „A. d. Volksl. d. Magyaren" S. 52.
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Es zieht mich zum Geliebten hin,
:|: Weil ich geneigt ihm bin :|:
Es kam ein loser Bauersknecht,
:|: Von ferne kam er her :|:
Wollt' sich die Rosen brechen
:|: Die längst des Weges stehn :j:
-Lafs stehn, lafs stehn die Kosen
:[: Die Rosen, die sind mein :|:
Brich ab dir Brennesseln,
:|: Bind" dir ein Kränzlein draus :|:
worauf der Chor der Burschen antwortet:
Wir können sie nicht abbrechen,
:|: Sie brennen allzusehr :|:
Gut Essen und gut Trinken
:[: Dazu sind wir bereit :|:
Nach Beendigung des Gesanges werden die Kränze
herabgeschüttelt und alles tummelt sich, einen zu erhaschen.
Tanz und Schmaus beschliefsen diese Festlichkeit. Im
Mast haben wir die Erinnerung an die Errichtung des
Malbaumes auf der alten Gerichtsstätte, obwohl dieser
Brauch anderswo zu Ostern so ziemlich zurückgetreten ist,
wahrscheinlich deshalb, weil das rivalisirende nahe Pfingsten
diese Sitte ganz besonders an sich gerissen hat. Dennoch
fehlt sie, wie wir sehen, auch zu Ostern nicht ganz. „End-
lich copiren," sagt Lippert, „viele Orte Wettrennen
und Wettreiten zum Teil an feierlich eingehegten und mit
dem Malbaume versehenen Plätzen und ähnliche Spiele auf
der Malstätte. w Wir haben schon erwähnt, dafs Hahn-
schlagen eben ein Surrogat fitr das alte Gerichtsverfahren
auf der Malstätte bildet. In vielen Dörfern der Sieben-
bürger Sachsen wird das Hahnenschlagen am zweiten Oster-
tage vorgenommen, indem ein Bursche, dem die Augen ver-
bunden werden, mit einem Knittel so lange herumschlägt,
bis er den angebundenen Hahn trifft. In Zuckmantel wer-
den am zweiten Ostertag zwei Hähne mit Pfeil und Bogen
geschossen; oft werden statt des Hahnes Eier von den
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70 —
Kindern geschlagen. Statt dem Hahnenschiefsen oder neben
demselben kommt an manchen Orten das „Hahnabreiten
eine Art Wettrennen vor (Schuster S. 148). An zwei
aufgerichteten Balken wird nämlich ein Seil quer auf-
gespannt und daran ein Hahn an den Füssen aufgehängt,
so dafs ein in den Steigbügeln aufgerichteter Reiter nur
mit Mühe den herabhängenden Kopf erreichen und fassen
kann. Junge Bursche reiten in wildem Rennen unter dem
Seile durch, erheben sich soweit nur möglich im Sattel und
suchen dem Hahne den Kopf abzureifsen. An manchen
Orten wird auch bei Hochzeiten dies Wettrennen vor-
genommen, wobei jedoch eine Gans oder eine schwarze
Henne den Hahn vertritt 1 ). In Marpod wurde früher bei
dieser Gelegenheit auch das sogenannte „Königslied", eine
dramatische Darstellung, aufgeführt, die, wenn auch kein
eigentlicher Totentanz, so doch die Bedeutung eines solchen
hat und den Triumph des Todes darstellt. Die Personen
sind ein Engel, ein König, der Tod, der „auf einem freien
Markt dem König tut nachschleichen", und, da dieser sich
trotzig geberdet, ihn mit tötlichem Pfeile trifft (Schuster
S. 311 u. 148). Dies Spiel wird auch bei Hochzeiten auf-
geführt 9 ).
In Streitfort begibt man sich am Ostertag auf einen
nahen Berg, um das Osterlamm in derSonne spielen
zu sehen (Schuster S. 148). —
In der Nacht gegen Georgi darf man nicht auf dem
Schöpfen oder in der Scheune schlafen, weil die Hexen
dann dort ihr Spiel treiben (Haltrich- Wolff S. 286).
Die Hexen kann man zu dieser Zeit sehen, wie sie auf
Feuerschaufeln, Kehrbesen usw., durch die Lüfte reiten,
wenn man schweigend auf einen Berg geht und dort sich
auf ein schwarzes Katerfell setzt. In Mühlbach tat dies vor
vielen Jahren ein Mann, so erzählt man sich, aber er ver-
>) S. mein o. a. Heft S. 24.
«) S. ebenda S. 25.
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— 71 —
gafs dabei, sich auf das Katzenfell so zu setzen , dafs er es
ganz bedeckte. Da brausten die Hexen heran und führten
den armen Mann mit sich fort. Nie hörte man etwas von
ihm; er blieb verschwunden und verschollen . . .
Ganz ohne Vermischung mit christlichen Festen hat
sich auch bei den Siebenbürger Sachsen das Rudiment der
alten Frilhlingsversammlungen in der Feier des ersten
Mai, auf diesen einen Tag zusammengeschürzt, erhalten.
Früher gab es überall an diesem Tag ein Schulfest Einen
Maibaum stellt jeder Bursche seiner Geliebten vor das Haus.
„Das Volk kann ohne das Mal das Fest nicht feiern, und
hat man ihm die alten Male gestürzt, so mufs es wenigstens
für die Dauer der Festzeit alljährlich neue errichten"
(Lippert S. 627). In Kleinbistritz und Urwegen geht
die Jugend singend auf einen Berg, wo um den Maibaum
herum getanzt und geschmaust wird. In Petersdorf wurde
an diesem Tage die Kreisch aufgeführt, eine Flofsfahrt
auf dem Mühlbach mit obligaten Jauchzen, Witzen und
Zoten. Seit einem Jahrhundert ist das Fest nicht mehr
abgehalten worden (Schuster S. 148). In einigen Ort-
schaften pflegen die Kinder aus ihrem Kreise das „Me-
madchen" (me junges Laub) zu wählen, welches mit
Bändern geschmückt und mit jungem Laube so überkieidet
wird, dafs es nicht sehen kann und gefuhrt werden mufs.
Sie fuhren es bei den Ortsbewohnern herum und erhalten
Eier als Geschenk, die sie dann gemeinschaftlich verzehren.
Dies ist die einzige übriggebliebene Erinnerung an die
früheren „Maikönige", die zum Teil auf Pfingsten herab-
gerückt sind. Wie in einigen Gegenden Westdeutschlands
„Maibrunnenfeste" gefeiert werden (Lippert S. 629), ao
werden in vielen sächsischen Ortschaften Siebenbürgens an
diesem Tage die Feldbrunnen durch die Jugend in feier-
licher Weise gereinigt, wobei es an Schmaus und Tanz
nicht fehlt (Schuster S. 148).
Vom Himmelfahrtstage begannen vor Zeiten die
„ Jungfernreigen 1 * in Kronstadt und währten bis zum Jo-
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hannistag. Dabei gab es eine Königin nebst zwei „Bei-
sitzerinnen". Um 1740 waren diese Reigen, wobei getanzt
und geschmaust wurde, bereits abgekommen (Schuster
S. 149). Auch am Himmel fahr ts tage darf mit dem Bleuel
nicht geklopft werden, sonst schlägt der Hagel und zwar so weit
im Felde, als der Bleuel gehört worden ist (Haltrich-
Wolff S. 286).
Die meisten Rudimente der alten Frühlingsgebräuche
haben sich auch bei den Siebenbürger Sachsen im Laufe
der Zeiten immer mehr auf Pfingsten concentriert. All-
gemein ist das Aufstellen von „Maibäumen" vor den Häu-
sern und in den Kirchen. An einigen Orten erhält der
Bursche für das Aufstellen des Maibaumes vor dem Hause
der Auserwählten ein Essen am dritten Pfingsttag. In
Denndorf besteht dies aus Eierkuchen mit Salat, Hübes
(Kuchen), Wein. Dazu wird ihm jeden Sonntag, so lange
Blumen sind, ein Straufs gebunden (Schuster S. 149).
Das vielfach übliche Bekränzen des Viehes am Pfingsttage
bezeugt die Bedeutung, welche das Sommerfest einst gerade
für die Herden hatte. In Prüden z. B. werden die schön-
sten Ochsen von den Hirten mit Blumen an den Hörnern
geschmückt. Auch die Errichtung des Mals hat sich als
Rudiment erhalten. In Trappold z. B. tanzt man um einen
auf einer Stange aufgerichteten Straufs (Schuster S. 149).
Auch die germanische Maigrafenfahrt, der Maigraf
und Maikönig, der französische roi und der englische
lord of the may, lady of the may ist als Nachhall
der alten Ritterspiele auf der Gerichtsstätte bei den Sieben-
bürger Sachsen der Pfingstkönig und die Pfingst-
königin. In Zepling wird am zweiten Pfingsttag das
Kranzabrennen (ähnlich wie das Hahnabreiten, s. S. 70)
gehalten. Der Sieger in diesem Spiel heifst: der Pfingst-
könig; ihm gehorchen die Kameraden im lau-
fenden Jahr. Bei den Magyaren vertraten in der Tat
eine Zeit lang die Pfingstkönige die eigentlichen Behörden *).
» S. mein Werk: „Aus d. Volksl. d. Magyaren* S. 56.
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- 73 —
„Man hat darauf hingewiesen," schreibt Lippert (S. 636)
„dafs es in England einst Sitte gewesen sei, die - Königs-
wahl, beziehungsweise Königskrönung an Pfingsten .vorzu-
nehmen, und gemeint, dafs man dabei an die besondere
Einwirkung des heiligen Geistes gedacht habe. Das kann
sein, aber die Sitte überhaupt, alle auf die öffentliche Ord-
nung und das Gemeinwesen bezüglichen Wahlen im Maifelde
vorzunehmen, ist doch viel älter. Aus ihr ist halb und halb
als Spiel die Wahl der Maikönige und Schützenkönige ent-
standen, und insofern die Bräuche des Maifeldes auf Pfing-
sten fielen , ist daraus die Wahlzeit geworden. Die Mai-
könige, Maigrafen, Blumengrafen, Lattichkönige, selbst der
bairische Pfingstlümmel und Wasservogel sind von Schwaben
bis Schweden analoge Figuren desselben Spiels. Ein gleiches
begann in Böhmen mit umständlichen Vorbereitungen sehon
eine Woche vor Pfingsten, weshalb der Sonntag Exaudi
auch „Königssonntag" hiefs. Früher, doch noch in unserem
Jahrhunderte, konnte man noch einige Spuren des Ernstes
in demselben finden, indem man den tüchtigsten Hauswirt
zum Könige und die fleifsigste Hausfrau zur Königin wählte.
Später fiel die Wahl auf Personen vom Gesinde, und man
würde sich nicht wundern dürfen, den Brauch bald allen-
falls nur noch als Kinderspiel anzutreffen. Maikönige wählt
man auch noch in Brandenburg zu Pfingsten,' ebenso in
einigen Orten Thüringens und auch im Harz." Dies also
ist der geschichtliche Entwickelungsgang auch der Wahl
der siebenbürgisch-sächsischen Pfingstkönige.
Am Pfingsttag wurden vordem in Seiburg die drei
Königinnen gemacht. Drei Mädchen wurden von den an-
deren dazu ausgewählt, und diese, von den Müttern hübsch
aufgeputzt, unter Gesang zum Tanzplatze geführt (Hai -
trich-Wolff S. 286). In Stein werden drei Königinnen
gewählt, die auf einem Bottich sitzen, um welchen die
Jugend tanzt (Schuster S. 149). Auch zu Pfingsten ist
es Brauch , um die Obstbäume ein Strohband zu winden
und Attich vom Friedhof zu sammeln. Die Geisterwelt tritt
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bei diesem Feste nicht so sehr in den Vordergrund, wie
bei den anderen Festzeiten. „Wo man nämlich auf Pfingsten
die Eigenschaft des alten Kultfestes nicht übertragen, son-
dern blos durch die Lieblichkeit der Jahreszeit und die
Rast der Feldarbeit gereizt, mehr des Genusses wegen einige
Formen von den Nachbarn entlehnt hat, da darf man ein
besonderes Hervortreten der Geisterwelt nicht erwarten."
Dagegen können wir beim folgenden der Sommerfeste, beim
Johannistage, alle die Zaubereien wiederfinden, welche
die Scheidemünze jedes Volksglaubens bilden.
Als Hexenscheucher ist das Johannisfeuer in der halben
Welt bekannt. Auch bei den Siebenbürger Sachsen war es
einst in Brauch; jetzt ist es leider, wie so manche ehr-
würdige Relique, nicht mehr üblich, der Jugend kaum mehr
dem Hörensagen nach bekannt. Vor Jahren wurde noch
in Relling ein mit Stroh umwundenes brennendes Rad vom
Turme herabgeworfen. Solche Räder wurden in anderen
Ortschaften von Bergen herabgerollt. In Lafslen liefen die
Kinder lärmend und jauchzend mit Strohfackeln umher
(Schuster S. 150). Dies Alles geschah, dafs „die Früchte
gedeihen und der Hagel ausbleibe." Alle diese Deutungen
sind aber nur die positive Wendung des Gedankens der
Vertreibung böser Einfiüsse der Hexen und Geister. An
manchen Orten wird als Restchen des Malbaumes ein Mast,
der mit Krone und Kranz, bisweilen mit einem bekränzten
Rade geschmückt ist, von der Jugend umtanzt. In Streit-
fort tanzt man um einen Mast, auf welchem oben ein
Wagenrad, Bienenkorb, Kränze aus Johannisblumen und
oft auch Nesseln angebracht sind. In Kleinschenk befindet
sich auch eine Weinflasche an der Spitze des Mastes. Wer
ihn erklettert, leert dieselbe, nachdem er eine „Gesundheit"
ausgebracht. Ahnliche Gebräuche erhielten sich bis zu
Anfang des vorigen Jahrhunderts in Kronstadt auch bei
Hochzeiten (Schuster S. 50). In Neudorf reitet in der
Nacht die Burschenschaft mit Lärm und Gejohle aus, um
die Feldbrunnen zu reinigen.
— 75 -
Dieser Tag ist wieder die rechte Zeit des Zauberns.
Spinnen zwei Weiber, die gute Freundinnen sind, am Jo-
hannistage, während man die Abendglocke läutet, zusammen
einen Faden und zwar so, dafe die eine spinnt, die andere
den Rocken hält und teilen sie dann diesen Faden und
tragen ihn bei sich, so bewahrt er sie vor allerlei Unglück
und macht sie glücklich in der Liebe (Archiv d. Ver. f.
sieb. Landesk. 4, 251). Am Johannistage kann man er-
fahren, wer aus der Familie bis zum nächsten Sommer
stirbt. Man windet aus Johannisblumen so viele Kränze,
als die Familie Glieder zählt, wirft die Kränze einzeln drei-
mal aufs Dach und wessen Kranz oben bleibt, der mufs
bis zum nächsten Sommer sterben (Haltrich-Wolff
S. 287). Fängt man am Johannistage einen Frosch, so soll
man ihn zu Pulver brennen und mit diesem Pulver Sachen
bestreuen, die man verkaufen will; man wird viele und
gute Käufer bekommen. Mischt man etwas von diesem
Pulver in Trank oder Speise eines Menschen, so erweckt
man in ihm Liebe. Will die Maid sich die Treue ihres
Liebsten sichern, so grabe sie seine und ihre eigene Fufs-
spur an diesem Tage und werfe diese Erde ins Feuer; nie
wird der Bursche von ihr lassen können. Unfruchtbare
Weiber sollen an diesem Tage sich Wasser aus dem Tauf-
becken heimlich aneignen und sich damit waschen. Soll
das Vieh im Laufe des Sommers in jeder Beziehung ge-
deihen, so soll man ihm an diesem Tage ein zerbrochenes
Hufeisen in den Trinktrog werfen und das Vieh so trinken
lassen; am Abend aber werfe man das Hufeisen weg; da-
mit schleudert man auch jede dem Tiere bevorstehende
Krankheit hinaus. Am Johannistage darf an vielen Orten
nicht gearbeitet werden; sonst kommt Unglück über die
Gemeinde (Haltrich-Wolff S. 287). Vor dem Blitz
kann man an diesem Tage auch die Gebäude für den
kommenden Sommer dadurch versichern, dafs man Kohlen-
stückchen neben dem Gebäude in die Erde eingräbt. Zu
dieser Zeit blühen auch die unterirdischen Schätze; aber
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nur Sonntagskinder sehen das Blühen und können die
Schätze heben. In der Woche nach Johanni, der sogenann-
ten Riselwoche, darf man nicht in die Weingärten gehen,
sonst verdirbt die Lese (Schuster S. 150). —
Der Petri- und Paulitag ist an den meisten Orten
als Volksfest nur an des Johannistages Stelle getreten und
hat dessen Festgebräuche entlehnt. In Trappold wird ein
Mast mit Kirschen und Backwerk behangen und darum
getanzt. In Felldorf befindet sich auf dem Mast eine
Krone, darin ein kleiner Käse, eine hölzerne gefüllte
Weinflasche, Johannisbeeren. Die Burschen versuchen den
Mast zu erklettern. In Nadesch hält der, dem es gelungen
ist, den Mast zu erklimmen, eine Rede. An manchen
Orten wird oben auf den Mast ein Wagenrad, mit Blumen
und Nesseln umwunden, befestigt (Schuster S. 151).
An diesem Tage darf man nicht baden, denn man könnte
ertrinken (vgl. B i r 1 i n g e r , Aus Schwaben 1 , 388).
Mit dem Laurentiustag ist die Badezeit vorUber; es heifst:
Lirenz pischt än de bäch (Lorenz pifst in den
Bach) oder der Hirsch pifst in den Bach, und
wer dann badet, bekommt einen unheilbaren Hautaus-
schlag. —
Um den begonnenen Festkreis abzuschliefsen , müssen
wir noch zweier Festtage gedenken, in denen Anfang und
Ende der Herbstfestzeit in seinen allerletzten Rudimenten
erhalten blieb. „Den Ausgangspunkt der Herbstfestzeit,"
sagt L i p p e r t (S. 651), „dort zu suchen, wo der des
Frtthlingsfestes liegt, wird wohl nun niemand mehr für
gewagt halten. Er liegt in der Vereinigung gröfserer oder
kleinerer Organisationsgruppen des Volkes an ihrer Ding-
stätte, sei es nun, dafs die Männer um diese Zeit aus dem
Kriege oder von der Sommerweide zurückkehrten, oder
wie in späterer Zeit von ihrer Feldarbeit weg den öffent-
lichen Angelegenheiten der Gemeinde sich zuwandten und
die Anstalten trafen, um vor dem Übergange in die
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Winterszeit ihr Hauswesen entsprechend zu besorgen. Wir
werden also dieselben Anlasse und dieselben Elemente der
Festzeit wieder finden: Die Volksversammlung und das
Gericht, den Tausch und Kauf oder die „Messe" im
engeren Sinne und das unvermeidliche Mal." Auch heut-
zutage werden die meisten Jahrmärkte um diese Zeit ab-
gehalten. Der Michael- und Gallustag bezeichnete auch
für die Siebenbürger Sachsen den Angang des Herbstes.
Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts wurden diese Tage
in Kronstadt z. B. festlich begangen. Tanz um den Mast
und Hahnenschlagen durfte nicht fehlen (J. T e u t s c h in
den Blättern für Geist, Gemüt 1836). Heute sind selbst
die sogenannten Michaeli-Termine für Wohnungswechsel,
Zahlungen usw. aufser Brauch gesetzt worden, sowie auch
die Martinischmäuse mit obligater Martinsgans allmählich
abgekommen sind. Dem „Jugendbund" in Mühlbach ge-
bührt das Verdienst, den alten Brauch des „Martini-
schmauses", sowie manchen anderen altehrwürdigen Brauch
wieder ins Leben gerufen zu haben. Hie und da hat die
Andreasnacht für Mädchen die Bedeutung der Thomas-
nacht, indem der künftige Geliebte erforscht wird. Legt
die Maid in der Andreasnacht ein Männerkleid unter ihren
Kopf und schläft sie darauf, so erblickt sie im Traume
ihren zukünftigen Gatten. Stellt sie um Mitternacht drei
brennende Kerzen vor den Spiegel, so erblickt sie im
Spiegel ihren zukünftigen Ehegatten. Spinnt die Maid
an diesem Tag einen Faden und bindet sie diesen heimlich
an ein Kleidungsstück eines Burschen, so wird dieser in
Liebe zu ihr entbrennen. —
Wir wären somit an den Schlufs unserer Zusammen-
stellung der Festgebräuche der Siebenbürger Sachsen an-
gelangt, die so manchen Baustein zu einer Sammlung und
Erklärung der Festgebräuche aller deutschen Stämme
liefert. Es zeigen aber auch diese Festgebräuche, wie
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nachhaltig die Macht der Gewohnheit ist, auch wenn ihr
längst der säftezuführende Boden entzogen zu sein scheint.
Diese Festformen waren schon lange als von bestimmten
Lebensformen bedingt da, ehe man davon den Begriff einer
Feier zu abstrahieren versuchte. Man feierte nicht der
Götter wegen, sondern mit ihnen; deshalb ist es auch
höchst überflüssig, in den Rudimenten dieser Texte nach
allen möglichen und unmöglichen Mythen zu fahnden.
III.
Segen und Heilmittel.
raft
it dem Aberglauben," sagt unser hochverehrter
^ Altmeister Karl Weinhold (in der „Zeitschr.
des Ver. f. Volkskunde" I, S. 6), „hängt die
Volksmedizin zusammen, d. i. jene über alle Völker gleich
dem Aberglauben verbreitete Heilkunde, die auf die ver-
schiedensten Quellen: Religion, Zauberei und frühere
Perioden der Medizin zurückgeht." Sie gehört einem niederen
Vorstellungs- und Glaubenskreise an, der weder christlich
noch heidnisch ist, sondern eine Wucherbildung. „Im ger-
manischen Heidentum gab es einen Aberglauben und
ein Zauberwesen, abgesondert und feindlich gegen die
eigentliche Volksreligion und den anerkannten Gottesdienst.
So ist es überall gewesen und so ist es noch heute. Aber-
glaube ist an keine Nation und keine bestimmte Religion
gebunden, sondern ein allgemein Menschliches."
Die Behandlung der menschlichen Krankheiten durch
Kultmittel reicht in das höchste Altertum hinauf. Bei den
Siebenbürger Sachsen fristen die diesbezüglichen Anschau-
ungen und Bräuche nur an besonders gehegten Plätzen
eine zum Teil noch immer üppigere Existenz, als man dies
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aus den bislang veröffentlichten, spärlichen Berichten der
einheimischen Volksforscher erschliefsen könnte. Vor den
Augen der Lehrer und Geistlichen ziehen sich solche volks-
religiöse Niederschlage bei den Sachsen ebenso wie bei
jedem anderen Volke, das in dem Rahmen unserer kom-
plicierten Bildung etwas zählt, scheu zurück; für den
Kulturhistoriker aber gewähren diese Segen und Heilmittel
eine reiche Ausbeute, indem sich für die Erkenntnis früherer
Zustände so mancher wertvolle Beitrag gewinnen läfst, der
von den Sachsen bei ihrer Einwanderung aus ihrer deut-
schen Heimat nach Siebenbürgen mitgebracht, sich hier
ungestört Jahrhunderte lang erhielt, um jetzt bei eindring-
lichem Studium einen Baustein zur germanischen Kultur-
geschichte zu liefern.
Die Art, wie diese Segen und Heilmittel bei den Sieben-
bürger Sachsen „fortgepflanzt werden, ist verschieden,"
schreibt der verdienstvolle Siebenbürger Gelehrte Fried.
Wilh. Schuster (Siebenb. sächs. Volkslieder S. 481);
j,sie sind Geheimnis und dürfen nicht ohne weiteres mit-
geteilt werden. Entweder der „ R e d e r tt oder „Beszer"
(Büser) oder „Kundige" murmelt seine Worte leise für
sich hin, wer sie versteht und behält, ist glücklich, er mag
sie mit gleichem Erfolg gebrauchen ohne Nachteil für den
ersten Besitzer; oder der Kundige teilt sie zwar ohne wei-
ters mit, aber nur einem Jüngern, weil sie sonst für ihn
selbst ihre Wirkung verlieren würden; oder endlich die
Formel mufs dem, der sie erwerben will, »von einem alten
Weibe zur linken Hand eingeimpft und nachher
behutsam gebraucht werden«. In welcher Weise die Ein-
impfung geschieht, habe ich nicht ermitteln können."
Diese Einimpfung habe ich zweimal in meinem Leben
und zwar auf zwei verschiedene Arten gesehen. Das erste
Mal war es die Kellinger Magd Marie Klusch (genannt
Wilesch), welcher ihre schwerkranke Mutter im Jahre 1884
zu Mühlbach die Kunst, das Fieber zu „büfsen" (besen),
auf folgende Weise einimpfte: Die Mutter ritzte sich mit
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einer neuen, nie gebrauchten Nadel die linke Brust, liefs
daraus einen Tropfen Blut auf eine Abendmahlhostie rinnen,
legte dieselbe in die linke Handfläche ihrer Tochter und
stach nun mit der neuen Nadel dreimal durch die Hostie
hindurch in die Handfläche der Tochter, wobei sie sprach:
„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes!
Was mir gegeben haben die drei Wenken, das geb' ich
dir mein Blut mit meinem Blut, damit dir Herr Satan auf
dem Hoprichberg nie schade!" Nun mufste die Tochter
die blutige Hostie verschlucken, worauf ihr dann von der
Mutter das unten beim Fieber mitgeteilte Mittel verkündet
ward. Die Wenken, welche die Mutter erwähnt, sind, wie
sie erklärte, „schwarze kleine Frauen, die im Walde wohnen
und gar klug sind" (vgl. Schuster a. a. 0. S. 489); in
einer Formel bei Schuster (S. 490) kommt der Huiprich-
berg vor. Ob dieser Berg nicht etwa mit dem Berg des
Teufels verwandt ist, der im Magyarischen auch „hopziher"
heifst? (s. Ipolyi, Magyar Mithologia = magy. Myth. bei
„ördög").
Bei einem anderen Fall, wodurch eine gewisse Frau
Markus in Mühlbach im Jahre 1887 die „Kunst gegen das
schlagende Feuer" (Blitz) von ihrer Mutter ererbt haben
6oll, war das Verfahren etwas verwickelter. Die Tochter
mufste sich in der Set. Laurentiusnacht (10. August) ganz
entkleidet im Freien rücklings niederlegen, worauf die
Mutter mit glühenden Kohlen rings um sie einen Kreis zog.
Lorenzikohlen bewahren beim bayerischen Volk vor Feuers-
brunst (M. Hoefler in d. „Zeitschr. d. Ver. f. Volksk." I,
S. 300). Dann schritt die Alte dreimal über ihre Tochter
hinweg und träufelte ihr drei Tropfen Blut in die linke
Handfläche. Wenn nun bei schlagendem Feuer oder bei
einer Feuersbrunst ein Kleidungsstück der Frau Mar-
kus rings um die Feuerstätte getragen wird oder gar sie
selbst, und zwar nackt, die Brandstätte laufend dreimal um-
kreist, so mufs das Feuer sogleich gelöscht und gedämpft
werden können ; so berichtete sie meiner seligen Mutter. —
Wlislocki, Volksglaube u. Volksbrauch d. Siebenb. Sachsen. 6
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— 82 —
Nicht nur einzelne Eingeweihte, Männer und Weiber,
die mit Eifersucht und gläubischem Sinn ihre Kunst und
ihr Wissen hüten, wenden solche Segen und Heilmittel an,
sondern jeder Bauer und jede Bäuerin kennt mehrere solcher
Formeln und Mittel, der eine fUr dies, der andere für
jenes Leid und Uebel; ist aber Gefahr vorhanden, da mufs
der Büfser oder die Büfserin helfen, von denen es in fast
jedem Dorfe zwei, drei gibt. Der eine kann von diesem
Leiden befreien, jener jene Arten von Krankheiten bannen ;
dieser kann gegen Böses und Uebles in der Zukunft feien
oder das wankende Glück befestigen, jener hingegen von
gegenwärtigem Leid und Uebel, von gegenwärtiger Krank-
heit befreien. —
Indem ich die von Anderen bislang veröffentlichten
Segen und Heilmittel der Siebenbürger Sachsen bei Seite
lasse, teile ich nun im Folgenden alles Diesbezügliche aus
meinem Jahre lang gesammelten Material mit, ebenso das
aus der handschriftlichen Sammlung meines Grofsvaters
Andreas Roth (s. Vorwort), was hierauf Bezug hat.
* *
*
Gegen „böse" Augen (bisz uchen) hilft das am Oster-
morgen aus zwei Graben, die sich kreuzen, geschöpfte
Wasser. Während des Schöpfens spricht man: „Der hei-
lige Tobias ist blind geworden und er bat Gott, dafs er ihn
sehend mache; und Gott machte ihn sehend. Da bat der
heilige Tobias Gott: „Gib mir die Kraft, böse Augen zu
heilen, Blindheit zu brechen!" Und Gott sprach: „Wer
böse Augen hat, der blicke auf eine Schwalbe und spreche
deinen Namen aus!" — Wer an Augenweh leidet, der rufe
beim Anblick der ersten Schwalbe den Namen „Tobias"
oder „Thomas" aus und wische sich dabei das Auge mit
einem Kleidungsstück, das einer Tobias oder Thomas ge-
nannten Person gehört (Roth; vgl. Kristoffer Nyrop,
Navnets Magt, Separatabzug aus „Mindre Afhandlinger",
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— 83 -
Kopenhagen 1887). — Wer etwas im Auge hat, der spreize
mit den Fingern das andere Auge auf und ahme das Nielsen
nach, so geht der Gegenstand aus dem Auge heraus. —
Gegen Flecken im Auge blicke man in den Vollmond,
und indem man mit einer Scheere auf den Mond zeigt,
spreche man: „Mond, du hast Flecken im Auge; ich
schneide deine Flecken ab; schneid' du die meinen ab u
(aus der Ortschaft Reufsmarkt). Gegen Augenstaar teilt
die erwähnte Handschrift folgendes Mittel mit: Man lege
neun Tage hindurch täglich einmal warme Tierleber auf
das Auge und spreche beim Auflegen derselben:
Dudela, die heilige Frau,
Ward blind geboren,
Ward blind auferzogen,
Sie safs im wilden Wald allein
Und weinte auf marmelnem Stein.
Kam einher der schwarze Mann,
Schlug sie ins Aug 1 mit grünem Ast:
Jesus Christ, der du gekreuzigt bist,
Mach' rot, was rot ist; grün, was grün ist,
Mach' weifs, was weifs ist; nimm das
Schwarze weg, im Namen Gottes. Amen!
Was und wer unter Dudela (Tutela) zu verstehen ist,
weifs ich nicht. In Schusters Sammlung (a. a. O. S. 311
u. 491) kommt eine halbwegs ähnliche Formel gegen Flecken
im Auge vor, wobei eine „Duidelgh" erwähnt wird, deren
Bedeutung der Herausgeber nicht erklären kann. — Wer
in die Verunreinigung auf einem Kreuzwege tritt, bekommt
am Auge ein Gerstenkorn (vgl. F. S. Kraufs „Katzen-
sporn" in seiner Zeitschr. „Am Ur-Quell u 1892, III. Bd.).
Dies Gerstenkorn vertreibt man, wenn man es dreimal mit
einer Totenhand wischt und dabei die Worte murmelt:
„Wer dich gesät hat, ernte dich ab; wer dich erntet,
schneid' dich ab und trag' dich ins Grab!" (Roth). Oder
man blicke durch ein Reibeisen, kehre dann dasselbe auf
die andere Seite und speie rasch durch die Löcher hin-
durch; dadurch wehrt man das einmal durch die Löcher
6*
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— 84 -
beim Hindurchblicken sich entfernende Gerstenkorn an der
etwanigen Rückkehr (vgl. dazu Prahn in der „Zeitschr.
d. Ver. für Volksk." I, S. 192). Ein anderes, auch den
Rumänen Siebenbürgens bekanntes Mittel gegen das Gersten-
korn besteht darin, dafs man dasselbe mit den menses einer
Jungfrau einreibt. —
Gegen Ausschläge am Leibe wird ein Baumstamm
so entzwei gespalten, dafs das eine Ende desselben noch
lose zusammenhängt; durch die also entstandene Spalte
mufs sich der Kranke hindurchzwängen (vgl. Haltrich-
Wolff a. a. O., S. 264). Nach dem Hindurchzwängen soll
man ihm die Formel vorsagen : „Heilige drei Frauen, sollen
die Wunden schauen, sollen bei mir weilen, bis die Wunden
heilen; sollen die Wunden im wilden Wald verstecken, da-
mit sie dort verrecken im Namen Gottes des Herrn! Amen!"
Dabei soll man die wunden Stellen des Leibes „bekreuzen",
d. h. über sie in der Luft das Zeichen des Kreuzes
machen. —
Gegen Beulen, die man durch einen Schlag auf einen
Knochen davongetragen hat, nehme man ein Messer und
drücke mit demselben kreuzweise die Beule, wobei man zu
sprechen hat: „Jesu Gnad' ich immer find', Beule ver-
schwind'! Wie das steinerne Kind in Mariens Leib, das
ihr der Teufel, nach Jesu Geburt, hat schenken wollen"
(Roth). Oder man spricht dabei die Worte: „Beule, eile;
Eil' in den Grund; Frefs' dich der Hund; Frefs' dich der
schwarze Mann, Damit er nicht mehr bellen kann" (aus
der Ortschaft Neppendorf, wo mir eine Bäuerin erzählte,
dafs die kleinen Kinder deshalb so oft zu Boden fallen und
Beulen davontragen, weil sie den schwarzen Mann in der
Erde bellen hören. Fällt ein Kind zu Boden, so besänftigt
man es dadurch, dafs dem Erdboden Schläge versetzt, wobei
man ruft: „Na, wart' nur, du böser schwarzer Mann!" Allem
Anschein nach scheint dieser schwarze Mann ein elbisches
Wesen zu sein.
Gegen Bettnässen soll der Kranke die pudenda
)
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- 85 -
eines Schweines essen oder in ein offenes Grab urinieren
und die Worte sprechen: „Heilige Katrein, du sollst bei
mir sein! Benimm meine Schwäch' !" (Roth; vgl. Prahn
a. a. O. S. 192).
Bei Blutarmut soll man Nägel und Haare des Kranken
bei zunehmendem Monde unter einen Rosenstrauch vergraben
(aus Kronstadt). —
Blasen auf der Zunge entstehen, wenn man von
anderen Leuten beschändet wird (s. Schuster a. a. O.,
S. 312 u. 492). Man spuke in die Fufsspur eines Menschen
und spreche: „Blatter, Blatter, wandre zum bösen Gevatter"
(Roth).
Zum Blutstillen dienen folgende Formeln:
„Es waren drei sündige Frauen,
Die gingen Blut zu schauen;
Die eine sagt: es soll gehn,
Die andre sagt: es soll stehn,
Die dritte sagt: Blut steh' still,
Das ist Gottes Will',
Blut mit Blut, Bein mit Bein,
Halt' fest wie Stein;
Sollt nicht bluten, sollt nicht schwären,
Bis Mutter Gottes wird ein Kind gebaren"
(vgl. Prahn a. a. O., S. 195). Dann soll man die Wunde
mit der Schürze einer feilen Dirne verbinden (Roth). —
Ein anderes Mittel ist das folgende : Man schreibe mit dem
Blute die Buchstaben J N R J auf ein Stückchen Holz und
werfe dies in den Brunnen, wobei man zu sprechen hat:
„Drei Brunnenfrauen wollen Blut schauen. Sie sprechen:
Blut steh' stille, das ist Gottes Wille! Aus diesem Holz
war das Kreuz, daran Jesus hing! Amen!" (Roth). —
Eine andere Formel lautet: „Drei glückliche Stunden sind
in die Welt gekommen. In der ersten Stund' ist Gott ge-
boren, in der andern Stund' ist Gott gestorben, in der
dritten Stund* ist Gott wieder lebendig geworden. Blut, ich
befehle dir, stehe still zur Stunde, heile die Wunde, damit
N. N. in der dritten Stund' gesunde" (aus Petersberg; vgl.
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- 86 —
die Nachweise bei Ammann in der „Zeitschr. d. Ver. f.
Volksk." I, S. 203). — Gegen Blutungen der Beermutter
(Gebärmutter, vgl. Schuster a. a. O., S. 488) und allzu-
heftige menses wasche man den leidenden Teil mit Rosen-
wasser, dem pulverisierte Eichenrinde beigemengt ist;
während man das gebrauchte Wasser an einen Baum giefst,
spricht man die Formel:
Beermutter safs auf marmelnem Stein,
Kam ein alter Mann zu ihr herein.
„Beermutter, wohin willst du gehn?"
Ich will zur N. N. gehn,
Ich will ihr Blut sehn,
Ich will ihr Herz verzehren,
Ich will ihr Leben nehmen.
„Beermutter, das sollst du nicht tun,
Du sollst im marmelnem Stein ruhn,
Die Waldfrau soll dich fressen,
Als wärst du nie gewesen!
Im Namen Gottes, des Sohnes und hl. Geistes."
(Aus der Ortschaft Urwegen.) —
Gegen den Bruch koche man aus Hanfsamenmehl
einen Brei, binde denselben auf den Bruch und während
man über zwei zusammengewachsene Hollunderzweige uri-
niert, spricht man die Formel, den Bruch mit der Hand
streichelnd :
(Roth; vgl. Frischbier, Hexenspruch und Zauberbann
usw., S. 42). —
Gegen wunde Brüste lege man der Wöchnerin
Baumwachs mit Gänsefett und feingeriebenen Rüben ge-
mischt auf; den gebrauchten Verband aber nagele man an
den Torbalken eines fremden Hauses.
Gegen die Darre, das Hundsalter (Eiterlein).
Darre nennt man die Abzehrung bei Kindern. Hai t rieh -
Wolff (S. 263) berichtet darüber: „Wenn Kinder, junge
Tiere und Bäumchen nicht recht wachsen und welk aus-
Ich seh 1 , dafs es wächst,
Ich streich's, dafs es vergeht!
- 87 -
sehen, so sagt man, sie hätten das Hundsalter oder sie
seien verknorzt. Die Mittel, die man zur Heilung oder
vielmehr zur Verbannung des Hundsalters anwendet, sind
zum Teil dieselben, durch die der Volksglaube den Alben
(alf) glaubt zwingen zu können, das gestohlene gesunde
Kind zurückzubringen. Der Alf raubt der unbesorgten
Wöchnerin ihr eigenes Kind und legt ihr einen dickköpfigen,
verkrüppelten, blöden Wechselbalg, ein Alfenkind, in die
Wiege. Wenn man das Alfenkind peinigt, in heifsem
Wasser brüht, dann bringt der Alf das rechte Kind zurück
und nimmt den Balg wieder mit sich fort. Daran glaubt
man in Westpreufsen, Irland (Ungarn) und hat das Mittel in
manchem deutschen und slavischen (magyarischen) Dorfe 1 )
versucht. Aehnlich scheint man einmal auch bei uns mit
hundsalterigen Kindern umgegangen zu sein.
Nach dem Brotbacken, heilst es, stecke man das Kind,
das mit dem Hundsalter behaftet ist, in den Ofen, der aber
so heifs sein mufs , wie das Kind es nur aushalten kann ;
die Krankheit mufs dann entweichen und das verknorzte
und knibeduzige Kind knüpft auf und wächst. Das-
selbe Mittel empfiehlt die im Anhang zur ersten Ausgabe
der Grimmschen Mythologie abgedruckte Chemnitzer Rocken-
philosophie unter Nr. 75.
Ein anderes, aber schwierigeres Mittel ist dies: es wird
mit zwei mächtigen Keilen an einem stehenden Baum eine
Spalte gemacht, die nur so grofs, dafs das hundsaltrige
Kind gewaltsam durchgezogen werden kann. Geschieht
dies, so mufs das Kind wachsen. Auch für dieses Ver-
fahren gibt Grimms Mythologie 3, 1118 aus alter und neuer
Zeit mehrfachen Beleg. Eine annehmbare Deutung des
Aberglaubens hat Felix Dahn in der ersten Reihe seiner
Bausteine auf S. 77 gegeben. Er sagt: „Wenn nach kym-
rischem wie nach semitischem, nach böhmischem wie nach
*) S. raein Werk: „Aus d. Volksleben der Magyaren", München
1892, Huttier) im Abschn. Hexenspruch.
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— 88 —
altbairischem Aberglauben Kranke, insbesondere Hautkranke,
durch enge, kaum für den Menschenleib zu passierende
Spalten und Löcher in Felsen, Höhlen und Bäume schlüpfen
müssen oder gezogen werden, so soll die Krankheit an den
schürfenden Kanten des Spaltes hängen bleiben, an sie hin
abgestreift werden; man will den Göttern handgreiflich
vormachen, was man von ihnen erwartet."
So weit Hai tri ch- Wo 1 ff. Bezüglich des Ausdrucks
„Hundsalter" erwähne ich hier nebenbei den magyarischen
Volksglauben, demzufolge jeder junge Hund auffallig ab-
magern mufs und dann erst gedeiht und wächst. Diese
Krankheit nennt man magyarisch: zsigora.
Roth teilt aus Grosschenk in der erwähnten Hand-
schrift neben den von Haltrich-Wolff bereits an-
geführten noch folgende Mittel gegen die Darre mit, die
man seinem Berichte gemäfs dadurch bekommt, dafs einem
Katzenhaare in den Magen kommen (vgl. T Oppen, Aber-
glaube aus Masuren etc., Danzig 1867, S. 52). Eine Hand-
mtihle wird auf die Türschwelle gestellt; auf den Stein der
Mühle setzt die Mutter das kranke Kind, und während sie
den Stein langsam dreht, ruft die Patin des Kindes zum
Fenster herein: „Was mahlst du, Frau des Pilatus?" Die
Mutter antwortet: „Die Gerechtigkeit der Juden." Die
Patin fragt: „Was machst du damit?" — „Ich gebe sie
der Darre." — Die Patin sagt nun: „Mahl', mahl', damit
die Darre verrecke und das Christenblut sich strecke
(wachse)!" (vgl. Frischbier a. a. O., S. 44). — Ferner
heilst es: Man brate den Magen einer Katze mit Peter-
silie und Holunderbeeren und gebe dies dem kranken
Kinde ein.
Gegen die Epilepsie, die Roth die „schedelnde
Gottesstraf" (schüttelnde Gottesstrafe) nennt, teilt er fol-
gende zwei Mittel mit: Wenn der Kranke vom Siechtum
befallen wird, so binde man ihm mit einem breiten Riemen
eine lebendige Kröte zwischen die Schultern und spreche:
„Kröten kommt heraus aus eurem Haus; man ladet euch
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zur Leich'!" (vgl. Schuster a. a. O., S. 286 Nr. 108).
Nach drei Tagen lege man heimlich den Riemen samt der
verreckten Kröte einem Toten in den Sarg. Während die
Leiche eingescharrt wird, spreche man: „Im Namen des
Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes begrabe ich
diese Kröte und die »schedelnde Gottesstrafc des N. N.,
damit sie bis zum jüngsten Tage hier bleibe" (vgl. O s w.
v. Zingerle in der „Zeitschr. d. Vereins für Volksk." I,
S. 175). — Oder man gebe dem Kranken pulverisierte
Mäusegedärme jeden Tag vor Sonnenaufgang ein und
spreche jedes Mal die Worte : „Drei Brunnen-Frauen wollen
dich Mäuschen fangen; kriech' zu einem Loch hinein, zum
andern hinaus und nimm die »schedelnde Gottesstraf« mit
dir; trag' sie in einen Baum, dort soll sie wachsen und
grünen, sich schütteln und verdorren!" — Sobald der Sieche
von seiner Krankheit befallen wird, so reifse man ihm
das Hemd vom Leibe und hänge es bei abnehmendem
Mond an einen Baum, der an einem Kreuzwege steht (aus
Kronstadt). —
Gegen das Fieber ist unter den Sachsen der Brauch
allgemein verbreitet, dafs der Kranke über seine Stuben-
türe die Worte schreibt: „Fieber bleib' aus, ich bin nicht
zu Haus!" (vgl. Frischbier a. a. O., S. 50). Oder er
schreibt diese Worte mit dem Blute seines linken kleinen
Fingers auf ein Baumblatt und verschlingt dies bei ab-
nehmendem Mond. Oder man schreibt mit dem Urin des
Kranken auf neun Nufsbaumblätter den Spruch: „Nufs-
baum, ich bitt' zu dir, Nimm die neunundneunzig Fieber
von mir" (Reufsmarkt, Kronstadt). Man nehme drei Salbei-
blätter und schreibe mit dem Blute des Fieberkranken auf
ein Blatt die Worte: „Weifst du was," auf das andere:
„geh' hinaus!" und auf das dritte: „geh' ins Totenhaus!"
Von diesen Blättern soll der Kranke ungesehen das eine
essen, die beiden anderen aber (ohne sie zu lesen) in einen
Grabhügel einscharren. Hat er zufallig das Blatt gegessen,
auf welchem „weilst du was!" stand, so verläfst ihn das
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— 90 —
Fieber (Roth). Ein anderes Verfahren teilt die Hand-
schrift mit. Es heilst: Man schreibe mit dem Blute des
Fieberkranken dies „Gebetchen" auf ein Blatt Papier :
Drei weifse Wenken gingen durchs Land,
Begegnet ihnen der Heiliand:
Ihr Wenken, wohin wollt' ihr gehn?
„Wir wollen zum N. N. gehn,
Wir wollen sein Herz schütteln,
Wir wollen sein Gedärm rütteln,
Wir wollen sein Blut lecken,
Wir wollen seine Glieder strecken."
„Weifse Wenken, das dürft ihr nicht tun,
Ihr sollt hier im Brunnen ruhn,
Bis ich schreib' ein neues Evangelium."
Diesen Zettel reifst der Kranke in drei Teile und wirft
dieselben vor Sonnenaufgang einzeln in einen Brunnen mit
den Worten:
Geht in den schwarzen Wald,
Da springen drei Brunnen kalt,
Der ein ist der isri,
Der ändert der nisri,
Der dritt der pisri!
Da sollt ihr drei Wenken ruhen!
Nun uriniert der Fieberkranke in den Brunnen und trinkt
neun Tage hindurch jedes Mal vor Sonnenaufgang Wasser
aus diesem Brunnen. Bei Schuster (S. 302) findet sich
eine ähnliche Formel gegen das Fieber vor, in der aber
nur zwei Brunnen genannt werden, hongy und Wenk, wo-
bei Schuster (S. 489) an den germanischen „Mimirs-
brunn" denkt. —
Die Flechte streichelt man mit dem Schwanz der
Katze, verbrennt dann einige Katzenhaare zu Pulver, be-
streut damit die Flechte und spricht:
Leb' wohl, Flechte,
Reich' mir die Rechte.
Reich' sie zum Abschied,
Geh', wohin der Wind zieht!
(Aus Grossau.)
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— 91 -
Oder man bestreut sie mit der Asche eines Birkenruten-
besens oder mit Tabakssaft aus einem Pfeifenrohre (aus
Kronstadt). —
Gegen die Fufssparr, d. h. Schmerz in den Len-
den, bindet man um den leidenden Körperteil das Haupt-
haar einer Jungfrau und spricht : „Fufssparr, ich bind' dich
mit Jungfernhaar; nicht neunmal — achtmal; nicht acht-
mal — siebenmal; nicht siebenmal — sechsmal; nicht
sechsmal — fünfmal; nicht fünfmal — viermal; nicht vier-
mal — dreimal; nicht dreimal — zweimal; nicht zweimal
— einmal, spring' übers Haar neunundneunzigmal und
brich dir die Füfse hundertmal" (aus Grofspold; vgl.
Frischbier S. 58). —
Gegen die Gelbsucht kennen auch die Sachsen
das Allerweltsmittel : In eine ausgehöhlte Gelbmöhre uriniert
der Kranke und hängt dann dieselbe in den Rauchfang.
So wie der Inhalt der Möhre verdampft, verschwindet auch
die Krankheit. Als ich 1886 an der Gelbsucht litt, sprach
eine sächsische n Büfserin a aus Ratsch beim Aufhängen der
Gelbmöhre in den Rauchfang folgende Formel: „Drei gelbe
Frauen nahmen ihre drei gelben Aexte; sie nahmen sie in
ihre gelben Hände; sie legten sie auf ihre gelben Schul-
tern ; sie gingen auf drei gelben Wegen ; sie kamen in drei
gelbe Wälder; sie hackten drei gelbe Bäume; sie gingen
auf drei gelben Wegen und kamen zum gelben Hofe; aus
dem gelben Hofe kamen sie in die gelbe Stube; sie kamen
zum gelben N. N. ; sie schlugen mit den drei gelben Bäumen
die gelbe Gelbsucht tot; sie schlugen sie im Namen Gottes
also tot." Nun warf die Frau drei Holzstücke unversehens
über mein Haupt hinweg. Erschrickt dabei der Patient, so
heifst es : die Qelbsucht fliehe aus dem Leibe. —
Gegen die Gicht legt man stark mit Salz ver-
mengten Kuhmist auf den leidenden Körperteil, welchen der
Besprecher anfafst und die Formel hersagt; „N. N. ich halte
deinen (Arm) im Namen des Gott Vaters, des Gott Sohnes,
des Gott heiligen Geistes ! N. N. ich halte deine siebenund-
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siebzigerlei Gicht; ich halte deine reifsende Gicht, deine
zwickende Gicht, deine heifse Gicht, deine kalte Gicht,
deine schreiende Gicht, deine stumme Gicht, ich halte alle
Gicht mit meiner sündigen Hand, ich sehe alle Gicht mit
meinem sündigen Gesicht und ich befehle beim Namen des
ewigen Gottes, bei der gichtischen (?) Dornenkrone unseres
Herrn Jesus Christus, Gicht, verreck' in diesem Dr . . . ,
siebenundsiebzig Blitze sollen dich zerschmettern, sieben-
undsiebzig Winde auf siebenundsiebzig Berge tragen.
Amen!" — In der handschriftlichen Sammlung Roths
steht gegen die Gicht folgendes Mittel: Man mache aus
dem Bast des Holunders eine Schnur, umwickele damit
den leidenden Körperteil und spreche dabei:
Gicht, ich bind' dich mit der Wecht,
Den Herrn Jesum band man damit;
Jesus ward frei, stieg gen Himmel auf;
Du steig' in die Hölle hinab!
Im Namen Gottes usw.
Bei Schuster (S. 309) lautet eine ähnliche Formel gegen
die Gelbsucht:
Pfui dich, du leidige Gelbsucht!
Du sollst nicht verzehren dieses Leib und Blut,
Du sollst vergehen wie die Weth,
Da man den lieben Jesum mit band!
Das gebeut dir der heiligen Marien traut' Kind.
Die soll dir zu Heil und Busz gesetzt sein:
In nomine etc.
Schuster bemerkt nun hiezu (S. 490): „Bei Weth
erinnert Teutsch (Arch. d. Ver. f. Siebenb. Landeskunde
1858) in einer Anmerkung an weten, althd. binden, womit
auch witu Holz zu vergleichen ist, das sich zu weten ver-
hält wie lignum zu ligare; daraus ist cuniowidi des Merse-
burger Zauberspruchs gebildet. Man könnte in dem Wort
auch blofs einen Saxonismus sehen: Weyd, oder Wet-
Weide (desselben Stammes mit witu) und der Sinn ist
dann : Wie die Weide (Bindweide), womit man Jesum band,
— 93 -
so sollst du vergehen! Ob dabei auf irgend eine Legende
angespielt sei, darf man dahingestellt sein lassen. Fesseln
und Stricke aus Reisig waren ehedem gebräuchlicher . .
Die in dem von uns mitgeteilten Mittel erwähnte Holunder-
schnur erklärt somit — meiner Ansicht nach — die Aus-
drücke Weth und Wecht. —
Gegen eiternde Geschwüre (Ohm = Eiter, Ge-
schwür) legt man Blätter vom Hoflattich oder Wegerich
auf, wirft dieselben nach einigen Stunden in fliefsendes
Wasser und spricht dabei:
Gott und der Ohm,
die stritten miteinander;
Gott gewann,
der Ohm verschwand.
Im Namen etc.
(s. S c h u s t e r S. 306). Hat man eine Eiterbeule am Fufse,
so stelle man sich so in ein fliefsendes Wasser, dafs der
wehe Fufs im Wasser, der gesunde aber am Ufer sich be-
finde, und spreche die Formel: „Unser Herr Jesus ging
über die Brück', da kam der böse Ohm und bifs ihn in den
Fufs. Böser Ohm geh' in den Flufs; Jesus, mein Herr,
heil 7 meinen Fufs! u (aus Mühlbach). Eitrige Geschwüre ist
es gut, in einem Pferdeschädel zu baden (aus Girelsau).
Interessant ist das Mittel, welches Roth mitteilt: Man
nehme eine Trompete, halte sie über das Geschwür und
lasse in das Instrument hineinblasen. Der Leidende spreche
unterdessen: „Heiliger Blasius, du frommer Knecht, tu mir
Recht, erhör' mein Gebet, treib' in den Wald meinen Ohm!"
Ist der Leidende eine Mannsperson, so blase ein Weib in
die Trompete, und umgekehrt. Nach dem Hersagen des
Spruches aber blase die betreffende Person (nicht die
leidende), mit der Trompete gegen einen Wald zugekehrt,
einige Stöfse. —
Gegen das Gebrech oder Verheifsen. Das
g e b r e c h oder ferheisen — schreibt der 1 807 verstorbene
Deutsch-Kreuzer Pfarrer Michael Binder — ist nichts
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— 94 —
als ein Katarrh oder Brustbeschwerung bei Kindern (siehe
Haltrich-Wolff S. 264). Um diese Krankheit zu ver-
hüten, soll man das Kind öfter unter den Rauchfang halten
und sprechen:
Gebrech und gebruch
flieg mit dem rauch in den zug.
Oder man hält das Kind zur Hühnersteige empor und ruft :
Dann bete man ein Vaterunser (Roth, vgl. Haltrich-
Wolff S. 265). Eine andere Formel lautet:
Hat das Kind schon diese Krankheit, so lege man ihm
einen in Lammtalg eingetauchten Lappen allabendlich auf
die Brust In der Frühe reifse man jedesmal ein winzig
kleines Stückchen vom Lappen herab und werfe es in die
Hühnersteige, wobei man zu sprechen hat:
Es waren drei weifse Frauen,
Die gingen morgens im Taue
Und hatten ein Liebesgespräch;
Kam da der Alte mit dem Gebrach
Und machte sie stumm.
0 Alter, Alter, o kumm,
Nimm meines Kindes Gebre*ch.
Im Namen Gottes usw.
Schuster teilt auch ähnliche Formeln mit und bemerkt
(S. 493): „Hühner waren Woden und Hei, vielleicht auch
anderen Gottheiten heilig. In Märchen und Kinderspielen
hat sich Woden selbst in Gestalt eines Hahnes erhalten."
Ohne mich in diesbezügliche Erörterungen einzulassen, führe
ich nur noch ein Mittel an, das ich in Heitau aufgezeichnet
habe: Hat das Kind das Gebrech, so reibe man ihm die
Brust häufig mit Talg ein und forme am dritten Tage der
Einreibung aus einem Teil desselbes Talges eine mensch-
Gebrech und gebrach
flieg mit den Hühnern übers dach.
Hühner-Gekrech
Nehmt das Gebröch !
(Roth.)
- 95 -
liehe Figur und binde dieselbe an den Hals eines Hahnes.
Dem davoneilenden Hahne rufe man einige Mal nach:
Alter Mann, alter Mann,
Meines Kindes Gebröch mitnahm. —
Halsweh bekommt man, wenn man mit Katze oder
Hund aus einem Teller ist (vgl. Frischbier S. 64). Um
sich vom Halsweh zu befreien, soll man in ein offenes Grab
speien oder man uriniere an die Mauer eines jüdischen
Tempels und spreche dreimal:
Maulwurfshaare zu Pulver verbrannt und mit Honig und
weifsem Hundekot vermischt, heilt das heftigste Halsübel
(Kronstädter Gegend). Um kleine Kinder vor Diphtheritis
zu schützen , hängt man ihnen in der Kokelgegend Beutel-
chen um den Hals, worin sich die abgeschnittenen Vorder-
füfse eines Maulwurfes befinden (vgl. Frischbier S. 65).
— Gegen Anschwellung der Halsdrüsen stehle man ein
Stückchen Speck, binde es mit einem Fufslappen über Nacht
um den Hals und hänge den Verband am nächsten Tage
an einen Baum und spreche : „Baum, du hast viele Knoten,
nimm mir weg auch meine Knoten" (Mühlbach), oder man
spreche beim Abnehmen dieses Verbandes, den man ins
Feuer zu werfen hat, die Worte: „Der Knotenmann hatte
sieben Söhne, das Knoten weib hatte sieben Töchter; sie
heirateten sich, lebten miteinander, vertrugen sich nicht.
Sie schieden voneinander und verschwanden, wie der Speck
im Feuer. So mögen im Namen Gottes dem N. N. die
Knoten am Halse verschwinden, damit er beim heiligen
Abendmahl rein den Leib und das Blut unseres Herrn ge-
meinen kann. Amen!" (Vgl. KupczankoGr. in der
Zeitschr. „Am Ur-Quell" II, S. 43.) —
Herzklopfen, Herzkrämpfe erhält man, wenn
man mit ausgespreizten Armen in der offenen Tür steht
Absolon, mein Absolon,
Nimm mein Halsweh davon.
(Roth.)
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— 96 -
(vgl. Frischbier S. 65). „Trist (du) auf Judengrab oder
ungetauftes Kindlein sein Grab, bekomst Herzgramp,"
schreibt Roth. Als Mittel dagegen empfiehlt er: Man lege
sich der Länge nach rücklings auf den Rasen, lasse die
Körperlänge und Breite am Rasen bezeichnen und dann
denselben fingerdick, wo möglich in einem Stück, mit dem
Spaten abgraben. Diesen von seiner Stelle gehobenen
Rasen werfe man vor Sonnenaufgang in einen Bach und
spreche: „Brunnenfrau, Brunnenfrau, nimm mir das Wasser
vom Herzen, ich gebe dir, was mir unter dem Herzen lag.«
Es scheint also auch bei den Sachsen wie bei den Magya-
ren bezüglich der Herzkrämpfe der Glaube zu herrschen,
dafs diese dann entstehen, wenn ein Tropfen Wasser oder
Blut sich aufs Herz läfst. Im Burzenland glauben die
Sächsinnen, dafs eine Schwangere Blut nicht sehen dürfe,
denn sie würde dann Herz- und Magenkrämpfe bekommen.
„Geht man zwischen den abgesetzten Eimern einer Tracht
Wasser hindurch, so bekommt die Trägerin oder der Träger
des Wassers den Hartspann = Herzspannung" (Frisch-
bier S. 66).
Gegen den Bifs des tollen Hundes soll man
Mensch oder Vieh neun Tage hindurch spanische Fliegen
(Canthariden) eingeben und zwar am ersten eine, am zwei-
ten zwei, am dritten drei usw., am neunten neun, am zehn-
ten acht, am elften sieben usw. Diese spanische Fliegen
wickele man jedesmal in einen Zettel und verschlinge sie
samt dem Papier. Auf diese Zettel schreibe man : „Heiliger
Christoph, hilf meiner Not! Pater, fili, spiritus" (Roth).
Auch heutigen Tages ist diese Formel den Besprechern in
der Hennannstädter Gegend bekannt; nur geben sie den
von einem tollen Hunde Gebissenen die Canthariden mit
gedörrtem Wieselfleisch ein. —
Gegen H o d e n an s c h w e 1 1 u n g , Syphilis
(„schlechte Krankheit, Franzosen" genannt) gebraucht man
innerlich Steinöl, äufserlich Quecksilbereinreibungen. Roths
Recept besteht im Folgenden: Der Kranke lege sich auf
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eine Totenbahre (Totenbrett) und lasse sich mit Pferde-
mist 1 ), dem Oel beigemengt ist, den Körper einreiben.
Dies nehme er an einem Freitag vor, enthalte sich aller
Speisen und Getränke und trinke nur Terpentinöl. Vor
Sonnenaufgang lege er sich auf die Bahre und erhebe sich
davon erst nach Sonnenuntergang; dabei spreche er das
„Gebetchen" : „Der heilige Lazarus lag am Kreuzweg, kam
da eine schwarze Frau und spie ihn an; ward da wundig
sein Leib; kam da eine weifse Frau und küfste ihn; ward
da glatt sein Leib. Heiliger Lazarus, bete für mich, damit
mich die weifse Frau küsse und mein wundiger Leib glatt
werde; im Namen Gottes, des Sohnes und heiligen Geistes
also geschehe es! Amen!" Drei Freitage hindurch hat der
Kranke diese Kur vorzunehmen, deren zweiter Teil
ein für die Volkskunde bedeutsames Heil-
verfahren bildet, das mit der Macht des Namens
zusammenhängt (vgl. Kristoffer Nyrop, Navnets-Magt,
Separatabdr. aus „Mindre Af handlinger", herausg. v. d. ph.
hist. Ges. in Kopenhagen 1887). Der Kranke mufs nämlich
an einem jeden der drei Sonntage während dem Kirchen-
geläute auf seine Unterhose mit seinem eigenen Blute seinen
Namen schreiben („ist dies ain teifflisch Krankhait" bemerkt
hiebei Roth) und diese Unterhose an einen Baum hängen
und sie daselbst für immer zurücklassen (s. R. Andree,
Ethn. Parallelen und Vergleiche S. 58 über Lappenbäume;
und Nyrop Dania 1, 2 ff.); seinen Namen aber darf er
während dieser ganzen Kurzeit nicht schreiben 2 ). Auch
diesbezüglich gilt also der Satz : dafs die Verbindung, welche
sich durch Ideenassociation oder Sympathie zwischen ver-
schiedenen Dingen knüpft, obwohl an sich nur subjektiv,
für den primitiven Menschen zu einer objektiven und realen
geworden ist. —
l ) VgL mein Werk: „Aus dem inneren Leben der Zigeuner"
(Berlin, Felber 1892) S. 25.
*) Vgl. mein Werk: „Aus dem Volksleben der Magyaren"
(München, Huttier 1892) S. 40.
W 1 i « 1 o c k i , Volksbrauch u. Volksglaube d. Siebenb. Sachsen. 7
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- 98 -
Gegen Impotenz trinke man Wein, in den man
.Fischlaich gekocht hat (Burzenland).
Gegen dieEolik (fierich, fiaricht, ferhiszen
= Verheifsen genannt) soll man Erde mit Essig wärmen,
dieselbe wärmen und in einem Säckchen dem Kranken auf
den Bauch legen. Nach seiner Heilung hat der Kranke dies
Säckchen in den Erdboden einzugraben und die Formel zu
sprechen :
Fierich, fierich, geh' in die Erd 1
Zu einem Donnerstein werd';
Beim Teufel seh' das Sonnenlicht,
Wenn seine Grofsmutter dich frifst.
(Roth.)
Nach dem Urteil des sächsischen Volkes fährt bei jedem
einschlagenden und nicht zündenden Blitz ein sogenannter
Donnerstein dermafsen tief in die Erde, dafs er erst im
neunten Jahre nach dem Einschlagen wieder auf der Erde
zum Vorschein kommt. „In den Augen des gewöhnlichen
Mannes sind die Donnersteine nicht Erzeugnisse von Men-
schenhand, sie sind ihm Boten des Himmels. Und darum
können sie nicht in der Erde Schofs bleiben; als Boten des
Lichts rücken sie, nach oben strebend, jedes Jahr eine ge-
wisse Strecke aufwärts" (H alt rieh- Wolf f S. 269). Eine
Formel aus Grossau lautet:
Alte Frau — alte Katz',
Trink dies Gläschen Schnaps!
Bärmutter, lafs dein Gekratz !
(vgl. Ammann a. a. O. S. 206). Oder es streichelt Je-
mand des Leidenden Unterleib und spricht dabei:
Wehmutter, Bermutter,
Du willst Blut lecken,
Das Herz ahstofsen,
Die Gieder recken,
Die Haut strecken!
Darfst es nicht tun,
Du mufst ruhn
Im Namen Gottes!
(aus Kronstadt; vgl. Frischbier S. 70, Nr. 2). —
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- 99 —
Gegen Kopfschmerzen. Man lasse sich den Kopf
mit Essig einreiben und die Formel sprechen: „Jesus safs
auf marmernem Stein, er war traurig und allein. Kam da
Maria gegangen, hielt ihren Sohn umfangen. „Ich will dich
umgreifen, ich will dein Weh abschleifen, ich will dir
büfsen, ich will dich bessern, ich will dein Weh zer-
schmettern! Vater im Himmel, erhöre mich!" (Roth; vgl.
Schuster S. 308). Gegen Kopfschmerzen soll man in
einen Pferdekopf urinieren (Bistritzer Gegend). —
Gegen Krämpfe ritze man sich mit einer neuen
Nadel ein Kreuz auf die Brust und rufe: „Du verfluchter
Teufelswurm, geh' heim, deine Mutter liegt im Sterben"
(Mühlbach; vgl. Frischbier S. 73). Roth schreibt:
„Hat dain Vieh oder Mensch di Grämf, so tu auf ein Zedel
schreiben: Homines ä jument Sul av bis Domine quaemad
modum multiplizicasti mireri cordiam Deus ... Di Zedel gib
ein zu essen . . . 1 ) tt
Gegen starkes Nasenbluten schreibe man auf
einen Baum die Buchstaben: u P u L u (Roth; vgl. die
Ztschr. „Am Ur-Quell u II, S. 177). Allgemein bekannt ist
das Mittel, dafs man starkes Nasenbluten durch festes Um-
wickeln des linken kleinen Fingers mit einem Zwirnfaden
stillen kann. —
Kommt bei einer Wöchnerin die Nachgeburt nicht
zum Vorschein, so soll man die Frau mit einem Stückchen
Hasenfell beräuchern. Oder man reibt der Wöchnerin den
Leib mit Olivenöl und spricht dabei die Formel:
Bärmutter, du bist leer,
Bärmutter, geh' von her (hier),
Geh' in den schwarzen Berg,
Geh' in den weifsen Berg,
*) Ist eine Entstellung der Psalmenworte 35, 7 — 8: homines et
jumenta salvabis Domine: quemadmodum multiplicasti misericordiam
tuam, Deus . . . S. R. Köhler in F. S. Kraufs' Zeitschr. „Am Ur-
Quell« II. S. 27.
7*
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— 100 —
Geh' in den kalten Berg,
Geh* in den heifsen Berg,
Bärmutter, geh' von her!
Gegen Ohrenschmerz stecke man ein Blatt vom
Donnerkraut (Hauswurz, sempervivum tectorum) ins Ohr
und spreche:
Christus fuhr über das Meer,
Da kam der Sturm daher,
Dich Kraut, steckte er ins Ohr
Und war unversehrt!
Im Namen usw.
Gegen die Pest wird in Roth's Handschrift der
Rat erteilt, ein kupfernes Täfelchen am blofsen Leibe zu
tragen, auf welches man die Worte zu ritzen hat: Wate,
du nakte mir nit nahe. Den Leib soll man oft mit
Dachsfett einsalben. — Wer diese Wate ist, kann ich nicht
bestimmen; was „nakte" (nackte) als Beiwort anbelangt,
so verweist es auf den unter siebenbürgischen Völker-
schaften allgemein verbreiteten Glauben, dafs die Pest
(bezw. Cholera) in der Gestalt eines schwarzen Weibes oder
nackten Kindes durchs Land zieht (s. Müller Fr., Sieb.
Sagen, S. 37).
Gegen die Rose und den Rotlauf soll man dem
Kranken eine getrocknete Fuchszunge an einem roten
Bande an den Hals hängen (vgl. die Zeitschr. „Am Ur-
Quell 41 I S. 34) und spreche dabei : „Heute rot, morgen tot,
dies ist Gottes heilig Gebot, für mich, für dich, für uns
Alle, und auch für dich, Rose. Bis morgen sei du tot! sonst
dörre ich dich, mahle ich dich, backe ich dich und gebe
ich dich den Hunden zu fressen." Nach drei Tagen gebe
man diese Fuchszunge einem Hunde zu fressen (Roth).
Eine Formel aus der Hermann städter Gegend lautet:
Es sitzen drei Jungfern auf einem Marmelstein,
Die eine heifset „Weifse", die andere „Grüne", die dritt' „Röselein".
Sie gingen über die grüne Brück',
Die Rose blieb bei N. N. zurück,
i
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- 101 -
Nun weinen die anderen beiden
Und klagen in ihrem Leiden.
Komm, Rose, ich führ' dich zu ihnen zurück!
Im Namen Gottes usw.
Allgemein bekannt ist auch das Verfahren, dafs man die
Rose des Leidenden kreuzweise anhaucht und die Formel
sagt:
Die Rose und die Weide[n],
Sie kämpfen und streiten;
Die Weide gewann,
Und die Rose verschwand!
(vgl. Frischbier S. 83; Prahn a. a. O. S. 193). Nach-
folgende Formel scheint mir unter magyarischem Einflufs
entstanden oder gar aus dem Magyarischen entlehnt zu sein,
weil eben von den Magyaren die Rose „Szent Antal tüze"
= Feuer des heiligen Antonius genannt wird:
Heiliger Antonius in deinem brennenden Kleid,
Helfe du mir in meinem Leid!
Bei Christi heiligen fünf Wunden
Lafs' mich von deiner Krankheit gesunden.
Im Namen usw.
mit diesen Worten bestreut man allabendlich die kranke
Stelle mit feinem Mehl. — Eine andere Formel aus Zeiden
lautet: „Ich ging durch einen roten Wald. Und in dem
roten Wald fand ich eine rote Kirche. Und in der roten
Kirche stand ein roter Altar. Und auf dem roten Altar
lag ein rotes Brot. Neben dem roten Brot lag ein rotes
Messer. Nimm das rote Messer und schneide das rote Brot.
Im Namen Gottes. Nun ist der Rotlauf tot." Hiebei berührt
der Kranke mit einem neuen Messer die leidende Körper-
stelle und sticht dann das Messer einige Mal in den Erd-
boden, gleichsam als wollte er sein Leid der Erde über-
geben" (vgl. die Ztschr. „Am Ur-Quell" I S. 154; „Ztschr..
d. Ver. f. Volksk. I. S. 207). -
Gegen den Schöl, weifse Blasen am Munde. Wenn
Kinder die School bekommen, führt sie die Mutter entweder
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i
— 102 —
drei Morgen oder morgens, mittags und abends um einen
Hollunderstrauch dreimal herum und spricht dreimal:
(aus Zeiden; vgl. Haltrich- Wolf f S. 267; was den Aus-
druck School anbelangt, wäre die im Böhmerwald ge-
bräuchliche Benennung Schal = Drüsengeschwulst damit
verwandt; s. Ztschr. d. Ver. f. Volksk." I S. 205). —
Gegen den Schlagflufs wird der vom Schlage
Getroffene auf die Erde hingelegt, und die Besprecherin
giefst aus der Höhe je einen Wasserstrahl auf sein Haupt,
seinen Rücken, seine Beine und Arme und spricht dabei
(Aus Grofspold; vgl. Frischbier S. 87.) Ein anderes
Mittel besteht aus folgendem Verfahren: Man schreibe mit
dem Blute des Kranken auf einen Zettel: „O crux admira-
bilis," auf den anderen: „evacuatio corporis," auf den
dritten „restauratio vigoris" (vgl. Osw. v. Zingerle a. a. O.
S. 175); diese drei Zettel lege man auf den gelähmten
Körperteil des Kranken und schlage mit einem „groben
Linnen" so lange drauf los, bis die Zettel in Stücke zer-
reifsen; während des Schlagens rufe man beständig die
Worte : „ Jehovah, grofser Gott, hast Zions Mauern gestürzt,
hast den N. N. gestürzt; die Mauern kann man erbauen,
den N. N. kannst nur du heilen! Jehovah!" Dies wieder-
hole man von einem Neumond bis zum andern tagtäglich
abends und in der Frühe (Roth). —
Gegen den S chlangen bif s teilt Roth nur eine
Formel mit: „DerLeind kam und bifs in die Haut; durch
die Haut ins Fleisch; durch das Fleisch ins Blut; durch
Hollunderstrauch, du elender Hund,
Mein Kind hat die Schol am Mund.
Nimmst du sie ihm bis morgen nicht weg,
So verreck'! Im Namen etc.
Der Schlag und der Mord,
Sie gingen an einen dunklen Ort;
Der Schlag und der Mord fiel nieder,
Jesus kommt und hilft uns wieder.
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- 103 -
das Blut in die Lunge; durch die Lunge ins Herz; durch
das Herz in die Lunge; durch die Lunge ins Blut; durch
das Blut ins Fleisch ; durch das Fleisch in die Haut ; durch
die Haut in sich selbst, und also verreckte er, der N. N.
ward heil durch Christi Gnade! Amen!" (vgl. „Am Ur-
Quell" H, S. 75). — Eine Formel aus Klein-Kopisch lautet:
Die Schlange Bticht,
Christus spricht;
Christus hat dies gesprochen:
„Diese Schlange hat nicht giftig gestochen!"
vgl. Frischbier S. 88). —
Gegen Sommersprossen. Sieht man im Frühjahr
die erste Schwalbe, so soll man sich schnell waschen oder
wenigstens, das Waschen nachahmend, das Gesicht mit den
Händen reiben und rufen:
Sprossen, Sprossen, Sommersprossen,
Sind in mein Gesicht geschossen!
Schwalbe ist gekommen,
Hat sie weggenommen.
Oefteres Waschen des Gesichtes mit dem Saft der Gurken
gilt für ein unfehlbares Mittel; ebenso das Verschlucken
von einigen Linsen und zwar täglich auf „nüchternen"
Magen. —
Gegen die Trunksucht soll man eine Kröte zu
Pulver verbrennen und dies Pulver dem Betreffenden ins
Getränk ' mischen (vgl. „Am Ur-Quell M I, S. 136); oder
man brennt Haselnufswurzeln und Ktirbifsblüten zu Asche
und mischt diese ins Getränk (Kronstadt). —
Gegen Unfruchtbarkeit soll man dem Weibe die
getrockneten und zu Pulver geriebenen Genitalien eines
Fuchses in Eselsmilch zu trinken geben (vgl. „Am Ur-
Quell« I, S. 205). -
Gegen Verrenkung spreche man:
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- 104 -
Christus der Herr und der heilige Mathias
Kamen miteinander über die Brück'
Brach das Rein des heiligen Mathias zu Stück!
„Was tuet deinem Bein so weh?"
Mein Bein ist krank, ich bin lahm!
„Nimm Schmeer und Salz
Schmier dein Gebein,
Schmier deine Adern!
Bein an Bein,
Ader an Ader,
Fleisch an Fleisch,
So soll's sein, wie Christus, der Herr
Es haben will! Amen!
(Roth; vgl. Schuster S. 316). Eine Formel aus der Ort-
schaft Petersdorf lautet:
Jesus kam mit Set. Peter geritten,
Da haben sich die Teufel gestritten;
Da brach sich Set. Peter das Bein!
„Wein 1 nicht, Genosse mein!
Nimm Schmeer und Salz
Schmier dein Gebein,
Schmier dein Fleisch !
Ich hauch 1 es an mit meinem heilenden Mund,
Und du wirst wieder gesund
Zur Ehre Gottes! Amen!
Eine andere Formel aus Mühlbach lautet:
Hast dein Bein verrenkt,
Christus am Kreuze hängt;
Hat ihm das Hängen nicht geschadet,
Bald der Schmerz dich nicht plaget!
(vgl. Frischbier S. 92, Prahn a. a. O. S. 194). —
Gegen die Wassersucht schneidet man von jedem
Nagel der Hand und des Fulses ein Stückchen ab, nimmt
dazu einige Haupthaare des Kranken, bindet dies Alles in
ein Säckchen und wirft es in ein fliefsendes Wasser, wobei
man spricht: „Nimm meine Krankheit mit, lieber Christ,
darum ich bitt' ! tt (Mediascher Gegend; vgl. „Am Ur-Quell u
I, S. 19). — Wachholderbeeren mit pulverisierten Krebs-
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— 105 -
schalen gekocht, soll man dem Kranken eingeben, den Urin
desselben aber stets in fliefsendes Wasser giefsen und dabei
sprechen: „Christus fuhr mit Petrus übers Meer, versanken
im Wasser beide; kam ein grofser Fisch, verschlang da*s
grofse Wasser und beide waren heil ! Kleiner Fisch, komm
und verschling' dies kleine Wässerlein und mache den N. N.
heil! Im Namen Gottes usw.!" (Roth). —
Gegen die Warzen. Will man sich die Warzen
vertreiben, so reibe man sie mit Brotteig ein und werfe
denselben rücklings in den glühenden Backofen (vgl. „Am
Ur-Quell" I, S. 34). Man blickt den Neumond an, und die
Warze streichelnd spreche man: „Was ich sehe, soll zu-
nehmen; was ich fühle, soll abnehmen ! tt Oder man nimmt
ein Gliedstroh, bestreicht damit kreuzweise die Warze, ver-
gräbt dann das Stroh unter die Dachtraufe, und wenn das
Stroh verfault ist, verschwinden auch die Warzen. In einen
Zwirnfaden werden so viele Knoten gebunden, als Warzen
vorhanden sind, indem man über jeder Warze eine Schlinge
zuzieht; den Faden vergrabe man unter die Dachtraufe.
Sieht man einen Schimmel, so streichele man die Warzen
und rufe: „Schimmel, nimm sie mit, ich brauch' sie nicht!"
(vgl. H. Volks mann in der Zeitschr. „Am Ur-Quell u HI,
S. 229). Oder man reibt die Warzen mit Brotteig und gibt
diesen den Hühnern zu fressen, indem man spricht: „Frefst,
meine Warzen versteckt, aber nicht verreckt!" Es heifst
nämlich, wenn man sich im Trinkwasser der Hühner wäscht,
so bekommt man Warzen (vgl. F. S. Kr aufs, Katzensporn
in der Ztschr. „Am Ur-Quell u ni Bd. 1892). —
Gegen Würmer. Einen grofsen Teil der Krank-
heiten schreibt auch der siebenbürgisch-sächsische Volks-
glauben den Würmern zu. Man gibt den Kindern eine
Abendmahlhostie zu essen und spricht dabei:
Jerusalem, du heilige Stadt,
Darinnen Jesus gekreuzigt ward;
Er vergofs für uns sein heilig Blut,
Das ist auch für Würmer gut!
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— 106 -
(Roth; vgl. Prahn a. a. O. S. 195.) In Grofeau spricht
man den Segen: „Hiob lag auf dem Mist, kam da Jesus
Christ. Hiob sprach: Gott hat mich vergessen, die bösen
Würmer wollen mich fressen! Jesus sprach: Sie seien alle
tot, ob schwarz, ob weifs, ob rot Im Namen Gottes,
Amen!" Oder man vergräbt den Auswurf der betreffenden
Person oder des Tieres unter einen Hollunderstrauch und
spricht dabei:
N. N. hat ein grofses Kreuz,
Würmer fressen ihm Blut und Schweifs!
O, du lieber Jesus Christ,
Der du im Himmel bist!
Hast dem Lazarus geholfen im Leid,
Sei dem N. N. zur Hilfe bereit!
(Aus Neppendorf.) —
Gegen Zahnschmerzen. Roth führt folgende
Formel an: „Herr Petrus safs auf einem Stein und hielt
sich die Backe in der Hand. Kam da Maria und fragte
ihn: »Petrus, was tuet dir weh?« — »O Mutter Gottes, der
Wurm grabt in meinem Zahn!« — Sprach da Maria lieb:
»Wurm, ich beschwöre dich bei Gott Vater, Gott Sohn,
Gott heiligen Geist, du sollst von hinnen weichen und dem
Petrus und dem N. N. im Zahne nicht graben! Dies ist
mein Wille! Amen!" (vgl. Zingerle a. a. 0., S. 175);
dabei soll man — fügt Roth hinzu — „ain neu Nagel in
ain Baum schlagen, hilft sicher." — Um von anhaltenden
Zahnschmerzen für immer frei zu werden, beifse man
während dem Geläute in den Strang der Kirchenglocken
und spreche:
Die frei Messen sind gesungen,
Die Glocken haben geklungen,
Das Evangelium ist gelesen,
Der Wurm in meinen Zähnen soll verwesen.
(Roth; vgl. Sch uster S. 301, Nr. 153; Frischbier
S. 101.) — Bei Neumond spreche man, den Zahn an-
packend: „Tu ich dich Mond wieder ansehn, Soll mein
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Zahnweh vergehn!" d. h. bis ich morgen dich wiedersehe,
soll mein Zahnschmerz vergangen sein. — Man bohre ein
Loch in einen Baum, stelle sich hin, kaue mit dem wehen
Zahn ein Brotstück, die Hälfte schlucke man, die andere
Hälfte aber speie man ins Bohrloch und spreche: „Baum,
ich gebe dir die Hälfte von dem, was ich habe; nimm mir
ab den ganzen Schmerz und führe ihn zur Erde nieder!"
(Aus Agnethlen.) —
Gegen allerlei Krankheit teilt Roth auch noch
ein „Gebetchen" mit, das er — wie ich mich recht lebhaft
zurückerinnere — oft und oft herzumurmeln pflegte. Der
Segen lautet: „Herr im Himmel mit deinen zwölf Aposteln,
blick' gnädig auf mich herab. Kommt eine Krankheit von
rechts, so sende sie in die untere Hölle; kommt sie links,
sende sie in die mittlere Hölle ; kommt sie von vorne, schicke
sie in die oberste Hölle ; kommt sie von rückwärts aber, so
schicke sie in die allertiefste Hölle! Nicht lafs'- sie sich
auf meinen schwachen Rücken setzen! Im Namen deines
Willens! Amen!" dabei ist dreimal auszuspeien - fugt er
in der Handschrift dem Gebete bei. Solche Gebete sind in
den meisten sächsischen Dörfern Siebenbürgens unter den
Bewohnern allgemein bekannt; es sind einfache, volkstüm-
liche Gebete, die jeder in welcher Drangsal immer hersagt,
im Glauben, dadurch das bevorstehende Leid und Unglück
abzuwenden oder das bereits eingetroffene entfernen zu
können.
Auch diese hier mitgeteilten Segen zeigen, dafs die
ältesten, schönsten Segen bei allen Völkern in Gebete über-
laufen, welche bei Opfern hergesagt wurden. „Die ältesten
Segen des deutschen Volkes," schreibt J. J. Am mann,
„reichen mindestens in jene Zeiten zurück, in denen das
Volk noch gläubig an seiner Naturreligion und den selbst-
geschaffenen Göttern hing. Vielleicht sind die alten Segens-
formeln vielfach nichts anderes als zu Formeln erstarrte
Gebete aus heidnischer Zeit. Mit dem Christentum treten
dann für die heidnischen Gottheiten Gott, Christus, Maria,
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die Apostel und die Heiligen ein. Ja, wir bemerken, dafs
selbst bis ins 18. Jahrhundert herauf die Verbreitung der
Segen und das Vertrauen auf die wunderbaren Heilsprüche
im Volke noch allgemein anhält. In eben diesem Mafse
vollzieht sich aber auch eine Wandlung in Form und In-
halt. Die Segen werden, obwohl sie sich auch in gereimten
Sprüchen mündlich und schriftlich fortpflanzten, besonders
in prosaischer Form weiter ausgesponnen. Waren sie früher
für einzelne gegenwärtige oder vorauszusehende Uebel ein-
gerichtet, so werden nun Segensformeln gebildet, die gleich
für alles Mögliche Hilfe und Rettung versprechen. Indessen
haben sie sich in der Form von den alten Segen noch nicht
ganz losgemacht, sie sind durch Zusätze vermehrt und in
ihrer Wirksamkeit verallgemeinert worden. Zuletzt endlich
sehen wir sie, ihrer alten Wunderkraft beraubt und des
geheimnisvollen Aeufsern vielfach entkleidet, in der reli-
giösen Anschauung des Volkes aufgehen. Der alte geheim-
nisvolle Formelkram ist in den gewöhnlichen Haussegen,
die wir in jedem Hause auf dem Lande (auch bei den
Siebenbürger Sachsen) finden, bereits verblafst. Der Aber-
und Ueberglaube ist verschwunden, der christliche Haus-
segen macht Anspruch auf einen werktätigen Glauben. So
scheinen denn die Segen in ihrer Entwicklung aus reiner
religiöser Anschauung entsprungen und mit Uebertragung
auf die christliche Religion wieder zu ebenso reiner reli-
giöser Anschauung zurückgekehrt zu sein." Deutlich zeigen
uns dies auch die hier mitgeteilten Segen und Heilsprüche
des sächsischen Volkes in Siebenbürgen.
Haben wir im Vorhergehenden die Segensformeln und
Heilsprüche für gegenwärtiges Uebel mitgeteilt, so müssen
wir nun einer Reihe solcher Segen gedenken, die gegen
kommendes Leid und Uebel gerichtet sind, die angewendet
werden, um einer etwanigen Gefahr zu entgehen, einem
- 109 —
wahrscheinlich eintreffenden Unheil vorzubeugen. Solche
Segen sind dem Volksbewufstsein der Siebenbürger Sachsen
bereits zum gröfsten Teil entschwunden und sind auf uns
nur aus alten Handschriften gekommen. Im Volke haben
sich nur noch der Hofbann, Reisesegen, Formeln
gegen den Feind, Neid und das Wetter erhalten.
Um ein neuerrichtetes Gebäude gegen die Macht der
Feinde und Elemente zu schützen, läfst der Erbauer durch
einen Besprecher heimlich einen Pferdekopf in den Grund
des Gebäudes vergraben und ein Gebet, den „Hof bann"
sprechen. Aus dem Burzenlande stammt folgender Hof-
bann :
JesuB ritt in Jerusalem allein,
Schmiefsen ihn Judenkinder mit Stein [en].
Sprach der Herr: „Wie tu' ich euch ein Leid,
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Aber eure Freud' wird aufhören,
Mau wird eure Stadt zerstören!"
Herr Jesus, der du im Himmel bist,
Du mein lieber guter Christ,
Wolle dies Gebäu nicht zerstören,
Wolle alle Bösen beschwören,
Zu diesem Gebäu komme nicht her,
Die Satansbrut übers feurige Meer;
Nicht nah' her ein Feind mit Feuer und Schwert,
Nicht komm' her Hexenbrut und Satansknecht
Schlagendes Feuer (Blitz) reit' in die Erd',
Komme nicht her Krankheit und Pest,
Sie sollen reiten in den grünen Wald,
Dort büfsen und sich bessern,
Dort fliefsen drei Brünnlein der Gnad',
Dort sollen sie sitzen bis zum jüngsten Tag !
Dies Gebäu umspanne Christi Blut,
Damit es wie Christus in Marias Armen,
Sicher und feste ruht!
Das wolle Gott, der Herr bewirken
Von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen!
Dies wird je dreimal an den vier Ecken des Gebäudes ge-
sprochen. Aus Heitau teilte mir Herr Apotheker Ohr.
WotBch folgenden „Hof bann" mit:
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Vier heilige Jungfrauen sollen kommen,
Von den reinen und frommen,
Die sollen von den vier Enden
Pest, Unglück, Feuer wenden!
In des allmächtigen Hand
Soll ruhen in Ewigkeit dies Land (der Grund)!
Der liebe Jesus Christus auf dem Dach
Schütz' dies Gebäu Tag und Nacht!
Dann (mögen) kommen die Bösen aus grünen Wäldern,
Aus dürren Feldern, aus kalten Brunnen,
Aus heifsen Steinen, wir furchten un3 nicht!
Eine feste Burg ist unser Gott,
Christus ist unser Schutz und Nutz!
Im Namen usw.
Aus dem Nösnergelände erhielt ich durch Herrn Feldwebel
K. Olescher folgenden kurzen, aber wichtigen „Hof-
bann" :
Die drei Mareien sollen spinnen aus Seide
Ein festes Seil gen jedes Leide:
Gott soll bauen ein gut Mauer
Gen Krankheit, Tod und Trauer.
Christus wohne in diesem Haus,
Und treibe die Teufel daraus!
Die drei Mareien sind wohl die drei germanischen Schick-
salsspinnerinnen (8. Abschn. IV).
Ein merkwürdiger „Hofbann" steht bei Roth: „Hast
du ain neu Gebäu erbauvet, so spuck auf die vier Enden
(Ecken) des Gebäus, sprich dies Gebetchen bai jedem End
und dann küfs das End und geh dann zum zweiten End,
tu so, geh zum dritten End, tu auch so, und baim vierten
End tu auch so. Dann ponir (entleere dich) vor die Gebäu-
sait, die gen Sonnenuntergang liegt . . , u Der Hof bann
selbst, den man bei den vier Ecken zu sprechen hat, lautet :
„Dies Gebäu ist erbaut aus grünem Holz aus grünem Wald ;
aus weifsem Stein aus weifsem Gestein; aus schwarzer Erd
aus schwarzer Erd ; aus kaltem Wasser aus kaltem Brunnen !
Krankheit aus grünem Wald, komm' nicht her, hast Holz
noch genug; Wehfrau aus weifsem Gestein, komm' nicht
her, hast Steine noch genug; Teufel aus schwarzer Erd',
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- 111 -
komm' nicht her, hast Erd' noch genug! Brunnenfrau,
komm' nicht her, hast Wasser noch genug; die Toten lafs'
ruhn, die Lebendigen verschon vor Wassernot, Feuergefahr,
Hungertod, Blitzesstrahl; schick' ihnen Kinderchen, die
weiterbauen, dich loben und gen Himmel zu Christus, den
Herrn selig schauen! Im Namen usw. Amen! u
Die Worte „schick' ihnen Kinderchen" bezieht sich
wohl auf den nunmehr entschwundenen Volksglauben, dafs
die Kinder vor ihrer Geburt in Gewässern, bei der Brunnen-
frau leben (s. Abschnitt IV). Nach der Entleerung spreche
man :
Beschütz' das Gebäu vor Dieb und Feind,
Schlag ihn ums Maul, der mir greint!
An dieser Stelle mufs ich bemerken, dafs die meisten sieben-
bürgi8chen Völkerschaften für grumus merdae auch den
Ausdruck Hirte gebrauchen und bei ihnen der Glaube
herrscht, dafs so lange der »Haufen«, welchen der Dieb auf
dem Schauplatz seiner Tätigkeit errichtet, warm ist, er vor
jeder Störung gesichert bleibt. In Siebenbürgen rindet man
dergleichen »Haufen« in Gebäuden, die von Dieben er-
brochen und geplündert werden, gar häufig vor 1 ). Der
rumänische Ausdruck Csoban (Hirte) scheint auch auf
diesen allgemein verbreiteten Glauben hinzuspielen (vgl.
Liebrecht, Zur Volkskunde, S. 353). Die Kinder der
stidungarischen Zeltzigeuner singen während der Entleerung
eines ihrer Genossen das Lied:
Ushci, ushci, ushei eik, Dr . . o Dr., o wache, wach 1 !
Kiyä Petra ja tu sik! Lauf dem [Peter], lauf ihm nach!
Tu sal feris, ushci tu, ßist ein Hirte, stehe auf
Ja tu, ja tu, ja, ja, ja! Und dann laufe, lauf, lauf!
Petres laces cumida, Küfs den Peter auf den Mund,
Nasvales hin: sästyara! Ist er krank; mach 1 ihn gesund! 8 )
') S. meine Zauber- und Besprechungsformcln der siebenb. und
«üdungar. Zigeuner« (Verl. d. „Eth. Mitteil, aus Ung." Budapest 1888)
S. 33.
a ) S. meine „Volksdicht, d. sieb, und südung. Zigeuner" (Wien,
Gräser) S. 94.
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— 112 -
Jungen Hunden wird gleich nach der Geburt die Schnauze
mit Menschenkot eingerieben, um sie „wachsam und treu
zu machen." —
Ein Reisesegen aus der Hermannstädter Gregend,
den die dortigen Fuhrleute zu beten pflegen, lautet:
Jetzt tret' ich über meine Schwelle,
Herr Jesus sei mein Wegselle!
Lafs alle meine Feinde ruhn,
Steh' mir bei in allem Tun,
Zu Wasser und zu Land,
Sei meine starke Hand!
Im Wald vor Geistern und Räubern,
Im (ebnen) Land vor Schleichern,
Am Tag vor Unsichtbaren (V),
Des Nachts vor Teufeln,
Allzeit bis in die Ewigkeit,
Behüt mein Blut und Fleisch. Amen!
(Vom Fuhrmann Andreas Wohnert)
Ein anderer Reisesegen, den vor Jahren die Kron-
städter TBchismenmachergesellen mit auf ihre Wanderschaft
nahmen, lautet:
Der Herr im Himmel
Und ich auf der Erd' —
Er mache mich seiner
Und Christi wert!
Geh' wieder heint (heut) auf Wanderfahrt,
Hab' Schutz und Segen bei mir gepaart!
Mein erstes ist Gott der Vater,
Mein zweites ist Gott der Sohn,
Mein drittes ist der heilige Geist,
Der mit mir reist,
Mir meine Wege weist
Ich trete über fremde Schwellen,
Jesus, Maria, Josef, die heiligen drei Könige
Kasper, Melchior, Balthasar,
Seid meine Wandergesellen;
Die wollen mich im fremden Land
Bewahren mit starker Hand,
Mich fuhren zu aller Zeit
Zu Glück, Freud', Brot und Seligkeit. Amen.
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- 113 —
(Auf einem Procefsakt der Kronstädter Tschismenmacher-
zunft contra G. Orendi aus dem Jahre 1836; vgl. Am mann
a. a. 0. S. 308.) —
Gegen einen Feind. „Siehst du deinen Faind,"
schreibt Roth, „sprich in dir heimblich:
Das Gute in mir,
Das Böse in dir,
Gott, der Vater über uns beiden,
Er wolle gnädig uns im Guten scheiden!
oder man spreche:
Der Teufel zeigte dem Gottessohn
Die schöne Stadt Babylon;
Christus stiefs ihn vom Kirchenturm;
So wolle Gott dich von mir stofsen,
Du elendiger Höllenwurm!
Nicht frifst du mir Mark und Bein,
Gott mufs beim Gerechten sein! Amen!
In Kelling spricht man:
Kannst kommen und kannst gehen,
Drei Schlösser um mich gehen,
Das eine ist Gott der Vater,
Das andre der Sohn,
Das dritte ist der heilige Geist,
Die beschützen mein Gut und Blut!
Spinnen um mich einen roten Faden,
Dafs du mir nicht kannst schaden!
(Marie Klusch.)
(Zum Eingang vgl. Schuster S. 290.) Unter „rotem
Faden" ist wohl das Glucksseil, Glücksstriemchen, zu ver-
stehen (8. Abschnitt IV). Kinder, die mit einem roten
Striemchen am Halse auf die Welt kommen, werden vom
Glück besonders begünstigt. —
Seine Gebäude gegen Gewitter und Feuer zu
schützen, ist eine der Hauptsorgen des Landmannes. Ein
Gebäude, auf dem ein Storch oder an dem eine Schwalbe
nistet, ist vor dem Blitz gesichert. Um ein Gebäude vor
dem Blitz zu sichern, pflanze man auf das Dach das
Donnerkraut (sempervivum tectorum) und grabe in den
Wlisloeki, Volksglaube n. Volksbrauch d. Siebenb. Sachsen. 8
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Grund desselben Schwalbenfedern ein, die man in Zettel
wickelt, auf die man die Worte schreibt: Pax, Lux, Nox
in manu Dei (Roth). „Viele glauben, man könne die
Feuersbrunst im Fortschreiten hindern, wenn man kleine
Stückchen von einem solchen Brote, das im Ofen vergessen
ward, neben die Häuser lege, die noch nicht brennen. Das
Umsichgreifen einer Feuersbrunst kann man verhüten, wenn
man auf das Dach des Nachbargebäudes ein Brot aufsteckt.
In Grofs-Schenk soll das mit Erfolg getan worden sein am
24. April 1869 ... In Stolzenburg tut es das Brot allein
nicht, man mufs zu diesem noch ein wenig Salz geben. Das
Feuer greift nicht weiter, wenn ein Pfarrer im Ornate drei-
mal um die Brandstätte reitet. Bei einem Brande in der
Schäfsburger Schafsgasse ist das vor nicht gar zu langer
Zeit versucht worden ... In Bulkesch glaubt man dem
Fortschreiten der Feuersbrunst dadurch begegnen zu
können, dafs man in dem Rauchfange des Hauses, das dem
Feuer zunächst steht, aber noch nicht brennt, ein Sieb
dreht" (Haltrich-Wolff S. 310). Das durch Blitz ent-
standene Feuer kann man nur durch Milch oder Erde
löschen.
Manche glauben, dafs, wenn man „Donnersteine"
(Belemniten, s. S. 98) in das Gebäude einmauere, dasselbe
vor dem Blitzschlag gesichert sei. Bricht Feuer aus, so
stelle man sich „dem Wind entgegen" und spreche dreimal :
Sanct Martin mit deinem Feuerbrand,
Sanct Johannes mit deiner Waaserkuff,
Komm uns zu Hilf, Amen! (Roth.)
Oder es soll eine „reine Jungfrau" um die Brandstätte
herumlaufen und sprechen:
Maria ging übers Land,
Traf sie wilden Brand!
„Brand, ich büfse (beschwöre) dich mit meiner heiligen Hand!
Geh' zurück in den wild Wald,
Grell' zurück in den Brunnen kalt,
Geh' in die Wolken,
Die dich erzogen!"
Im Namen Gottes usw. Amen! (Roth.)
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- 115 -
In früheren Zeiten schrieb man sich sogar zigeunerische
Formeln gegen Feuersbrunst auf und hob das Schriftstück
sorgfältig auf, um es bei Gelegenheit in das brennende
Gebäude zu werfen, dadurch das Weitergreifen des Feuers
zu verhindern. Ein solches Schriftstück existierte von 1791
bis auf den heutigen Tag in der sächsischen Familie Gott-
schlig in Grofsschenk und gelangte durch Herrn Wilhelm
Goos nach geradezu hundert Jahren in meinen Besitz. Ich
gebe es hier wieder in genauem Nachdruck mit allen seinen
Fehlern :
* *
*
Herr Prandt die Zigunen sprechent also zu
dir: Mariake alas rako, — o rako gelas kija Jerusalem
tebi bolda lesmarde. — Jag amentut maren, na astu an
droker, ava tumansa an droschero. Man gavtut an dro
navo devleske ro, an dro navo bengeske ro, an dro navo
urme gre.
al drej Jar nimb dies in dei Hand und lies
es. Beym Prandt wirfs in das Fewer.
Grofsschenken, anno 1791 die 19 septembris.
Gott beschütz mei Gebäu.
Selbstverständlich hat der Schreiber dieser Formel gar
oft zwei Worte zusammengeschrieben, Uberhaupt manches
verschrieben. Die Formel soll richtig geschrieben lauten:
Mariake avlas raklo, — o raklo gelyas kiya Yerusalem te
bibolda les marde. — Yak amen tut maren, na ac tu andro
ker, ava tu mansa andro cero. Mangav tut andro navo
devleskero, andro navo bengeskero, andro navo Ur-
mengre . . . *)
In genauer Uebersetzung lautet die Formel: Maria
hatte (einen) Sohn, — der Sohn ist gegangen nach Jerusa-
lem und die Juden ihn geschlagen haben. Feuer, wir dich
*) Siehe mein Werk: „Aus dem inneren Leben der Zigeuner"
S. 179.
8*
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- 116 -
(auch) schlagen; nicht sei im Hause, komme du mit mir
(d. h. mir, dem Zettel, der eben in den Brand geworfen
wird) in den Himmel (= als Rauch). (Ich) bitte dich im
Namen Gottes, im Namen des Teufels, im Namen der Ur-
men (Schicksalsfeen) 1 ). —
Der Neid wendet sich nicht nur gegen Leben und
Gesundheit des Menschen, sondern auch gegen seinen Haus-
stand, sein Vieh, seine Gebäude u. dgl. Am Morgen soll
man daher beim Uebertreten der Schwelle dreimal aus-
spucken und den Spruch hermurmeln:
Erstens für Neid,
Zweitens für böse Leut,
Drittens für Krankheit nah und weit
Im Namen Gottes usw. Amen!
(aus der Mediascher Gegend; vgl. Ammann a. a. O.
S. 311). Oder man spreche:
Jeder, den ich seh',
Tu mir kein Weh;
Alles, was ich seh',
Rechter Wege geh'!
Im Namen Gottes, des Herrn des Himmels und
der Erde, also Alles geschehe! Amen!
(aus Klein-Kopisch). Oder man spreche: „Neid schadet
neunmal; nein, nur achtmal; nein, nur siebenmal ; nein, nur
sechsmal; nein, nur fünfmal; nein, nur viermal; nein, nur
dreimal; nein, nur zweimal; nein, nur einmal; nein, er
schadet keinmal, denn der heilige Georg durchsticht ihn
mit der Lanze im Namen des ewigen Vaters! Amen! (aus
Agnethlen). Ein anderer Spruch gegen Neid, den man
bei Kindern anzuwenden pflegt und der sich auf die Nomen
zu beziehen scheint, lautet:
J ) Siehe mein Werk: „Volksgl. u. rel Brauch d. Zig." (Münster
1891, Aschendorff) S. 1 ff.
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- 117 -
Drei Frauen wir zu dir laden,
Sollen dich am Arm tragen,
Sollen dir spinnen und weben,
Den Neidern Krankheit geben,
Dir Gesundheit schenken
Und ewiges Leben. Amen!
Verwandt mit den Formeln gegen Neid sind die
Diebssegen. „Gewöhnlich geschieht das Segnen, was
man auch »versprechen« oder »binden« heilst, um 12 Uhr
in der Nacht oder vor Sonnenaufgang und nach Sonnen-
untergang, oder zu allen diesen Zeiten nacheinander.
Manche dieser Sprüche dürfen nur von einer Frau auf
einen Mann und von diesem wieder auf eine Frau ins-
geheim übertragen werden, wenn sie ihre Wirksamkeit nicht
verlieren sollen. In dem von Teutsch im Vereinsarchiv
N. F. 3, 1 ff. auszugsweise veröffentlichten Visitationsproto-
kolle heilst es unter anderm S. 30 : De pastore (in Schönau)
fassa est quaedam mulier Seydensis, quod ab illo didicerit
formulam incantationis pro assecuratione curiae contra fures
nocturnos, punitur fl. 5" (s. Haltrich- Wolff S. 274).
Roth teilt folgende Diebssegen mit:
Man nehme eine schwarze Katze, binde ihr die vier
Füfse zusammen und mache ein Feuer um sie herum an.
Die Katze wird ihr „Wasser fliefsen lassen", und in diesen
Urin tauche man eine Rabenfeder ein, bestreiche damit Tür
und Schlofs und spreche:
Maria ging in den grünen Garten,
Drei Englein das Jesukindlein warten,
Der eine heifst Michael, der andere Gabriel, der dritte Zachariel ;
Kamen da drei Diebe, wollten Jesum stehlen.
Sprach da Michael zu Gabriel:
Nicht lafs' sie weitergehen!
Bind' sie mit des Evangeliums Wort,
Sollen sich nicht rühren vom Ort;
Sollen die Sterne zählen am Himmel,
Den Sand auf der Erd',
Bis ich sie lösen werd' durch Gottes Wort. Amen!
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— 118 -
(vgl. Frischbier S. 113). Ein zweiter Segen, den er
mitteilt, lautet:
Dieb, ich bind' dich mit Gottes Wort,
Nicht rühr' dich von diesem Ort,
Werde starr wie Lothens Weib,
Zu Asche werde dein Bändiger Leib,
Bleibst du nicht hier stehn,
Bis dich meine Augen ansehn.
Im Namen usw. Amen!
Dabei geht man um die Sache, die man > binden c will,
dreimal herum. „Nun kann der Dieb zwar in den um-
gangenen Kreis hinein-, aber nicht mehr aus ihm heraus-
gehen. Daher mufs man sich noch vor Aufgang der Sonne
am folgenden Morgen hinbegeben und, falls der Dieb da
ist , denselben anstofsen und heimlich bei sich sprechen :
„Geh* hin in Teufels Namen!" Denn wenn der Dieb an
dem versprochenen Ort von der Sonne beschienen wird, so
mufs er in Staub zerfallen" (s. Haltrich-Wolff S. 274).
Ferner schreibt Roth: „Vergrap diesen Zedel unter die
Türschwell, kann kain Dieb rüberkommen." Der zu ver-
grabende Zettel wird mit folgenden Worten beschrieben:
„Dieb, ich binde dich mit drei Ketten; die erste ist Gottes
Wort, das er uns gab auf dem Sinai ; die zweite ist Christi
Blut, das er vergofs auf Golgatha; die dritte ist der grüne
Kit (Fieber), das dich schütteln soll, wenn du herkommst,
dafs du hierbleibst, bis ich dich löse von Gottes Wort, von
Christi Blut, von grünen Rites Kraft, im Namen Gottes.
Amen."
Deutlich zeigt sich auch hier die Verschmelzung von
christlichen und heidnischen Elementen. Der Rit (= das
Fieber) weist mit seinem Beiwort „grün" auf den Wald und
Baum hin und liefert eben auch einen Beweis dafür, dafs
die Krankheitsgeister ursprünglich Wald- und Baumgeister
waren. —
Um das gestohlene Gut wiederzubekommen, verschaffe
man sich eine Hostie, lege dieselbe auf etwas vom ge-
stohlenen Gute und steche mit einer Nadel in die Hostie.
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— 119 -
Beim ersten Stich sagt man: „Dieb, ich steche dein Gehirn;
du sollst deinen Verstand verlier'n ! u Beim zweiten Stich
sagt man: „Dieb, ich steche deine Hände, damit ich dich
zum Guten wende!" Beim dritten Stich wird gesagt:
„Dieb, ich steche in deine Ftifsen, damit sie erlahmen
müssen!" Beim vierten und letzten Stich sagt man: „Dieb,
ich steche in dein Herz, du sterbest in Qual, Elend, Not
und Schmerz!" Will der Dieb nicht sterben, so bringt er
das gestohlene Gut zurück (Hermannstädter Gegend). —
*
Wir gehen nun zu den Verwahrungsmitteln
über, die sich auf die Haustiere beziehen.
Schon der Deutsch- Kreuzer Pfarrer MichaelBinder
hat dieselben in einer Handschrift zusammengestellt (siehe
Haltrich-Wolff S. 276). Er schreibt: „Die mehrsten
Vorurteile, die sich hiebei unter dem gemeinen Volke
äufsern, betreffen die Kühe und ihre Milch. Denn öfters
geschieht es, dafs sie die Milch sehr hart und mit Mühe
von sich geben. Alsdann ist die Kuh von den Hexen
schon gemolken worden, oder die Milch ist mit etwas Blut
untermischt, und dann ist sie ganz verhext.
Verwahrungsmittel sind: 1. Wenn die Kühe zum ersten-
mal auf die Weide getrieben werden, so legt man die Pflug-
eisen oder auch die Ofenrute ins Tor, damit die Kühe
darüber weg gehen. 2. Man schlägt die Kuh beim ersten
Austreiben mit einer Ofenrute kreuzweise über den Rücken
(vgl. Mann har dt, Die Götter der deutschen u. nordischen
Völker S. 63). 3. Man nimmt in der Frühe, fahrt Binder
fort, noch ehe die Kühe zum erstenmale ausgetrieben wer-
den, drei Eier und wirft ein jedes davon auf einen beson-
deren Kreuzweg. 4. Man steckt in den Stall über die Kuh
etliche Sprossen von Hagebutten (kaipendörn), davon auch
die Hirten beim ersten Austreiben eine Rute zu haben
pflegen, und welche Kuh nun damit berührt wird, die soll
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- 120 —
das Jahr vor den Hexen gesichert sein. 5. Wenn die Kuh
ihr Kalb zur Welt bringt, so nimmt man einen Nagel von
Birkenholz und schlägt ihn an denjenigen Ort oder auf die
Stelle, auf welche das Kalb gefallen, so tief in die Erde,
dafs er nicht gesehen wird. 6. Man läfst die Milch geben-
den Kühe alle an einem Stückel Salz lecken und vergräbt
sodann solches ungesehen unter das Gemeindetor, damit die
ganze Kuhherde drüber gehe, sodann kann man die Menge
Butter machen."
Kauft man eine Kuh, schreibt Roth, so soll ihr die
Hausfrau das erste Futter aus ihrer Schürze geben und
sprechen: „Der heilige Sylvester stand vor dem Tor,
krochen unter der Brück' die Hexen hervor! Hexen, ihr
sollt weichen von diesem Tier; Krankheit bleibe daheim;
Neid, mach' ihm kein Leid, im Namen Gottes! Amen!*
Den ersten Urin der Kuh soll man auffangen und ins Feuer
giefsen; dadurch verbrennt man alles Böse, das die neue
Kuh mitgebracht hat. Wenn die Kuh beim Melken nicht
stehen will, so prügelt man sie mit umgekehrten Besen.
Diese Schläge spürt die Hexe und verschont von nun an
die Kuh. Harnt die Kuh beim Melken, so fängt man ihren
Harn in einen Frauenschuh auf und hängt ihn in den
Rauchfang, wobei man spricht: „Der Neid soll Kohle wer-
den, die Krankheit soll Asche werden, die Bösen sollen
Rauch werden, damit Friede sei im Himmel und auf Erden !
Amen!" Nach drei Tagen verbrennt man den Schuh und
streut die Asche in fliefsendes Wasser (Roth). Um das
Kalben der Kuh zu erleichtern, zerlegt man eine Axt und
legt den Stiel auf die eine, das Beil selbst auf die andere
Seite der Kuh und spricht: „Heilige Anna, über diesen
Leib spreit' deinen Mantel; aus dem Leibe treib' die
Frucht; zwei sind bei einand', teil' sie in zwei mit deiner
seligen Hand! Amen!" (Aus Grossau, Scharkäny.)
Um Pferde vor Krankheit, Neid und Hexen zu wahren,
heftet man an Zaum und Halfter ein Stückchen rotes Tuch,
oder hängt im Stalle ein Säckchen mit Knoblauch auf, oder
— 121 -
malt an die Stalltüre ein Hufeisen. Um störrige Pferde zu
zähmen, schlage man sie mit einer Rute, deren Spitze ver-
kohlt ist, kreuzweise über den Rücken und spreche die
Worte: „Der heilige Elias gebot seinen Pferden: Stehet
stille, das ist Gottes Wille! Und die Pferde standen still!
Ich gebiete dir im Namen des heiligen Elias, du stehest,
wann ich will ; du gehest, wann ich will ; ich bin dein Herr,
und du sollst keinen anderen Herrn haben aufser mir!
Amen!" (Roth). Bestreicht man sie mit der Hand eines
Gehenkten, so bleiben sie immer fett und munter. „Die
Talmescher treiben alle Jahre einmal um die mitternächtige
Stunde mit lautem Geschrei und Peitschenknall die Schweine-
herde zum Dorfe hinaus auf einen bestimmten Platz. Dort
wird die Herde von den nackten Hirten (früher von alten
nackten Weibern) dreimal im Kreise umsprungen und dann
bis zum grauenden Morgen draufsen gehalten. Hierdurch,
so glaubt man, sollen alle Gefährlichkeiten von den Schweinen
und den Teilnehmern am Spektakel für das betreffende Jahr
abgewendet werden. Soll eine Kuh, glaubt man ziemlich
allgemein, zum erstenmal kalben, so mufs eine nackte Frau
um dieselbe herumgehen, ihr Hemd über den Rücken der
Kuh hinübergeben und unter dem Bauche wieder hervor-
ziehen" (Haltrich-Wolff S. 280).
Schwärmen die Bienen, so soll man ihnen den blanken
Hintern zeigen, und der Schwann wird sich in der Nähe
niederlassen; oder man ziehe sich das Hemd rasch aus und
blicke dem Schwärm durch den Aermel nach (Roth; vgl.
F. S. Kr aufs in seiner Zeitschr. „Am Ur-Quell" m S. 97).
Einen einzigen Bienensegen teilt Roth mit, der um so
bedeutungsvoller ist, weil er darunter die Worte gesetzt
hat: „von main selig Vater erlernt". Der Segen, den man
beim ersten Ausflug der Bienen im Frühjahr zu sprechen
hat, lautet:
In nomine patris, filii und aller sanctorum!
Maria gen Sonnenaufgang hebt die rechte Hand,
Maria gen Sonnenuntergang hebt ihre linke Hand,
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— 122 —
Damit ihr teure Bienen sollet fliegen,
Damit ihr viel Honig sollet kriegen,
Honig fürs Jesukindlein,
Wachs für den heiligen Altar,
Deshalb beschützt euch die heilige Margaret.
Im Namen Gottes, des Vaters! Amen!
Ein anderer Bienensegen ist mir aus Muhlbach und Ag-
netblen bekannt. Beim ersten Ausflug der Bienen im Früh-
jahr lasse man dieselben durch eine Wolfskehle und über
den Hausschlüssel fliegen, dann werden sie arbeitsam, und
keine fremden Bienen werden den Stock des Honigs be-
rauben können. Beim Erscheinen der ersten Bienen vor
dem Flugloch spreche man: „Gott sprach: Es werde Licht t
— Gott sprach: Es werde die Biene! — Gott sprach: Es
werde Wachs! — Gott spricht: Gesegnet sei euer Auszug t
— Gott wird sprechen: Gesegnet sei euer Einzug! Amen!*
Oder man spricht bei dieser Gelegenheit:
Wir wenden uns nun zu den agrarischen Sitten
und Gebräuchen der Siebenbürger Sachsen, die ein
bedeutsames Kapitel des Volksglaubens bilden. „Freilich
mufs daneben gestanden werden," sagt der treffliche Sammler
dieser Gebräuche Gustav Ad. Heinrich (Programm d.
Unterrealgymn. zu S.-Regen 1880, S. 6), „dafs gerade in
Bezug auf agrarische Gebräuche die Quellen nicht mehr so
reichlich fliefsen, und dafs sich das Poetische in dieser Be-
ziehung vor dem rauhen Materialismus unserer Zeit, vor
der Erfindung der Säemaschinen und vor dem Dampf der
Dreschmaschinen geflüchtet hat in schwer zugängliche, bei-
nahe unnahbare Tiefen. Immerhin mag aber das wenige
Bienchen, Bienchen, Bienchen,
Reise ins grüne Land,
Speise von Blumen und Gras,
Fülle mir Korb und Fafs!
(vgl. Frischbier S. 131). —
- 123 -
noch übrig Gebliebene den Kenner erfreuen und dem For-
scher Material zu weiteren Arbeiten liefern." Obwohl diese
Gebräuche und Sitten weniger ins Kapitel der Segen- und
Heilsprüche gehören, so können sie doch auch hier ein
Plätzchen für sich in Anspruch nehmen, nachdem ja auch
sie auf einem Binden und Lösen böser und guter Mächte
beruhen, den Zweck verfolgen, das Ueble abzuwenden und
das Heilsame herbeizuführen. —
Für die Zeit der Aussaat ist der Mondwechsel von
Bedeutung. „In Deutsch-Zepling achtet man darauf, wenn
man das Siebengestirn zuerst gesehen, hält diesen Tag im
Sinne und nimmt bei abnehmendem, selten bei zunehmen-
dem Monde an dem gleichnamigen Tage die Aussaat vor.
Zugleich darf während der ganzen Saatzeit kein Mann neben
seiner Frau schlafen, und ebenso wird in dieser Zeit nie-
mandem Feuer gegeben" (Heinrich S. 7). In einigen
Gegenden ist es Brauch, diejenigen Früchte, deren Wurzeln
man geniefst, bei zunehmendem Monde, die übrigen aber
bei abnehmendem Monde zu säen. „In Birk und in an-
deren Orten," berichtet Heinrich, „gilt gerade die Zeit
des zunehmenden Mondes als die günstigste. Zugleich haben
die Birker ein anderes interessantes Auskunftsmittel zur
Erforschung der geeigneten Säezeit. Drei Zeiten sind näm-
lich für die Aussaat mafsgebend ; die erste und dritte Woche
vor und die dritte Woche nach Michaeli (Eintritt des Neu-
mondes), dann die Zeit während des zunehmenden Mondes
und endlich auch, wie in Zepling, der Tag, an dem man
das Siebengestirn gesehen. Da hat man nun die Korkdistel
(Carduus acanthoides L.) zum Führer, welche von diesen
Zeiten jedesmal gewählt werden soll. Ist die oberste Krone
derselben voll Wasser, die mittlere leer und die unterste
halb mit Wasser gefüllt, so folgt der Schlufs, dafs die erste
Aussaatszeit die beste, die mittlere die schlechteste und die
letzte mittelmäfsig sei. Nach Anderen soll wieder die Fülle
der in der Kapsel dieser Distel vorhandenen Samenkerne
denselben prophetischen Schlufs in Anspruch nehmen."
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- 124 -
In der Kreuzwoche oder tauben Woche (14. Septbr.),
ebenso in der Quatemberwoche (Cantorwoche, smilewoch =
schmale Woche) ist es nicht gut zu säen (Haltrich-
Wolff S. 285; vgl. Germania 22, 257). An einem Freitag
zwischen den Marientagen ist es gut zu säen. Eine Sage
aus Arkeden erzählt Heinrich (S. 8): „Einst soll in der
dasigen Reenkaule (Regenk.) ein Bauer am Kreuztage
(14. Sept.) gesäet haben. Da ritt ein Edelmann vorüber
und rief ihm zu: Szomszöd (magyar. Nachbar), net se,
kämm hier, ech sali der aest sön! (Nachbar, nicht säe,
komm her, ich soll dir etwas sagen!) Nun redet er mit
ihm etwa eine Stunde lang, dann spricht er: Nea käst te
sen, dae geferlich zeit aes tiwern! (Nun kannst du säen,
die gefährliche Zeit ist vorüber). Welches aber die Stunde
war, weifs man nicht. Auch die Mittagszeit gilt für eine
ungünstige Stunde zur Aussaat, zur Feldarbeit Uberhaupt.
„Weshalb die Mittagszeit gerade als zur Aussaat ungünstig
angesehen wird, dürfte auf dem Grunde beruhen, dafs man
sich die auf dem Felde hausenden Dämonen (s. Abschn. I)
sowohl, als den im Wirbelwinde umfahrenden Spukgeist,
gerade um die Mittagszeit tätig dachte" (Heinrich S. 8;
vgl. Pfannenschmid, Germ. Erntefeste, S. 90). Das
Saelaken mufs, wenn möglich, neu und von einem nicht
konfirmierten Mädchen gewebt worden sein (vgl. Frisch -
bier S. 135). Dies schützt gegen Brand. In den Sack
wird zwischen die Saatfrucht ein Schlofs gelegt, als wirk-
sames Mittel zur Abwehr der Vögel, oder es wird am ersten
Tage in jeden Säesack etwas Milch unter den Samen ge-
mengt (Heinrich S. 9). In einigen Orten bindet man ein
Silbergeldstück in einen Zipfel des Säelakens und mischt
unter die Saatfrucht Asche, die man in den Zwölfen, von
Weihnachten bis heiligen Dreikönig, gesammelt hat, um die
Frucht vor Brand zu schützen (Haltrich-Wolff S. 305).
In Klein-Schenk mufs der erste Pflug über eine ins Tor
gelegte Kehrrute fahren (vgl. Korrespondenzbl. d. Ver. fiir
siebenb. Landesk. III, 4, S. 39). In Langenlois (Oester-
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reich) legt man beim ersten Austreiben der Kühe einen
Kehrbesen über die Türschwelle (Jahresb. des Gymnas. in
Krems 1869 S. 59). Manche streuen den Samen aus im
Namen der heiligen Dreieinigkeit und werfen die erste
Handvoll nach rückwärts über den Kopf, „den Vögeln des
Himmels" oder „damit die Saat grofs werde". Der Sämann
nnÜ8 seine Arbeit schweigend verrichten. In manchen
Gegenden hält er einen Bissen Brot im Munde, das aus
dem Saatkorn gebacken worden ist (Heinrich S. 10).
Nach getaner Arbeit mufs er sich auf einige Augenblicke
in die Furchen niederlegen, sonst wird er krank (Halt-
rich-Wolff S. 305). Ist die Saat vollendet, werden' fast
allerorts Hanfabfälle (ohnen) quer über den Acker auf die
Grenzen desselben gestreut zum Schutze gegen Vogelfrafs
(Heinrich S. 10).
Den Hanf säet man im Mai und zwar aus einer vor-
gebundenen Schürze. Der Flachs wird jedoch nicht früher
gesäet, bis der Urbanus (25. Mai) nicht „vom Ofen herunter-
kommt". Dieser kommt aber nur dann, wenn er eine rote
Erdbeere sieht (Heinrich S. 11). Nach der Aussaat wirft
man das Tuch oder den Sack in die Höhe, oder man springt
selbst in die Höhe, „damit die Saat so hoch wachse". „Eine
weitverbreitete Sitte ist es, am Ostertage die Mädchen und
Frauen zu begiefsen, damit der Flachs wachse. An anderen
Orten gehen am „geschworenen Montag" (vor den Oster-
tagen) die Mädchen in die Häuser, in denen junge Bursche
sind — oder Frauen zu Nachbarinnen und Freundinnen — ,
springen so hoch sie können und rufen dabei: „esü grüsz
säl ir flösz woszen" (so grofs soll euer Flachs wachsen).
Dafür erhalten sie ein Stück Wurst oder Schweinsrippe 1 ).
J) S. mein Werk: „Aus d. Volksl. d. Magyaren" S. 58. So springt
aus gleichem Grunde die Frau des Schlesiers und Märkers in ;der
Fastnacht beim Tanze im Kruge so hoch sie kann, und zu gleichem
Zweck mufs im Harz am Fastnachtstage, in Ostpreufsen am Grün-
donnerstage die älteste Jungfer des Hauses rückwärts vom Tische
springen (Grenzboten 1876, Nr. 41, S. 59).
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In Gergischdorf wird am Aschermittwoch von einem oder
zwei Burschen , welche in Frauenkleidern stecken, Asche
auf der Gasse gesäet und die Leute mit Asche beworfen* 1
(Heinrich S. 12). —
Flurumzüge kennt das Volk der Siebenbürger Sachsen
nicht mehr. Dies hat seinen Grund jedenfalls in dem Um-
stände, dafs die sächsische Bevölkerung Siebenbürgens sich
durchgängig zum lutherischen Glauben bekennt. Einzelne
Reste dieser Bräuche sind aber auch unter den Sachsen an-
zutreffen. „So kaufen sich die sächsischen Bauern in Ober-
Eidisch in der romänischen Kirche geweihte Palmen
(Weidenkätzchen) und stecken sie entweder ins Fruchtfeld
oder verbrennen sie beim Herannahen eines Gewitters im
Feuer zum Schutze gegen Hagelschlag" (Heinrich S. 13).
Durch das Läuten mit Glocken, die für das Wetter gegossen
sind, wird ein drohendes Ungewitter vertrieben. Auf der
Glocke zu Marienburg (bei Kronstadt) steht der Spruch
(15. Jahrhundert): „Hac cristi tuba pellatur grandinis turma
turbinis conflictus stringatur fulminis ictus", und auf der
Glocke zu Brenndorf steht: „ihesus maria hilf uns aus aller
not, vnd sant nicolas hilf, heilig muter sant ana selb dryt.
1513." Die heilige "Anna ward gegen Gewitter und Dä-
monen angerufen, wie deutlich aus Glockeninschriften zu
Steinerberg in der Schweiz, Annaberg in Sachsen (Anzeiger
f. Kunde d. d. Vorzeit 1883, 15), Frickenhausen und Beuren
in Württemberg (Birlinger, Aus Schwaben 1, 148) her-
vorgeht. Nicht die Glocke als solche zerstreute das Ge-
witter, sondern der oder die Heilige, auf deren Namen sie
getauft war (Haltr ich- Wolf f S. 473). Im allgemeinen
glaubt man, dafs die evangelischen Glocken sicherer das
Wetter vertreiben als die der rumänischen Kirchen, weshalb
die Rumänen hier und dort auf das Läuten mit den säch-
sischen Glocken dringen (ebd. S. 301). Für dieses Läuten
erhält in Meschen bei Mediasch der Küster im Herbste von
jedem Wirte des Dorfes einen anständigen Lohn. „An
Hexenglauben erinnert wieder der Brauch in einigen
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- 127 -
sächsischen Ortschaften, wenn es daselbst entweder
Frauen gab oder auch noch gibt, von denen man glaubt,
dafs sie die Felder gegen Blitz und Hagel schützen können,
wofür sie nach Abschlufs der Ernte von jedem Wirte eine
Entlohnung an Erntefrüchten erhalten" (Heinrich S. 13).
Als einmal ein Zauberer dem Wettermacher zurief : er solle
herkommen, da antwortete dieser aus der Luft: „Ich kann
nicht, der grofse Hund (die Glocke) bellt, auch ich bin
gefesselt" (Haltr ich- Wolf f S. 304). In Henndorf wird
beim Herannahen eines Gewitters in manchen Häusern ge-
räuchert; ähnlich in Böhmen bei starkem Winde, wo Weih-
rauch angezündet wird. Auf dem Acker soll man sich die
Hände nicht waschen, sonst entsteht Brand; im Kornfeld
sollen die Frauen nicht nähen und nicht zwirnen, und am
«Sonntage soll man die Felder nicht besichtigen, sonst ent-
steht Gewitter und Hagelschlag. Während des Hagelwetters
fange man drei Hagelkörner auf und stecke sie in den
Busen; oder man stecke ein Messer in die Erde (Hein-
rich S. 13). In Klein-Schenk und wohl auch sonst steckt
man das Messer vor die Türe oder vor den Acker, dahin,
wohin man eben will, dafs das Wetter sich breche und
4
Halt mache. Anderwärts tritt die Axt an die Stelle des
Messers (Haltrich-Woiff S. 304). Uriniert man an einem
Sonntage in fliefsendes Wasser, so entsteht Hagel, und der
Blitz kann einen erschlagen.
■ Anhaltende Dürre kann man vertreiben, wenn man die
• 7
Egge in den Wassergraben wirft oder den Ziegelzigeunern
ihre Sitzstühlchen ins Wasser wirft (Heinrich S. 14).
Wer das Saatfeld gegen Vogelfraafs sichern will,
gehe vor Sonnenaufgang auf den Acker, ziehe sich nackend
aus, gehe dreimal um das Getreide, bete ein „Vater unser",
dann ziehe er sich wieder an, mache etwas Schwefeldampf,
nehme eine Kornähre in den Mund und komme, ohne mit
Jemandem zu sprechen, geradewegs nach Hause. An an-
deren Orten tut dies die Besitzerin, indem sie dabei ein
Licht in der Hand hält (Heinrich S. 14). In Martinsberg
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tut man dies während des Körnens des Getreides, in Hal-
welagen aber in der Johannisnacht. Will man Sperlinge
vom Acker abhalten, so gehe man nachts zwischen 11 und
12 Uhr auf den Friedhof, nehme Erde von sieben Gräbern
und streue sie auf den Acker 1 ). In Rothberg nimmt man
von einem frischen Grabe Erde und wirft sie auf den Acker
mit den Worten: „So wie dieser Mensch, von dessen Grabe
diese Erde ist, den Mund nicht mehr aufmachen kann, so
sollen auch die Vöglein ihren Mund nicht aufmachen können
und nicht von diesem Weizen fressen" (Haltrich-Wolff
S. 305). An vielen Orten wirft man diese Graberde im.
Namen der heiligen Dreieinigkeit auf den Acker. In Klein-
schenk wirft man die Graberde, rückwärts zählend von
zehn bis eins, über die Frucht. In vielen Ortschaften wirft
man einen Kuchen aus ausgemolkener Milch von einer Frau,
deren Säugling vor Kurzem gestorben ist, und aus Weizen-
mehl bereitet, über den Acker, doch muls es, wenn es
wirksam sein soll, diejenige tun, die die Milch gemolken
hat (Heinrich S. 15). In der Mühlbacher Gegend streut
man die zu Pulver gebrannte Nabelschnur eines verstorbenen
Säuglings auf den Acker. Oder man nehme von jedem
Ende und aus der Mitte des Ackers eine Aehre, bringe sie
nach Hause und tue sie an eine Stelle, wo Niemand hinzu-
gehen pflegt, und spreche dreimal: „Wenn Jemand diese
Aehren wieder anrühren wird, so sollen die Vögel das Korn
auch anrühren; wenn sie aber Niemand anrührt, so sollen
es die Vögel auch nicht anrühren. Im Namen Gottes usw."
Oder man soll vor Sonnenaufgang — berichtet Haltrich-
Wolff (S. 305) — Korn mahlen, und das Mehl sollen ihrer
zwei nehmen und in Wasser dick machen, dann aufs Korn-
land gehen, aber bis dahin und bis nach Hause, auch sonst
miteinander kein Wort reden; dann sollen sie einen Faden
durch das dickgemachte Mehl ziehen, so dafs viel daran
r ) Auch den Rumänen Siebenbürgens bekannt; s. W. Schmidt,
Das Jahr u. seine Tage in Meinung u. Br. d. Rum. Siebenb., S. 43.
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hängen bleibt; einer geht dann in diese, der andere in jene
Furche, und so gehen sie mit dem Faden quer über das
Land; dann tun die Vögel dem Korn keinen Schaden. In
Agnethlen wickelt man in einen alten Tuchfetzen Weilr-
rauch, Teufelsdreck und Schweinemist ein, steckt alles m
einen alten Schuhlappen und geht räuchernd über den
Äcker damit Darauf werden Ochsenlungen an Stecken
festgesteckt In Arkeden hängt man in Fett und Schwefel
getauchte Lappen auf dem Acker auf (Heinrich S. 14).
In manchen Orten wird Kornfeld, um es gegen Vbgelfrafa
zu schützen, mit Waaser beaprengt, in welchem vorher
allerlei Eisen abgekühlt worden ist. —
Gegen den Brand geht die Hausfrau in der nächsten
Volimondsnacht nach der Aussaat ebenfalls — wie gegen
Hagelschlag — * nackt um den Acker herum. Oder es gehen
zu Pteter und Paul alte Frauen auf das Feld, sammeln
brandige Aehren und' stecken sie daheim in die Ofenröhre,
dafs dadurch der noch übrige Brand auf den Feldern zer-
stört werde (Heinrich S. 15). —
Als Schutzmittel gegen Maulwürfe — berichtet nun
weiter Heinrich — werden in die Gänge derselben
Hollunderzweige gesteckt, „weil der Geruch des Hollunders
den Maulwurf töte" ; gegen die Mäuse aber streut man
— wie schon erwähnt — Hanfabfalle an einem oder an
beiden Enden des Ackers quer über denselben von einer
Furche zur anderen; und gegen Erdflöhe wirft man beim
Säen drei Handvoll Hafer nach drei Richtungen. In Hal-
velagen wird die Asche vom Aschermittwoch auf die jungen
Kohlpflänzchen gestreut, die man gegen Raupen dadurch
schützt, daJs man einige Körner Hanfsamen ins Krautland
säet. In Marpod geht der Säemann nach Bestellung des
Ackers noch einmal von Ende zu Ende über denselben,
macht mit leerer Hand die Pantomime des Säens und spricht :
„Dies säe ich dem Getiere. Ich säe es allem, was da fliegt
und kriecht, was da geht und steht, was da singt und springt.
Im Namen Gottes des Vaters usw. (Heinrich S. 16.) —
Wlisloeki, Volksglaube n. Volkabrauch d. Siebenb. Sachsen. 9
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130 —
Was die Obstgärten anbelangt, so ist es allgemeiner
Brauch, am Neujahrssonnabend oder zu Weibnachten wäh-
rend des Mittagsläutens die Obstbäume mit Stroh zu um-
winden, damit sie im nächsten Jahre reichlich Früchte
tragen. Aus demselben Grunde schüttelt man die Pflaumen-
bäume in der Christnacht. Ist ein Obstbaum nicht tragbar,
so vergrabe man an seine Wurzeln einen toten Hund, und
er wird reichlich Früchte tragen. —
Auf diese Weise also bestellt der sächsische Bauer
Siebenbürgens mit Fleifs und Ausdauer, aber auch mit an-
geerbtem Zauber sein Haus, sein Feld und seinen Vieh-
stand. Es ist ein gutes Stück deutschen Volksglaubens,
das hier in der freien Bergluft Siebenbürgens noch immer
fortlebt und jedenfalls einen wichtigen Bestandteil für eine
einstige Sammlung aller deutschen Besegnungsformeln, Ge-
bräuche und Meinungen bildet, die mit der Zeit, vielleicht
nach langer Zeit, von der fortschreitenden Wissenschaft
geliefert werden mufs.
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IV.
Glück und Unglück.
enn wir die zahlreichen Segens- und Heilsprüche,
die Gebräuche und Meinungen des sächsischen
Volkes in Betracht ziehen, die auf eine Ab-
änderung von Wohl und Wehe der Menschen hinzielen, so
kann es uns gar nicht Wunder nehmen, wenn wir auch
bei diesem Volke den Glauben an ein Geschick tief im
Gefühlsleben eingewurzelt finden. Ureigentümlich ist ihnen
dieser Schicksalsglaube nicht, denn nicht nur germanische
und slavische Völker kennen drei Schicksalsgöttinnen, son-
dern auch andere Völker des Erdballs glauben an ein vor-
herbestimmtes Schicksal. Dieser Glaube scheint, wie F. S.
Kr aufs (Volksglaube und rel. Brauch der Südslaven S. 20)
so treffend bemerkt, „zur Glaubensmünze dreier Welten zu
gehören. Das Volk und das Land aufzufinden, wo der
Glaube und die einschlägigen Sagen entstanden, ist wissen-
schaftlich ein Ding der Unmöglichkeit. Religionswissen-
schaftlicher Forschung genügt der Nachweis, dafs dieser
Glaube bei den verschiedensten Völkern zu verschiedenen
Zeiten vorkommt. Wir dürfen auch die Frage nicht auf-
werfen, welches Volk, welchem den Glauben an die Schick-
9*
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salsfrauen entlehnt habe, sondern wir haben nur die Formen
des Glaubens bei einzelnen Völkern festzustellen." Wenn
auch dem Glauben der Siebenbürger Sachsen die drei
Schicksalsbestimmerinnen als solche entschwunden sind, so
finden wir doch noch Anklänge, die sich auf diese Schick-
salspinnerinnen beziehen.
E. L. Rochholz hat in seinem trefflichen Werke:
„Alemannisches Kinderlied und Kinderspiel aus der Schweiz"
(Leipzig 1857, S. 139 ff.) unter den gröfseren Spieltexten
auch „die drei Mareien" nach Abkunft und Inhalt erklärt
Diese drei verhängnisvollen Spinnerinnen leben aber nicht
nur in den Sagen, Märchen und Liedern der germanischen
Völker fort, sondern — wie schon erwähnt — auch im
Glauben anderer Völkerschaften finden sich Anklänge an
diese mythischen Vorstellungen. Um den diesbezüglichen
Glauben der Siebenbürger Sachsen aus seinen Trümmern,
herstellen zu können, müssen wir die verwandten Vor-
stellungen der die Sachsen umgebenden Völkerschaften vor-
erst in Augenschein nehmen.
Dafs die drei spinnenden Mareien ursprünglich die dem
Menschen bei seiner Geburt den Schicksalsfaden spinnenden
Nomen unserer germanischen Mythen sind, das bezeugen
unter anderem auch alle die einschlägigen Kinderlieder aus
Siebenbürgen. Ein Kinderlied der Siebenbürger Romänen
lautet in genauer deutscher Uebersetzung :
Heida, ihr Lieben,
Wir reiten ins Land!
Haben ein goldnes Seil in der Hand!
Zwei Frauen, die haben es gemacht,
Haben es gesponnen über Nacht;
Aus der Nabelschnur, zart und klein,
Spannen sie das Seil, so golden und feinl
Die dritte Frau, die will es zerschneiden, —
Drum müssen wir reiten, immer nur reiten,
Denn die dritte aus ihrem dicken Fufs,
Viel Kröten und Schlangen gebaren mufs,
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— 183 -
Auf jeden Schritt wohl Dreifsig;
Drum reiten wir, reiten wir fleifsig,
Sonst kommen die Kröten und Schlangen
Und nehmen uns Bübchen gefangen!
Wie es im Deutschen eine weifse, schwarze und eine
«iserne Bertha gibt, eine gute Spinnerin und eine ver-
fluchte, eine Frau Breite mit der eisernen Nase, im Fran-
zösischen eine Reine pödauque, regina pede auca,
die mit dem Platsch- und Gänsefufs, Berthe au graud
pied, und wie auch die drei Mareien ein ähnliches Mafs
von Körperschönheit und Herzensgute und hinwieder von
Häuslichkeit und Hexenhaftigkeit einhalten, so spinnen die
beiden „Guten" auch im rumänischen Liede „aus der Nabel-
schnur" des Kleinen das goldene „Glücksseil", das die
dritte, „die Böse", die mit „ihrem dicken Fufs", zerschnei-
den will, die aus ihrem Bein Schlangen und Kröten zur
Welt bringt (über Beingeburten s. meines unvergefslichen
Meisters, Liebrecht, Zur Volkskunde, S. 490 ff.). Auch
den magyarischen Märchen ist diese Unholdin unter dem
Namen „a vasorrü" („die mit der eisernen Nase") be-
kannt 1 ) (8. Katona L., Zur Litt, und Charakteristik der
ungar. Folklore in d. Ztschr. f. vergl. Litt, von M. Koch,
Bd. I. S. 31). Zwei dieser drei Frauen sind, dem rumäni-
schen Volksglauben gemäfs, auch bei Geburten behilflich;
die dritte aber, die „mit dem dicken Fufs", bewirkt — so-
bald sie sich der Gebärerin nähern kann — den Tod des
Kindes. Um sie daher von der Geburtsstätte ferne zu Bal-
ten, wird Haferstroh zu einem Bündel gewunden ins Herd-
feuer geworfen. Dieser Brauch hängt wohl mit dem deut-
schen „Weidendrehen" zusammen. „Im Aargau löst man
diejenigen Knoten sorgfältig auf, die man an den Ruten
einer dem Wohnhause zunächst stehenden Weide gewahrt;
J ) S. auch mein demnächst bei Aschendorff (Münster) erscheinen-
des Werk: „Volksglaube u. rel. Brauch d, Magyaren" (in den „Dar-
stellungen aus d. Gebiete d. nichtchristl. Religionsgesch.").
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- 134
auch das Weidenband einer jeden Strohgarbe, die man im
Stalle streuen will, wird erlesen und aus gleichem Grunde
nicht mitgestreut *). Es könnte ein Hexenschaden mit darin
verknüpft sein" (Rochholz a. a. O. S. 146). Ein Stroh-
wisch war in früheren Zeiten in den sächsischen Gemeinden
Siebenbürgens das Schandzeichen gefallener Madchen, und
noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts wurden „fremde
Dirnen" mit „Schub" (Strohachaub) aus der Gemeinde ab-
geführt, d. h. auf einen zweirädrigen Karren wurde ein
Strohbund gelegt, die Dirne hinaufgesetzt und vom Wasen-
meister über die Grenze der Ortschaft geschafft. Hafer und
Erbsenstroh verscheucht auch nach siebenbürgisch-sächsi-
schem Volksglauben die bösen Geister, und unter dem
Sterbenden wird dieserwegen das Federbett behutsam weg-
gezogen, denn auf dem Strohsack stirbt man leichter,
namentlich aber auf einem Polster mit Erbsenstroh gefüllt,
das sofort unter den Kopf geschoben wird, sobald der
Todeskampf eintritt (s. Fronius, Bilder aus dem sächs.
Bauernleben in Siebenb., S. 255); und „stin dekel, kalt
arbes" (Steindeckel, kalt Erbsen) klingt die Glocke, wenn
Jemand begraben wird.
Auffallend ist es, dafs das rumänische Kinderlied zweier,
nicht nur dem deutschen Volke, sondern auch den Liedern
anderer Völker gemeinsamer Züge entbehrt, nämlich der
Erwähnung der „Weiden" und Anführung der Grenzen,
welche das „goldene Seil" umspannt In den deutseben
Varianten sind stets die Orte angeführt, „von welchen aus
und bis zu welchen das Wiegenseil oder Deichselseil für
den Neugeborenen gesponnen und gespannt wird, damit
dieser Glücksfaden schirmend um die ganze Heimat herum
reiche" (Rochholz S. 142). In einem Kinderliede der
oberungarischen Slovaken aus Kraliks Sammlung finden
') S. mein Werk: „Volkagl. u. rel. Brauch d. Zigeuner" (Aschen-
dorff, Münster) S. 132.
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sich auch diese zwei Züge wieder. Das Lied lautet in ge-
nauer Uebersetzung also:
O du goldnes Halfterband,
Führe uns durchs ganze Land,
Führ' du uns von Dobschau
Hin zum schönen Kaschau,
Und von da nach Leutschau,
Wo drei Frauen wohnen,
Die uns strafen und belohnen :
Einen goldnen Apfel rund,
Hält die eine in dem Mund;
Eine lange Gerte flicht
Eine sich aus grünen Weiden, —
Schlagt dich, wenn du folgst mir nicht! —
Und die dritte spinnt aus Seiden
Dir ein schönes, neues Kleid,
Darum, Bübchen, reite, reit 1 ,
Hopp, hopp, hopp, reite, reit'!
Der Zug „mit den Weiden" ist hier gänzlich verwischt,
dafür aber entspricht die Frau „mit dem goldenen Apfel
im Mund" der „fünften" Frau bei Rochholz a. a. O. S. 140,
wo es von ihr heifst:
„de feuft' isch eusi licbi Frau,
sie sitzt ennet a der Wand,
hat en Oepfel i der Hand,
sie goht durh- ab zum Sunnehüs
und löt die heilig Sunne üs,
und löt die Schatten ine
für ihre liebe Chline" u. s. w.
Dafs überhaupt den Nomen auch ein Einflute auf die
Witterung zugeschrieben wird, zeigt uns das rumänische
Lied, das die Kinder singen, wenn sich der Himmel um-
wölkt; es lautet deutsch also (s. meinen Aufsatz in der
„Germania" N. Reihe, XXII. Jahrg. S. 133) :
Weifse Mutter, öffne Tür und Tor,
Lafs die liebe Sonn' hervor;
Vor der lieben Sonne mufs
Rasch entfliehen Frau Klumpfufs.
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Durch die Erwähnung des „goldenen Fadens" steht ein
Lied der deutschen Kinder in der Zips, das sie bei Regen-
wetter zu singen pflegen, noch näher zum Kreis „der drei
Mareien"; es lautet also;
Liabe Frau, mach's Thürl auf,
Bring' die liabe Sunn herauf,
Lafs de Regen drinne,
Lafs de Scbnee verrinne;
Komm ans danem Brünnchen,
Briang dan goldig Kindchen,
Briang a goldnen Faden,
Behüete uns vor Schaden!
Ganz verwischt sind diese Beziehungen im folgenden
Kinderliede der Siebenbttrger Sachsen (s. Schuster Fr. W.,
Siebenb.-sächs. Volkslieder S. 337):
Et fgd un ze renen, Es fangt an zu regnen,
God kid enkgnen; Gott kommt entgegen,
di de ren afhalt, Der den Regen aufhält,
d&d äs e selich man, Das ist ein seliger Mann,
di ed ueh weder mäche kän, Der es auch wieder machen kann,
di ed uch wecler zerdremere Der es auch wieder zertrümmern
kän. kann.
Einen viel deutlicheren Bezug auf die drei Nornen und
das „goldene Seil" finden wir in den folgenden sieben-
btirgisch-sächsischen Kinderliedern :
Ich läsz mer a rgzken guor wol Ich lafs mir ein Röfschen gar
beschlö, wohl beschlagen,
Ich läsz et än der sailgasz gö. Ich lafs es in die Seilgafs gehn.
DS et na körn for Katiche Da es nun kam vor Kätchens
sai dir, (seine) Tür,
d6 w6r en galden bräk, Da war eine goldene Brücke,
dö wör och mai gläck. Da war auch mein Glück.
Bei Schuster, a. a. O. S. 327, steht wohl zailgasz
(Zeilgasse); doch glaube ich, „Seilgasse" lesen zu dürfen,
besonders da im Siebenbürgisch-sächsischen „Zeile" für
„Gasse" gebraucht wird und somit „Zeilgasse" eine Art
Tautologie wäre; „Seilgasse" hingegen — so wie ich es im
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- 137 —
Volksmunde hersagen hörte — mag vielleicht einen ver-
wischten Bezug auf das „Glücksseil" haben. Das folgende
Lied der siebenb.-sächsischen Kinder nimmt auch Bezug
auf die drei Nomen; es lautet:
Drä N&ne' kun &m rür eraf, Drei Nane fNornen) kommen im
Rohr hervor,
se branjen e käinjt gefangen; Sie bringen ein Kind gefangen;
se lochten et an en trigeltchen, Sie legten es in ein Trögelehen,
et schläft wä e rene figeltchen. Es schlaft wie ein Regen- Vögelchen.
Vgl. auch das von Fr. Fr. Fronius a. a. O. S. 34 mit-
geteilte siebeub.- sächsische Kinderlied :
Si, si, sigelchen, Si, si, Siegelchen,
Der tuSwe flecht e figelchen, Dort oben fliegt ein Vögelchen,
Hae n£dde flaegen de Nonnen, Hier unten fliegen die Nonnen,
Se hatten e JLaendj gefangen, Sie hatten ein Sind gefangen,
Se schmieszent en de bach, Sie warfen'» in den Bach,
Dat et alles zebrach. Dafs es Alles zerbrach.
Die nächste Verwandtschaft mit den deutschen „Mareien-
Liedern" zeigt unter den hierhergehörigen Kmderliedern
der Siebenbürger Sachsen wohl das folgende — meines
Wissens bislang unedirte — Liedchen:
Zuzu, zuzu, redjen; Zuzu, zuzu, reiten;
De Baschfra af den wedjen Die Buschfrau auf den Weiden
Wal aser reszken gekt beschl6n, Will unser Röfschen gut beschlagen,
Dat wer hedj n6 Krune g6n, Dafs wir heut' nach Kronstadt gehn,
D<S as en hisch galden bräck, Da ist eine hübsche goldne Brücke,
D6 fandj Hani uch se gläck; Da findet Hanchen auch ihr Glück;
Baschfra git äs sejeltcher, Buschfrau giebt uns Schüchen,
Uch en sedän kereltchen. Auch ein seidnes Kittelchen.
Im Siebenbtirgisch-sächaischen heifsen also die drei
Schicksalsspinnerinnen, die deutschen Mareien: Nane,
Nonne, auch Wäinjken (s. Abschn. III S. 81).
Der Ort, an dem diese Wesen wohnen, liegt nach dem
Volksglauben in der Nähe einer Quelle, eines Brunnens
oder Baches. Nach dem Kinderglauben kommen die Kinder
von der Baschmöter, Baschfrä (Buschmutter, Busch-
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— 138 -
frau), die sie unter einem grofsen, dicken Baum im Walde
hervorgräbt, oder aus ihrem Brunnen, der unter einem
grofsen Baume sich befindet, herauszieht und oft — beson-
ders wenn die Kinder nicht fromm sind — wieder zu sich
nimmt Darum werden auch die Hebammen selbst häufig
— wenn auch nur scherzweise — Baschmöter genannt.
Die Kinder bringt nach dem auch unter den Sachsen all-
gemein herrschenden Volksglauben der Storch (Klapper-
schinkel). In Brenndorf bei Kronstadt wird auch die
Krähe als kinderbringender Vogel angesehen. In Schäfs-
burg holt man die Kinder „aus dem Kokelflufs oder aus
der toten Kokel" ; an anderen Orten werden sie gewöhnlich
aus dem in der Nähender Ortschaft befindlichen Bach oder
Brunnen geholt (Hillner, Volkstüml. Glaube u. Brauch
b. Geburt u. Taufe im Siebenb. Sachsenl.; Gymnas.-Progr.
1877 Schäfsburg, S. 17). Verbreitet ist auch der Glaube,
dafs die Kinder von Bäumen herrühren. Die Knaben holt
man vom Birnbaum, die Mädchen von einem Pflaumenbaum
(vgl. Meier E., schw. S. Nr. 247). Das Kind wird unter
dem Nufsbaum oder Zwetschkenbaum ausgegraben (Rätsch) ;
aus dem Walde, Garten oder unter dem Birnbaum her
wird es gebracht (Scharosch); die Eibesdorfer Kinder holt
man aus einer hohlen Weide; oft rührt das Kind (nur all-
gemein bezeichnet) unter dem Baume her ; bald wird es aus
dem Sandgraben des Kellers (Gergeschdorf), bald unterm
dicken Stein hervorgeholt (Hillner S. 17).
Obwohl bei den Siebenbürger Sachsen die drei schick-
salbestimmenden Schwestern, die Nomen oder Mareien, im
Volksglauben nicht mehr auftreten, und nur noch in Mär-
chen und Sagen eine Rolle spielen, so bezieht sich doch all'
der Volksbrauch und Volksglaube, den man bei Schwanger-
schaft und Geburt beobachtet, auf das zukünftige Schicksal
des Kindes, auf eine Abänderung oder Verhütung des bösen
und Herbeiführung des guten Schicksals. H i 1 1 n e r hat in
seiner trefflichen Abhandlung (S. 12 ff.) den diesbezüg-
lichen Volksglauben der Siebenbürger Sachsen zusammen-
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gestellt, von dem wir hier das Wichtigste mitteilen
wollen.
Will eine schwangere Frau wissen, ob sie einen Knaben
oder ein Mädchen haben werde, so nimmt sie eines jener
Holzstäbchen, die auf dem Webstuhl zwischen dem Garn
stecken, und reitet darauf mit zugemachten Augen auf die
Gasse; sieht sie hier zuerst einen Mann, so hat sie einen
Knaben, wenn eine Frau, ein Mädchen zu erwarten (St.
Georgen). Jeden Freitag in der Zeit der „Wochen" setzt
sich die Wöchnerin, die sich während der Schwangerschaft
an etwas „versehen", auf die Ttirsch welle (dirpel = Tür-
pfahl), mit den Füfsen auf einen Besen tretend und mit
dem Gesichte einwärts (ins Zimmer) gekehrt und denkt
nach, was ihr Häfsliches begegnet ist. Schliefslich betet sie
ein Vaterunser (Rutsch). In Minarken und St. Georgen mufs
die Wöchnerin, die sich „versehen", sieben aufeinander-
folgende Freitage auf der Türschwelle sitzen mit dem Ge-
sichte gegen die Gasse gekehrt, wenn sie ihr Kind von dem
betreffenden Gebrechen befreien will. Wenn sich eine
Schwangere „versehen" hat, so mute sie an jedem Sonntag,
während des Glockenläutens, in der Zeit der Wochen, auf
der Türschwelle sitzen, das Kopftuch abnehmen, die Zöpfe
auf dem Rücken herabhängen lassen und wünschen, dafs
das Gebrechen dem Kinde vergehe.
Als Mittel gegen das Versehen gilt folgender Brauch:
Wenn die schwangere Frau glaubt, sich an etwas versehen
zu haben, so soll sie sich sogleich an den Hintern greifen
und sich in Erinnerung bringen, sich nicht versehen zu
wollen, so wird es keine Folgen haben, oder das Kind wird
das „Mal" an diesem Körperteil erhalten (Schäfsburg, Unter-
wald). In Brenndorf steigt die schwangere Frau, wenn sie
sich versehen zu haben glaubt, auf den Turm und sieht von
da herab (Hillner S. 18). Ferner berichtet Ziegler:
Eine schwangere Frau darf in der „ersten halben Zeit"
keinen mifsgestalteten Menschen oder Tier scharf ansehen,
sonst „versieht sie sich, und ihr Kind wird mit ähnlichen
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Zeichen oder Gebrechen, wie die gesehenen, zur Welt
kommen. Eine Schwangere darf nicht mit einer jungen
Frau am zweiten Hochzeitstage zur kirchlichen Einsegnung
gehen, noch darf sie Taufzeuge (Guod) sein, sonst stirbt
das Kind, ebenso wenn sie um einen Grabhügel herum-
geht ; und wenn sie webt, so zerdrückt sie den Kopf ihres
Kindes. Wenn sie nickt eingestehen will, dafs sie schwanger
ist, so lernt ihr Kind nicht reden, und wenn sie Schweine-
grunzen, Hundebeilen, Katzenmiauen udgl. hört, ohne dabei
an ihre Schwangerschaft zu denken, so ahmt ihr Kind diese
Töne so lange nach, bis sie an die Ursache hievon denkt;
in der Zeit der „Wochen 0 mttfc sie dann öfter auf die
Türschwelle sitzen und sich immer hieran erinnern, sonst
behält das Kind die üble Gewohnheit bei (Hillner S. 13).
Hört die Schwangere dem Geschrei der Raben «nd Elstern
zu, «ohne dabei auszuspucken, oder stiehlt sie selbst etwas,
so wird ihr Kind diebisch. Die Schwangere darf kein
Schwein mit dem Fufse stofsen, sonst bekommt das Kind
Borsten auf dem Rücken ; sie darf keinen Hund oder Katze
achlagen, sonst wachsen dem Kinde Haare im Gesichte ; sie
darf auf kein getötetes Tier treten, sonst lernt ihr Kind nie
gehen. Sie darf auch nicht auf Hanfabfalle urinieren oder
Bohnen in ihre Schürze schütten, sonst bekommt das Kind
einen Hautausschlag. Trinkt eine Schwangere aus einer
hölzernen Kanne oder aus einem Schöpfeimer, so bekommt
ihr Kind den Speichelflufs (et siwert), und putzt sie den
Ofen, so stirbt ihr Kind an Engbrüstigkeit (Hill n er S. 14).
Wirft man auf eine Schwangere Blumen, so bekommt das
Kind an der Stelle, wohin man die Mutter getroffen hat,
ein „Mal". Eine Schwangere darf keinen Zwirn um ihren
Nacken wickeln oder Perlen am Halse tragen, sonst wickelt
sich dem Kinde bei der Geburt die Nabelschnur um den
Hals ; dasselbe geschieht, wenn sie über eine Wagendeichsel
springt. Verkehrt kommt das Kind auf die Welt, wenn die
Schwangere auf dem Wagen nach rückwärts gekehrt sitzt
und fährt, oder wenn sie beim Backen über die Ofen-
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— 141 -
schüseel schreitet ; tritt sie aber mit demselben Fufs wieder
über dasselbe Ofengerät zurück, so ist nichts zu befürchten.
Sitzt die Schwangere bei Tisch „über Eck" oder ifst sie
eine zusammengewachsene Frucht (Pflaumen, Kirschen,
Haselnüsse), so bringt sie Zwillinge zur Welt (Hillner
S. 13). -
Tritt die Stunde der Geburt ein, so werden alle
Schlösser an Türen und Kästen im Hause aufgeschlossen
und Alles, was sich an der Erkrankten „Geknüpftes" findet,
wird losgebunden, damit die Geburt leichter erfolgen kann
(H i 1 1 n e r Si 15). Die Fenster werden geschlossen und mit
Tüchern verhangen, damit Mutter und Kind vor bösen
Geistern geschützt werde. In Rosenau legte man vor fünf-
zig Jahren der Gebärenden einen Silberzwanziger und etwas
Dillkraut ins Bett, und sie sagte dann:
„Ech laien af Sälver och Däll,
Manj Kenjd sol senj, wa ech wäll."
(I«h liege auf Silber und EMU;
Mein Kind soll sein, wie ich wilL)
(Hrllner S. T5). Knoblauch, Dill und Dorant hat im
»iebenbürgisch-sächsischen Volksglauben zauberabwehrende
und zaubererstickende Kraft (Haltrich-Wolff a. a. O.
S. 296).
Kommt das Kind in einem „Glücksschleier* oder in
einer „Glückshaube" (Embryonenhaut) zur Welt, so ist es
zeitlebens glücklich. „Der Glücksschleier wird getrocknet
und in einem seidenen Säckchen verwahrt und bei der
Taufe dem Kinde beigelegt (mitgetauft). Ist derselbe mit
noch zwei Kindern gleichen Geschlechtes mitgetauft (also
dreimal getauft worden), so ist er zeitlebens für das Glücks-
kind, von dessen Eltern er sorgfältig aufbewahrt wird, ein
glückbringender Talisman" (Hillncr S. 15).
Um die Geburt zu erleichtern, soll die schwangere Frau
von einer Truhe herunterspringen, in eine gläserne Flasche
blasen oder mit dem Fufse an die Türe stofsen; oder sie
soll vor dem Herde niederknien. Wenn die Entbindung
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schwer von statten geht, so wäscht man die Glocke auf
dem Turm und gibt der Frau von diesem Wasser zu trinken ;
in früheren Zeiten läutete man in solchen Fällen auch mit
den Kirchenglocken (Hillner S. 26; vgl. J. W. Wolf,
Beitr. z. d. Myth. Nr. 572). In einigen Ortschaften zerlegt
bei solchen Gelegenheiten der Mann den Wagen, indem er
die Vorderräder loslöst, oder er zieht die Axt vom Stiele
und wirft beides unter das Lager der kreisenden Gattin 1 ).
Soll ein uneheliches Kind geboren werden, so mufs die
Frau, „der ihre Stunde gekommen", zuerst sagen, wer der
Vater des Kindes ist, sonst kann sie nicht „erlöst" werden
(Hillner S. 26).
„Von Bedeutung für das zukunftige Schicksal des Neu-
geborenen — berichtet Hillner (S. 16) — ist auch Tag
und Stunde seiner Geburt. Als eine besonders glückliche
Zeit gilt ein Sonn- oder Festtag, zumal wenn die Geburt
während des Gottesdienstes erfolgt Das Sonntagskind gilt
tiberall (bei allen deutschen Volksstämmen) als ein Glücks-
kind. Wenn es sieben Jahre alt ist und man ihm an seinem
Geburtstage die Fingernägel mit Nägelöl bestreicht, so kann
es die unterirdischen Schätze durch seine durchsichtigen
Finger sehen. Als Unglückstag wird fast allgemein an-
gesehen der Freitag (in Brenndorf gilt er als ein glücklicher
Geburtstag) 2 ) und der dreizehnte Tag im Monat; als solche
gelten weiterhin: Im Januar 1. 2. 6. 11. 17. 18; im Februar
8. 14. 17; im März 1. 3. 13. 15; im April 1. 3. 15. 17. 18;
im Mai 8. 10. 17. 30; im Juni 1. 17; im Juli 1. 5. 6. 14;
im August 1. 3. 17. 18; im September 2. 15. 18. 30; im
Oktober 15. 17; im November 1. 7. 11; im Dezember 1.
6. 11. 15."
J ) S. darüber mein Heft: „Sitte u. Brauch d. Siebenb. Sachsen"
S. 8 (Hamburg 1888, Verlagsanstalt; Samml. gemeinv. wiss. Vorträge,
") Vgl. einen wichtigen Beitrag zum Freitag in meinem Werke:
„Aus dem Volksleben der Magyaren" (München 1892, Dr. Huttier)
S. 68.
Heft 63).
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Bezüglich der glücklichen oder unglücklichen
Geburtszeit können wir noch Folgendes aus dem Volks-
glauben der Siebenbürger Sachsen mitteilen. Ein Spruch
aus dem Burzenland lautet:
Sonntagskinder — Glückskinder,
Montagskinder — kluge Kinder,
Dienstagskinder — reiche Kinder,
Mittwochskinder — Schlabberkinder (vielredende),
Donnerstagskinder — Zornkinder,
Freitagskilider — Unglückskinder,
Samstagskinder — Todeskinder!
„In der Nacht geborene Kinder galten früher als schläfrige,
am Tag geborene als muntere" (Hillner S. 26). Das zur
Mittags- oder Mitternachtszeit geborene Kind stirbt bald.
Wer bei Wind und Sturm nächtlicher Weile geboren wird,
der stirbt eines unnatürlichen Todes. Bei Vollmond werden
schöne und gesunde Kinder, bei abnehmendem Lichte aber
kränkliche und schwächliche geboren (Hillner S. 27).
Rechte Glückskinder sind die zu Ostern oder Pfingsten ge-
borenen. Wenn die Mutter ihre Frucht abtreibt, so mufs
sie das getötete Kind im Jenseits fortwährend herumtragen
(Hillner S. 27) 1 ). -
Das Bett der Wöchnerin wird mit grofsen Leintüchern
umhangen, um Mutter und Kind vor dem Einflufs der
„Bösen" zu schützen. Bevor man das Kind in die Wiege
legt, wird dieselbe und auch das Kind selbst mit Kümmel,
Wachholderbeeren und Weihrauch geräuchert und drei
Knoblauchzwiebel, drei Pfefferkörner und drei Teilchen
Weihrauch werden in ein Tüchlein geknüpft in die Wiege
gelegt, um jeden Zauber abzuwehren (s. Müller, Siebenb.
Sagen 1857; Nr. 60).
„In der ersten Zeit der Wochen bedrohen die Wöch-
nerin und ihr Kind, namentlich bis zur Taufe des Letzteren,
nach dem sächsischen Volksglauben mannigfaltige Gefahren
J ) Vgl. ebenda.
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von Menschen, welche sie besuchen und elbischen Wesen
(Müller a. a. O. Nr. 60). Wird zum Beispiel die Wöch-
nerin von einer säugenden Frau besucht, so kann ihr diese
die Milch nehmen; um dieses zu verhüten, mufs die Be-
suchende aus ihren Brüsten ein paar Tropfen auf das Bett
der Wöchnerin melken. Unterläfst Jemand, der die Kinds-
betterin besucht, sich niederzusetzen, oder irgend etwas
(etwa ein entbehrliches Stückchen von seiner Kleidung)
„abzuzupfen" und auf das Wochenbett zu werfen, so nimmt
er dem Kind den Schlaf 4 (Hillner S. 21).
Gerade in dieser Zeit vor seiner Taufe kann das Kind
besonders von Menschen, welche einen bösen Blick haben,
d. h. deren Augenbrauen Uber der Nasenwurzel zusammen-
gewachsen sind oder deren Augen triefen, durch scharfes
Ansehen „berufen" (beschrieen) werden.
Die gewöhnlichsten Schutzmittel gegen das Berufen
sind': Es wird dem Kinde an das Häubchen mitten über
der Stirne eine Goldmünze oder ein rotes Band als BKck-
ableiter genäht Die Leute sehen dann auf die Münze oder
das Band, nicht auf das Kind, und so geschieht dem Kinde
nichts; dieses Mittel ist auch gut gegen den Alp (Halt-
rich-Wolff S. 259). Gegen das „Berufen" wird das Kind
auch dadurch geschützt, dafs man ihm mit der Zunge ein
Kreuz an die Stirne leckt oder mittelst Holzkohle an die-
selbe ein Kreuz macht. Den Säugfingen hängt man an den
Hals ein dreieckiges, aus feinerem Stoff verfertigtes und
Weihrauch, Gewürz und starkriechenden Sachen gefülltes
Pölsterchen (Taschken), auf welches ein Natternköpfchen
gestickt ist An diesem Täschchen nagt das Kind während
des Zahnens, und es ist zugleich ein Mittel gegen das Be-
rufen (Hillner S. 21). Oder man kocht ein Säckchen in
Herzgestalt, nimmt dann drei Weizenkörner, drei Kohlen,
drei Stückchen Weihrauch, etwas Knoblauch und ein Stück-
chen vom Glockenseil, näht das Alles ins Säckchen und
hängt es dem Kinde um den Hals (so in dem handschrift-
lichen Bericht Michael Binders 1787—1807, Pfarrer zu
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Deutsch-Kreutz, über sächsischen Aberglauben; s. Halt-
rich-Wolff S. 260). Ein Messer oder ein Stück ver-
rostetes Eisen, ein Buch oder ein Besen, in die Wiege ge-
legt, ist auch ein Schutzmittel gegen das Berufen sowohl,
als auch gegen den Alp.
Unter den Heilmitteln, welche bei „berufenen" Kindern
angewendet werden, steht an erster Stelle das sogenannte
Aescherchen, das man auf folgende Weise bereitet:
„Man schneidet von drei verschiedenen hölzernen Stuben-
ecken und von drei Türschwellen je einen Span, nimmt
dazu noch drei obere Spitzen (härzketcher) von verschie-
denen jungen Baumsprossen, legt dies zusammen in ein mit
fliefsendem Wasser angefülltes Töpfchen, welches Wasser
unter einer Brücke und zwar nicht gegen, sondern dem
Flusse nach geschöpft worden, wirft mit der Feuerschaufel
(dem stöcheisen) dreimal glühende Asche hinein und läfst
es zu einer Lauge kochen. Hierauf nimmt man eine mit
Zwirn gefademte und damit umwundene Nähnadel, steckt
dieselbe nicht mit der Spitze, sondern mit dem Oehr in den
Boden eines Trogs senkrecht ein, stülpt das Töpfchen zu-
samt der gekochten Lauge über die Nadel und setzt dieses
Alles unter die Wiege, in welcher das Kind liegt. Zieht
sich nun die Lauge in den leeren Topf zurück, so ist es
ein sicheres Zeichen, dafs das Kind berufen und seine Ge-
nesung nun gewifs ist; bleibt aber die Lauge aufserhalb
des Topfes stehen, so ist das Kind nicht berufen" (aus
M. Binders handschriftlichem Berichte).
Umständlicher verfahrt man dabei in Schäfsburg: In
ein Töpfchen kochendes Wasser, welches nicht gegen, son-
dern dem Flusse nach geschöpft worden ist, werden hinein-
gegeben neun Glieder von Strohhalmen, welche beim Ab-
pflücken in umgekehrter Ordnung von neun bis eins gezählt
wurden; ferner werden aus dem Zimmer, in welchem das
Kind gewöhnlich liegt, Stückchen Holz abgeschabt und
zwar vom Herdfufs, Tischfufs, der Türschwelle (Dirpel),
der Wiege und jeder Ecke des Fufsbodens ; diese Stückchen
W 1 i sl o c k i t Volksglaube u. Volksbraoch d. Siebenb. Sachten. 10
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werden ebenfalls in umgekehrter Ordnung gezählt und dann
ins siedende Wasser geworfen. Darauf werden neun Messer-
spitzen voll Asche, welche gleichfalls in umgekehrter Ord-
nung von neun bis eins zu zählen sind, in das Wasser ge-
geben. Ist all dieses einmal aufgekocht, so wird es in eine
Schüssel ausgeleert und das heifse Töpfchen darauf gestülpt.
Zieht sich das Wasser aus der Schüssel ins Töpfchen hinauf
(welches nach physikalischen Gesetzen immer der Fall ist),
so ist dieses ein Beweis dafür, dafs das Kind „berufen"
war. Mit dem in dieses Wasser getauchten Finger wird
die Stirne des Kindes dreimal übers Kreuz bestrichen, wo-
bei die Worte gebraucht werden : „E si wö sich det Wässer
ännen zecht, e si sal der och det Berofan vergdn. Aem
Nume Gottes etc." („So wie sich das Wasser hineinzieht,
so soll dir auch das „Berufene" vergehen. Im Namen
Gottes etc.") Die Formel wird dreimal wiederholt, darauf
gibt man dem Kinde neun in verkehrter Ordnung gezählte
Tropfen von dem Wasser zu trinken (Hillner S. 22).
Aehnlich verfahrt man in Gergeschdorf. Man gibt in
einen Topf kochendes Wasser ein glühend gemachtes Huf-
eisen oder auch nur ein Stückchen desselben ; aus den vier
Eicken des Hausdaches wird je ein Stroh- oder Rohrhalm,
oder, wenn das Haus mit Schindeln gedeckt ist, ein Stück-
chen Schindel von jeder Dachecke dazu gegeben : von jeder
Tisch- und Türecke wird ein bischen Holzmehl abgeschabt
und beigemischt. Schließlich wird Asche aus drei ver-
schiedenen Stellen, welche durch einen Druck mit der
Messerspitze früher bezeichnet worden sind, mit dem Messer
herausgehoben und ins Wasser geworfen. Wenn das ganze
aufgekocht ist, badet die Mutter das berufene Kind in diesem
Wasser (Haltrich- Wolff S. 261).
Gegen das Berufen hilft ein Pflugeisen, das man
glühend macht, dann mit Wein begiefst und den Dampf
unter das Kind ziehen läfst (Eibesdorf). Oder man gibt
dem Kinde Wasser zu trinken, in welchem aus dem Holze
eines sich kreuzenden Zaunes herrührende Kohlen gelöscht
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worden sind (St. Georgen). M. Binder gibt noch fol-
gende Mittel an: Man schneidet von dem Riemen, an wel-
chem der Klöpfel in der Glocke hängt, ein Stück ab, pul-
vert es im Feuer und gibt von diesem Pulver dem Kinde
dreimal in lauwarmem Wasser ein. Oder man nimmt von
einem auf Bäumen oder im Felde aufgestellten sch&selt
(Vogelscheuche), das man aber vorher nicht darf gesehen
haben, ein Stück, aus dem das schaselt besteht, pulvert sol-
ches und gibt es dem Kinde ein. — Die Vogelscheuche ist
hier gleichsam die Personifikation der Baumseele oder des
Krankheitsgeistes, ,der seinen Wohnsitz im Baume oder
Felde hat. Das Mittel selbst bezieht sich eben indirekt auf
die allgemein menschliche Grundanschauung von der Be-
seelung der Pflanze oder von der Wesensgleichheit zwischen
Menschen und Pflanzen, eine Anschauung, die im Volks-
glauben der Siebenbtirger Sachsen nur noch in verwischten
Zügen hervorleuchtet. „Diese Vorstellung steigerte sich in
früher Vorzeit ohne Zweifel zu dem wirklichen Glauben,
dafs die Pflanze ein dem Menschen gleichartiges, mit Denken
und Gesinnung begabtes Wesen, Mann oder Weib sei. Als
später im primitiven Bewufstsein ein Bruch eintrat und eine
Art von botanischem Begriff aufzukommen begann, suchte
jener Glaube in veränderten Formen sein Dasein zu retten.
Zunächst mufste er sich, von Tag zu Tag fortschreitend,
eine Einschränkung auf einzelne Individuen gefallen lassen,
an denen das Wunder noch haftete, während die grofse
Mehrzahl der Gewächse der nüchternen Betrachtung und
dem noch mehr ernüchternden Gebrauche des wirtschaft-
lichen Lebens verfiel. Sodann hiefs es nun entweder, die
Pflanze sei der zeitweilige Sitz, das Kleid, die Hülle einer
durch den Tod aus dem leiblichen Dasein entrückten Men-
schenseele, oder gewisse Pflanzen sind verwandelte Menschen
oder Halbgötter, deren Bewufstsein durch Zauber oder
.Schicksalsspruch in ihnen noch fortlebt. Endlich weifs
eine dritte Anschauungsweise von einem geister-
haften Wesen, einem Dämon, dessen Leben an
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das Leben der Pflanze gebunden ist. In ihr hat
er seinen gewöhnlichen Aufenthalt, sie ist gleichsam sein
Körper und doch erscheint er vielfach auch aufser ihr in
Tier- oder Menschengestalt und bewegt sich in Freiheit
neben ihr." Mit diesen Worten hat Wilhelm Mann-
hardt den einschlägigen Glauben der Völker in bündigster
Weise erklärt. —
Als Mittel gegen das Berufen führt M. Binder noch
an: Man nimmt, wenn das kranke Kind ein Mädchen ist,
vom Vater, ist es aber ein Knabe, von der Mutter das
Fufstuch aus dem rechten Schuh, taucht solches in den
Urin ein und schlägt es dem Kinde um die Stirne. Oder
man wirft drei glühende Kohlen in ein Glas Wasser, be-
kreuzt dann mit der Hand oder einem Messer den Becher,
wäscht darauf von diesem Wasser dem Kinde den Kopf und
flöfst ihm einige Tropfen ein.
Wenn ein Kind geboren ist, schneidet die Hebamme
ihm die Nabelschnur ab, zieht sie über eine Spule und läfst
sie trocknen. Ist das Kind erwachsen, so läfst man es zu-
weilen durch die Nabelschnur sehen, dann wird es klug
(Haltrich-Wolff S.313). Ist das Kind berufen, so wird
ein wenig von der Nabelschnur klein gestofsen, in warmem
Wasser aufgelöst und dem Kinde zu trinken gegeben
(Hillner S. 22). -
„Die Beschreiungsgeister gehorchen dem bösen Blicke,"
sagt F. S. Kr aufs, „gleichsam als wären sie sein Ausflufs.
Dieser Gedanke ist so alt wie die Menschheit." Es sind
Quäl- und Martergeister, die durch bösen Blick oder durch
unglückselige Rede einem auf den Hals geschickt werden
können. Dafs auch im sächsischen Volksglauben ursprüng-
lich Beschreiungsgeister existiert haben, dafür sprechen die
Heilmittel gegen das Berufen. Heute ist dieser Glaube ver-
schwommen, und der gemeine Mann kann sich das Berufen
nicht mehr erklären. So viel weifs er noch, dafs das Be-
rufen der Ausflufs eines bösen Blickes ist, und dafs mancher
gutmütige Mensch auch gegen seinen Willen die Gabe be-
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sitzt, durch seinen Blick andere Leute zu beschreien. Aber
alle Heil- und Schutzmittel sprechen dafür, dafs auch bei
den Sachsen das Berufen unter einer bestimmten Gestalt,
als Beschreiungsgeister gedacht wurde, als ein Ueberall-
undnirgendsvölkchen, „welches zu schlimmen Streichen stets
aufgelegt, nicht viel Mut besitzt und sich durch kräftige
Bannsprüche und Drohungen leicht einschüchtern läfst."
Um das Kind vor den Hexen oder dem Alf (s. Ab-
schnitt I S. 3) zu schützen, mufs man bis zu des Kindes
Taufe Tür und Fenster geschlossen halten ; auch darf man
das Kind nie allein in der Stube lassen. Mufs dies dennoch
geschehen, so legt die Mutter einen Besen, Brod, ein Ge-
sangbuch oder ein Messer, mit der Schneide nach aufwärts
gekehrt, in die Wiege (Hillner S. 24). In Proptsdorf
hängt man eine Sense in den Rauchfang, damit der Alf das
Kind nicht umtauschen kann, denn es heifst: er komme oft
zum Schornsteine, zum Ofenloch ins Zimmer und fliege im
Drehwinde durch die Luft (Scharosch). Um den Alf ab-
zuwehren, werden in Rosenau bei Nacht in die Wiege ge-
legt : ein Besen, eine Feuerschaufel, ein Messer, eine Gabel,
ein Gespinst, bei welchem die Spindel mit der linken Hand
gedreht wurde, Katzenbaldrian, Eisenkraut, Aronswurzel,
Schwarzwurzel (Hillner S. 24). Unterlälst man dieses, so
tauscht der Alf das Band gegen eines seiner eigenen häfs-
lichen Kinder um. „Der Alf ist klein und dick; er hat
einen dicken Kopf, struppiges Haar, ein breites, altes, runz-
lichtes Gesicht, blöde, glotzende Augen, plattgedrückte Nase,
weiten, gefräfsigen Mund und kurze, krumme Beine und
Arme. Genau so sieht auch das Alfkind aus. Es lernt
schwer reden und gehen und lebt höchstens 7 bis 8 Jahre.
Solche Kinder hat es vor nicht langer Zeit in mehreren
sächsischen Ortschaften gegeben. Ein Alfkind kann wieder
umgetauscht werden (s. Abschn. IH „Darre, Hundsalter"),
wenn man demselben längere Zeit keine Nahrung reicht
(vgl. Müller Nr. 50) und das eigene zurückverlangt
(Scharosch), oder wenn man so lange mit dem „Bl&el"
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(breites Holz zum Ausklopfen der Wäsche) auf das Alfkind
schlägt, bis sich der Ali seiner erbarmt und es zurück-
nimmt Ein ähnliches, noch drastischeres Mittel, das Alf-
kind umzutauschen, kennt man in Leschkirch; man setzt
das Alfkind auf die Dornen eines Zaunes und schlägt es
so lange mit einem Dorn, bis das Blut fliefst; dann kommt
der Alf herbei, wirft das geraubte Kind hin und nimmt
das seine zurück. Zur Vertreibung des Alfs brauchte
eine Rumänin in Rosenau folgende originelle rumänische
Formel:
Nimicu nu sciu;
nimica sa nn fie!
Numai plata mea se o sciu:
Unu sciucu rnare de slanina,
O legetura de foina,
Colacu in pragu!
En nnmele tatului, fiului
8i alu santului duchu amin!
Nichts weifs ich;
Nichts soll geschehen!
Nur meinen Lohn soll ich wissen:
Ein grofses Stück Speck,
Ein Tuch voll Mehl,
Ein zusammengewundenes
Kleidungsstuck auf die Türschwelle
gelegt! Im Namen Gottes usw.
Soll das Kind nicht in die Gewalt böser Geister geraten,
so darf man dasselbe auch nicht in den Spiegel sehen lassen,
oder in das offene Fenster halten" (Hillner S. 25). Dem
Kinde mufs die Mutter die Nägel zum erstenmal abbeifsen,
sonst lernt es stehlen. Die Folgerung »sonst lernt es stehlen c
ist modern. „Der Aberglaube wurzelt in der Anschauung,
dafs die Hexen über den Gewalt bekommen, von dessen
Körper oder Eigentum sie etwas in ihre Gewalt bekommen.
Darum müssen ausgefallene Zähne, abgeschnittene Haare
und Fingernägel sorgfaltig versteckt werden" (Haltrich-
Wolff S. 314; vgl. Gaster in der „Germania" 26, 205).
In der ersten Zeit nach der Geburt soll man im Zimmer
der Wöchnerin während der Nacht das Licht brennen lassen,
damit das Kind vor den T rüden (Hexen), welche dem-
selben das Herz aussaugen wollen, gesichert ist (vergL
Müller Nr. 140). Die Truden nehmen dem Kinde oft
auch das Gliedwasser und verzerren ihm den Mund; sie
bringen manchmal der Wöchnerin zu essen (Aepfel, Birnen) ;
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ifst diese, so ist es nicht gut. Als weiteres Schutzmittel
gegen die Traden dient auch ein altes Lederstück, welches
man abends vor dem Schlafengehen in die Herdasche legt
(Hillner S. 25).
Vor wenigen Jahrzehnten ward das sächsische Kind
schon am zweiten Tage nach der Geburt getauft; gegen-
wärtig tauft man es 8 — 14 Tage nach seiner Geburt; „denn
wenn ungetaufte Kinder starben, so glaubte man früher
z. B. in Rosenau, dieselben kämen in den „Frauhülderaihen"
(Frau Holda-Reigen) , wo sie zur Frühlings- und Herbst-,
Tag- und Nachtgleiche mit Gesang und Geräusch über den
Ort ihrer Geburt hinüberzögen. Wer dann im Monden-
scheine von ihrem Schatten berührt wurde, verfiel entweder
in eine schwere Krankheit (Epilepsie) oder wurde gelähmt.
Auf diese Weise Erkrankte können durch folgende Formel
(in Rosenau) geheilt werden:
All ir äschäidig Silen,
dä ir vun dene vilen
noch agedoufte Känjden
erämmer zänj möazt änjden
an dem Frauhülderaihen
und am ir mgtjer schritten,
hilft desem uerme Kronken,
dat hie n6tj mi sol wonken;
dat hie sol frilech sproinjen,
won ir unhiewt det Soinjen;
dät hie netj sol verdärwen
und un der Rronkhit stärwen!
Aem Nume Gottes usw.
All ihr unschuldige Seelen,
die ihr von den vielen
noch ungetauften Kindern
herumziehen müsset immer
in der Frau Holla Reigen
und um eure Mütter schreien,
helft diesem armen Kranken,
dafs er nicht mehr wanken;
dafs er soll fröhlich springen,
wenn ihr anhebt das Singen;
dafs er soll nicht verderben,
und an der Krankheit sterben!
Im Namen Gottes usw.
(Hillner S. 28). Ein später geborenes Kind darf nicht
den Namen eines früher gestorbenen derselben Familie er-
halten, sonst stirbt es bald (Haltrich-WolffS. 314).
Eine Menge von Gebräuchen schart sich nun auch
um die Tauf handlung , die alle mit dem Schicksalsglauben
zusammenhängen, und hier angeführt werden müssen:
Wenn das Kind zur Taufe getragen wird, darf man nicht
durch ein Gäfschen gehen, sonst geht es, wenn es gröfser
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geworden ist, müfsig (Haltri ch- Wolff S. 314). Hillner
(S. 38) berichtet: Wenn man ein Kind aus dem Hause zur
Taufe in die Kirche tragen soll, so tut man Brot und Salz
in seine Wickel, um es vor bösen Geistern zu schützen
(Unterwald). Sind in einer Familie mehrere Kinder ge-
storben, so verhütet man den Tod eines Neugeborenen,
wenn man es den Taufeeugen zum Fenster der Wohnung
hinaus tibergibt und nach vollzogener Taufe zum Fenster
wieder hereinnimmt (St. Georgen). Zur Taufe trägt man
das Kind stets zur hinteren, in den Hof führenden, nie zur
vorderen Türe, welche unmittelbar auf die Gasse führt, und
bringt es auch durch die nämliche Türe heim, sonst wird
dasselbe ein Müssiggänger (St. Georgen). Unfruchtbare
Frauen holten sich das Taufwasser ab, tranken davon und
wuschen sich damit, weil sie glaubten, dadurch fruchtbar
zu werden (Rosenau). Wenn ein Brautpaar zur Trauung
in die Kirche geht, und es begegnet demselben ein neu-
getauftes Kind, so wird die Ehe eine mit vielen Kindern
gesegnete sein. Geht eine junge Frau früher auf eine
Leiche, als auf eine Taufe, so sterben ihr die Kinder (St.
Georgen). Begegnet dem Taufzuge zuerst eine männliche
Person, so wird das nächste Kind der Wöchnerin ein
Knabe; begegnet demselben aber eine weibliche Person, so
wird es ein Mädchen (Leschkirch) ; begegnet aber dem Zuge
ein walachischer Pope (Geistlicher), so stirbt es bald
(Rosenau). Während dem Taufgange dürfen die Patinnen
nicht hinter sich sehen, sonst wird dasselbe böse (Deutsch-
Kreutz). Schläft das Kind während der Taufe, so wird es
ein frommes, weint es, so wird es ein böses Kind sein.
Weint das Kind während der Taufe, so stirbt es bald
(Heidendorf, Leschkirch), und werden zwei Kinder auf
einmal (aus einem Taufwasser) getauft, so stirbt eines von
ihnen (Schäfsburg). Wenn man viele Knaben hinter ein-
ander oder auch zugleich tauft, so entsteht, wenn diese grofs
sind, Krieg. Wenn viele Mädchen zugleich getauft werden,
so wird der Wein gut geraten" (Hillner S. 39).
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Auf alten, heidnischen Opfergebrauch scheint das beim
Taufschmaus übliche Springen über den Badtrog hinzu-
weisen. Es wird nämlich der Badtrog des Täuflings mit
der Oeflhung nach unten auf den Fufsboden in die Mitte
der Stube gelegt und auf ihn ein brennendes Licht gestellt ;
alle anwesenden jungen Frauen müssen nun über den Bad-
trog springen, ohne dabei das Licht auszulöschen; die-
jenigen, welche sich zu springen weigern, bringen keine
Knaben, sondern nur Mädchen zur Welt; die Springerin
aber, durch deren Sprung das Licht ausgelöscht wird, wird
nie Kindern das Leben schenken. In St. Georgen müssen
nur die jungen Frauen über den Badtrog springen, die zum
erstenmal Goden (Taufpatinnen) sind. „Auf den um-
gestülpten Trog wird in ein Häufchen Asche ein Ei gelegt;
wenn dasselbe beim Trogüberspringen herabrollt, werden
die Betreffenden ausgelacht. In Scharosch (bei Fogarasch)
mufs jeder Taufzeuge bei Uebergabe der Geschenke über
den Trog springen" (Hillner S. 41). In Heidendorf
springt jede Frau in Gesellschaft eines Mannes, jedoch nicht
des ihrigen, über den Trog, und die Hebamme wirft hiebei
dem Manne ein Ei und etwas Werg unter die Füfse. In
Leschkirch springt die Hebamme allein über den Trog und
zwar so vielmal, als Gäste vorhanden sind, sagt dabei jeder
Person eine Schmeichelei und wird dafür beschenkt. In
Rosenau mufste in früheren Zeiten jede Frau bei dieser
Gelegenheit über den Butterständer springen; in diesen
wurde ein Besen verkehrt hineingestellt und an dem obersten
Ende desselben eine brennende Kerze befestigt. Stiefs eine
hinüberspringende Frau denselben um oder verlöschte auch
nur die Kerze, so mufste sie ein Pfand geben (Hillner
S. 42).
Aus der Fülle des sächsischen Volksglaubens möge
hier noch Einiges mitgeteilt werden, das sich beim Kinde
auf dessen zukünftiges Schicksal und auf die Abwendung
des kommenden Uebels bezieht. „Kinder darf man nicht
mit dem Kopf gegen Sonnenaufgang legen." Der Grund
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ist uns nicht mitgeteilt worden, aber es wird derselbe sein,
der dem Alemannen gebietet: das Taufkind tief überdeckt
zur Kirche zu tragen, dem Kinde die Sonne nicht in die
Augen scheinen zu lassen, derselbe, den auch der Vers einer
Liederfibel angibt:
Wenn die Sonne mit hellem Schein
Euch schauen will ins Bett hinein,
Kinder, springt geschwind heraus,
Sonst sticht sie euch die Augen aus
(Haltrich-Wolff S. 314). Die Sonne frifst die Kinder,
heifst es in der Schweiz (Rochholz, Deutsch. Glaube u.
Br. 2, 68). Legt die Mutter beim ersten Donner, den sie
nach der Geburt des Kindes hört, den Säugling auf die
Erde, so wird derselbe „stark 411 ). Ein blauäugiges Kind
bekommt schwarze Augen, wenn seine Mutter ihm dieselben
öfter mit ihrer Milch anspritzt. Wenn das Kind in der
Nacht regelmäfsig weint, so hat es den Nachtschrei (Nuochts-
kräsch), welcher sieben Wochen andauert*, wenn es aber
im Schlafe lacht, darf, der es sieht und hört, keinen Zwei-
ten darauf aufmerksam machen, sonst stirbt Jemand aus
dem Hause; im Schlafe lachende Kinder, heifst es, spielen
mit den Engeln 2 ). Das Kind darf nur nach Sonnenaufgang
und vor Sonnenuntergang gebadet werden und das Bad-
wasser darf nach Sonnenuntergang nicht ausgeschüttet wer-
den; schüttet man dasselbe an einen Ort, über welchen man
wegschreitet, so nimmt man dem Kinde den Schlaf. Nach
Anderen stirbt das Kind in diesem Falle (Hillner S. 51).
Das erste Badwasser des Kindes schüttet man unter einen
Baum in dem Glauben, dafs dadurch der Säugling „er-
starke" 8 ). Ein Kind, welches speit, gedeiht (daher der
Spruch: „Spoa, gedoah u = Spei', gedeih'), und welchem
l ) S. mein Heft: „Sitte u. Br. d. S. Sachsen" (Samml. gemein,
wiss. Vorträge Heft 68 S. 13).
*) Vgl. mein Werk: „A. d. Volksleb. d. Magyaren" S. 168.
8 ) S. mein Heft: „Sitte u. Br. d. S. Sachsen" S. 9.
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frühzeitig die Nase fliefst, bekommt viel Verstand, und ge-
lehrig wird das Kind, wenn man ihm ein Buch unter das
Köpfchen legt, oder wenn man ihm einen Brief in sein
Häubchen steckt; aber gar zu kluge Kinder werden nicht
alt (Hillner S. 52). Wenn man über ein Kind schreitet
oder es zwischen den Ftifsen durchgehen läfst, wächst es
nicht (Haltrich-Wolff S. 814). Andere glauben, dies
bringe ihm den Tod. Das Kind darf man nicht mit der
Elle messen, noch darf man es im Badetrog auf die Füfse
stellen und herumschreiten lassen, oder seine leere Wiege
schaukeln, sonst stirbt es (Hillner S. 52). Zwei Kinder,
welche noch nicht reden können, soll man sich nicht küssen
lassen, sonst lernen sie nicht reden; aus demselben Grunde
darf man ihm auch den Schmutz vom Scheitel des Kopfes
nicht wegkämmen. Kitzelt man das Kind an den Fufs-
sohlen, so lernt es nicht gehen, und badet man es nicht
vor dem Schlafengehen, so bleibt es klein wie ein Zwerg
(Hillner S. 52). —
Mit dem Glauben an die glückliche Geburtsstunde hängt
natürlich auch die Tagwähler ei zusammen. Die wich-
tigsten Tage im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen
sind der Sonntag, der Donnerstag und der Freitag.
Sonntagskinder sind — wie schon erwähnt — Glücks-
kinder. Am „schwarzen Sonntag" (Judica) darf man sonst
nirgends hingehen als in die Kirche; der Teufel geht um
und sucht, wen er verschlinge (Hermannstadt). Wer das
Hemd, das ihm seine Mutter am Sonntag genäht hat, anzieht,
der stirbt, und wer an diesem Tage Holz hauet, der heizt
damit die Hölle; auch soll man den Sonntag über das ge-
droschene Korn nicht in der Tenne liegen lassen, sonst
nehmen es die Truden (Haltrich-Wolff S. 287). Tritt
man an einem Sonntag während dem Kirchengeläute eine
Reise an, so kann man auf Erfolg rechnen. Roth schreibt
in seiner handschriftlichen Sammlung (s. Abschn. Hl S. 82)
„Dage-Bleder M : „Santech af de Feisz, Git e gat Reisz u
(Sonntag auf den Füssen, gibt eine gute Reise). Sonntag
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soll man nicht um eine Maid freien, denn man bekommt
dann eine faule Frau (Burzenland) , und wer am Sonntag*
stirbt, dem verzeiht Gott viele Sünden (Mühlbach). An
diesem Tage soll man nichts aus dem Hause weggeben,
leihen oder schenken, bevor nicht zur Kirche geläutet wird,
sonst gibt man das Glück aus dem Hause (Burzenland). —
Dienstag ist es gut, eine Reise anzutreten. In Deutsch-
Zepling treibt kein Hirte an einem anderen Tage als am
Dienstag das Vieh zum erstenmal auf die Weide. Vielleicht
geht die Sitte auf einen alten Rechtsbrauch zurück, doch
ist zu beachten, dafs in Westfalen und im Harz der Diens-
tag zum Antritt eines Dienstes als besonders günstig gilt
(Haltrich-Wolff S.278). — Am Mittwoch ist es nicht
gut, eine neue Arbeit zu beginnen; man hat kein Glück
dabei (vgl. die Ztschr. „Am Urquell" I, 157). — Donners-
tag ist in vielen Ortschaften der Hochzeitstag. Auch wer-
den die meisten Wochenmärkte an diesem Tage abgehalten.
— Am Freitag, heifst die Bauernregel, soll kein Neumond
entstehen, lieber soll die Welt untergehen. Das Brot, das
am Freitag gebacken wird, mifsrät, und wer an einem
Freitag eine Reise antritt, der hat Unglück. Freitag im
Neumond ist für alle Zauberei der geeignetste Tag (vergl.
J. S. Kr auf s, Volksgl. u. rel. Brauch d. Stidslav. S. 135).
„Am Freitag kommt hier und dort noch ein Kind ungekämmt
in die Schule. »Kämmen am Freitag bringt Ausschlag,«
liefs die Mutter eines Schulmädchens dem Lehrer an der
Bistritzer Vorstadtschule sagen; in Schwaben mehrt es das
Ungeziefer" (Haltrich-Wolff S. 288). Freitagskinder
sind Unglüekskinder (über Wöchnerinnen am Freitag s. S. 139).
— Am Sonnabend mufs die Sonne auch nur einmal
durch die Wolken blicken (en zänken schenjen = in Zinken
scheinen), damit der Kantor und die armen Waisen ihre
Hemden trocknen können (Haltrich-Wolff S. 244). In
Schwaben heifst es: sie scheine, wenn auch nur auf einige
Augenblicke, weil die Mutter Gottes ihren Schleier trocknen
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mufs *) (B i r 1 i n g e r , Volkstümliches 1, 189). Am Sonnabend
soll man keine neue Arbeit beginnen, denn man wird damit
nie fertig. In früheren Zeiten ward jede schwere Arbeit
am Nachmittage dieses Tages vermieden. Am Abend des
Samstags darf man nicht spinnen, denn man spinnt dann
das Leichenhemd einer nahestehenden Person. —
„Eine ganz ähnliche Bedeutung wie die Tagwählerei",
sagt Richard Andree (Ethnogr. Parallelen u. Vergleiche,
Stuttg. 1878; S. 8), „hat der Angang, der nicht minder
verbreitet ist. Tier, Mensch, Sache, auf die man früh
morgens, wenn der Tag noch frisch ist, beim ersten Aus-
gange oder Unternehmen einer Reise stöfst, bezeichnen Heil
oder Unheil und mahnen, das Begonnene fortzusetzen oder
wieder aufzugeben." Wer am Morgen einem Zigeuner be-
gegnet, wird Glück haben; die Begegnung mit einem ru-
mänischen Pfarrer aber bedeutet Unglück, und die be-
gonnene Reise soll man unterlassen, besonders wenn man
von ihm angeredet wird. M. Binder schreibt: „Dieses
glaubt ein sonst sehr vernünftiger Mann von Stande, so un-
gezweifelt, dafs derselbe schon oft, wenn ihm ein dergleichen
Pope begegnet hat, seine vorgehabte Reise soll unterbrochen
und auf der Stelle wieder zurück soll gekehrt sein." Roth
(s. S. 82) schreibt: „Sihest du ain Pfarrherrn auf dain
Reifs, so kehr du um ; hast sunsten kain Glück, dene Pfarr-
herrn gehen die Teufel voran." Begegnet man einem Wolf,
so hat man Glück; die Begegnung mit einem Hasen oder
einem Juden bedeutet Unglück; ebenso widerfahrt einem
etwas Unangenehmes, wenn man einem alten Weib oder einem
verkrüppelten Menschen begegnet.
Die Vorzeichen sind mannigfacher Art. „Sie wollen
dem Menschen," schreibt Haltrich- Wolff (S. 315), „ohne
sein Zutun Zukünftiges vorauskünden. Haus- und Wildtiere,
Vögel, Pflanzen und Gestein, Sonne, Mond und Sterne,
*) Vgl. den magyarischen Glauben in meinem Werk: „Aus dem
Volks!, d. Magyaren."
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Körpermale und Träume, Totes und Lebendiges, Alles weis-
sagt dem Gläubigen, was kommen wird, Glück oder Un-
glück. Ueberraschend wirkt die weitgehende, selbst das
Unscheinbarste und Absonderlichste umfassende Ueberein-
stimmung, in der sich hier die verschiedensten Völker und
Zeiten befinden. Man staunt darüber eine Weile, beruhigt
sich aber gemeiniglich bald mit der für Alles passenden Er-
klärung, dafs der Zufall eben wunderlich sei. Gewifs hat
auch der Zufall seine Hand im Spiele, aber es ist nicht
möglich anzunehmen, dafs diese geradezu frappierende
Gleichheit der Omina bei räumlich und zeitlich fernstehenden
Völkern allein auf Zufall beruhe. Sie ist offenbar — es
bleibt keine andere Erklärung übrig — in der immer und
überall sich gleichbleibenden Menschennatur begründet. In
der Tiefe der menschlichen Seele scheint ein mehr oder
minder feststehendes symbolisches Wahrnehmungsvermögen
zu liegen. Seit uralten Zeiten und überall redet man in
gleichem beseelenden Sinne von der Mutter Erde, von ge-
schwätzigen Quellen, vom Wolkenheer und Wolkenkampf,
von schwangeren und fliegenden Wolken, vom rollenden und
jagenden Gewitter, vom züngelnden Blitz. Und wie die
Natursynibolik eine im allgemeinen feststehende ist, so ist es
auch die Symbolik der Mienen und Gebärden und in gewissem
Sinne auch die der Sprache. Das Erröten gilt überall als
ein Zeichen innerer Erregung. Aergern wir uns, so steigt
uns das Blut ins Gesicht. Drehen wir den Satz um, so
haben wir den Weg zu dem allgemein giltigen Omen.**
Wollte man diesen Alltagsglauben der Völker, der in
innigstem Zusammenhange mit dem Schicksalsglauben steht,
naserümpfend bei Seite schieben, so hiefse das, eines der
wichtigsten Kapitel der Volkskunde zu überschlagen. Kommen
wird die Zeit, wo die Vergleichung dieses Alltagsglaubens
aller bekannten Völker zu bedeutenden Schlüssen auf das
Gefühlsleben der Menschheit fuhren mufs.
Aus der Fülle des diesbezüglichen Volksglaubens der
Siebenbürger Sachsen will ich nur Einiges hervorheben; eine
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eingehendere Behandlung dieses Stoffes würde aber für sich
schon einen ganzen Band füllen, und trotzdem wäre der
Gegenstand noch lange nicht erschöpft.
Wer unversehens in menschlichen Kot tritt, der hat
Glück in seinem Unternehmen. Ein gefundenes Hufeisen
soll man an den Torbalken, gegen den Hof zu gekehrt,
nageln, das bringt Glück. Von Kreuzwegen soll man keinen
Gegenstand aufheben und heimtragen, denn man bringt da-
mit Unglück ins Haus. Weifse Flecken in den Fingernägeln
bedeuten Glück, schwarze dagegen Unheil, Todesfall. Wenn
einem die Wangen brennen, so wird man von Jemandem
gelästert; „klingt" das rechte Ohr, so vernimmt man bald
etwas Freudiges; Klingen des linken Ohres bedeutet das
Entgegengesetzte. Wen die Nase juckt, den trifft Aergernis,
und wenn man schluckt, so wird man von Jemandem be-
schimpft. Wer zweimal niefst, wird Glück haben; kein
Glück hat er, wenn er nur einmal niefst. Juckt das rechte
Auge, so sieht man bald etwas Erfreuliches; Jucken des
linken Auges bedeutet etwas Schlimmes. Bei jedem Vieh-
kauf mufs der Verkäufer von dem empfangenen Gelde dem
Käufer einen Glückspfennig zurücklassen, sonst hat er kein
Glück. Wenn man bei einem Geldgeschäfte das erste Geld
fortgibt, so hat man kein Glück; auch mufs man es an-
speien, dann bringt es mehr (Haltrich-Wolff S. 814).
Bekommt man Handgeld von jungen Leuten, so bringt dies
Glück. Abends darf man nicht in der Wohnung kehren,
sonst kehrt man das Glück hinaus; auch darf man aus
demselben Grunde den Kehricht nie über die Schwelle
hinüberfegen. Salz und Knoblauch darf man nicht aus dem
Hause geben, sonst gibt man das Glück mit. Salz und Brot
mufs man in die neue Wohnung tragen, damit man dort
keine Not leide. Den Brotlaib mit der oberen Rinde oder
mit der angeschnittenen Seite auf den Tisch legen, bedeutet
Unglück. Es ist nicht gut, mit dem Finger nach den Sternen
zu zeigen; es geschieht ein Unglück. Ein vierblättriges
Kleeblatt zu finden, ohne es gesucht zu haben, zeigt bevor-
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stehendes Glück an. Zieht man ein Kleidungsstück verkehrt
an, so bedeutet dies Unglück ; Glück aber zeigt es an, wenn
man ohne Absicht ein fremdes Kleidungsstück anzieht.
Sieht man auf dem Wege eine Rabenschar auffliegen,
so wird man Mifserfolg haben. Wer eine Spinne am Morgen
sieht, soll sie zertreten, denn sie zeigt Unheil an ; die Spinne
am Abend aber soll man leben lassen, denn sie bringt dem
Menschen Glück. Sieht man auf dem Wege einen Menschen
die Notdurft verrichten, so wird man Glück im Unter-
nehmen haben. —
Man könnte diesen Schicksalsglauben den elementaren
Gedankengang der Völker nennen. Eine eingehende Ver-
gleichung wird dereinst eine überraschende Konsequenz in
dem aufdecken, was zu häutig als lächerliche Lappalien,
kaum der Erwähnung wert gehalten wurde und so un-
beachtet verloren ging; wird auch hierin erkennen, „wie
das in der Geschichte aufwachsende Gedankengebäude in
derselben Weise von festen und unabänderlichen Gesetzen
beherrscht wird, wie jeder Organismus, der zu Früchten
reift, und wird mit den blendenden Spiegelungen des reli-
giösen Horizontes die dunkeln Tiefen des Gemütes erhellen,
aus denen das innere Seelenleben der Völker reflektiert
(A. Bastian).
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V.
Tiere im Volksglauben.
mm
it dem Glauben an ein vorherbestimmtes Schick-
te sal, an ein vorherbestimmtes „Glück und Un-
ößiA glück" hängt auch der Glaube bezüglich der
Tierorakel und Orakeltiere innig zusammen. Die meisten
darauf bezüglichen Schlufsfolgerungen mögen sich im Volks-
glauben schon „in frühester Zeit das Ansehen feststehender
Gesetze erworben haben, weil sie meist oder fast immer
durch das Eintreffen der erwarteten Ereignisse gedeckt
wurden; die meisten aber vererbten sich als Glaubens-
sätze von Generation auf Generation, wenn ihnen auch nur
einigemal der Zufall und das kritiklose „post hoc error propter
hoc u als Beglaubigung zur Seite gestanden hatte" *). Solche
gelegentliche, vom Augenblick eingegebene, später aber
traditionell von Generation auf Generation vererbte Schlufs-
folgerungen aus Erscheinen und Treiben gewisser Tiere auf
kommende Ereignisse, kennt auch das Volk der Siebon-
bürger Sachsen.
') S. Hopf, Ticrorakel und Orakeltiere in alter und neuer Zeit
Stuttgart 1888X S. 229.
Wlislocki, Volksglaube n. Volksbrauch d. Siebenb. Sachsen. 11
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In den folgenden Blattern gebe ich nuu eine systema-
tische Zusammenstellung aller der Tiere, die im sieben-
bürgisch-sächsischen Volksglauben eine Rolle spielen. Es
entrollt sich uns damit ein Bild eines Volksglaubens und
Brauches, das gewifs bei der einstigen Behandlung des
Volksglaubens der germanischen Rasse von Bedeutung
sein wird.
*
A. Säugetiere.
I. Flattertiere.
Fliegt eine Fledermaus nahe am Menschen vorbei,
so reden Feinde von ihm Uebles. Flattert eine Fledermaus
ans Fenster einer Krankenstube, so stirbt der Kranke bald.
Die Fledermäuse verwickeln sich oft in die Haare des
Menschen und bewirken dadurch den baldigen Tod der
betreffenden Person. Mancherorts (Kronstadt, Tartlau,
Grofs-Schenk) glaubt man, dafs Fledermäuse auch das Blut
schlafender Menschen, besonders von Jungfrauen, saugen.
Baut man einen Stall, so vergräbt man in manchen Ort-
schaften in den Grund eine Fledermaus und legt unter die
untersten Balken oder Backsteine etwas Salz und Brot,
ferner Kohlen aus einem Backofen, um die Hexen vom Ge-
bäude fernzuhalten (vgl. R. F. K a i n d 1 in der Ztschr. „ Am
Urquell" I. 86). Träumt man von Fledermäusen, so trifft
einen bald ein Verlust. Fliegen diese Tiere scharenweise
am Abend herum, so kann man andauernd schönes Wetter
erwarten.
II. Raubtiere.
1. Katzen.
Dafs die Katze im Volksglauben besonders als Hexen-
tier eine grofse Rolle spielt, ist allgemein bekannt Den
Ägyptern war sie heilig als Tier der Nachtgöttin Bubastis,
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die selber in Katzengestalt verehrt wurde (Friedrich,
Symbolik u. Myth. der Natur, S. 424). In der indischen
Mythologie ist die Katze das Symbol der kinderbeschützen-
den Schakti; bei den Germanen aber ist sie der Vanen-
göttin Freyja geheiligt, der Göttin der Fruchtbarkeit, Ehe
und Liebe. In Feldorf bringen die sächsischen Braut-
knechte der Braut zur Morgengabe in einer Wiege, in
Johannisdorf in einem verdeckten Kehrichttrog eine Katze
und wiegen sie auf dem Tisch vor der Braut In Kreuz
kommt der Christmann auf einem mit Katzen bespannten
Wagen gefahren (Haltrich-Wolff S. 290). Freyja fuhr
auch auf einem Katzengespann. Wenn man ein neues Haus
bezieht, so mufs man einen Hund oder eine Katze zuerst
hineinwerfen, sonst stirbt bald ein Familienmitglied (Halt-
rich-Wolff S. 290). Unter eines Baumes Wurzel, der
nicht tragen will, legt man eine schwarze Katze oder einen
schwarzen Hund (ebenda). Wenn die Katzen im Hause
schön aussehen, ist und bleibt auch das Vieh im Hofe gut
(ebenda). Wer eine Katze totschlagt, der hat sieben Jahre
lang kein Glück; und verschwindet die Katze aus dem
Hause, ohne je wieder zu kommen, so stirbt bald ein Fami-
lienmitglied oder es trifft die Familie sonst ein Unglück.
Hat man eine verlorene Katze wieder gefunden, mufs man
sie dreimal um den Herdfufs drehen, dann läuft sie nicht
fort, und man stiehlt sie auch nicht. Will man eine ge-
stohlene Katze behalten, mufs man es auch so machen
(Haltrich-Wolff S. 290). Putzt sich die Katze mit der
rechten Pfote, so bedeutet es einen Besuch, dagegen das
Fortgehen Jemandes, wenn sie es mit der linken tut. Maide
sollen der Katze schmeicheln und sie gut füttern, sonst
heiraten sie nicht, und umgekehrt bekommen Männer, die
Katzen gern haben, keine Weiber (vgl. L. Frey tag in der
Zeitschr. „Am Urquell" III. S. 160). Wenn Jemand ein
Katzenhaar verschluckt, so bekommt er die Auszehrung.
Kinder, die gerne mit Katzen spielen, werden „falsche"
Menschen. Wenn man Kinten (Ausschlag) im Mund-
il*
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— 164 —
winkel hat, nimmt man eine Katze und zieht ihren Schwanz
durch den Mund, dann vergehen die K i n t e n (Brenndorf).
Wenn einen „etwas trifft" (wenn er epileptisch wird), so
soll man der Katze die Ohren abschneiden und das Blut
dem „von der schweren Krankheit" Getroffenen geben, so
vergeht das Uebel (Haltric h-Wolff S. 290). Begegnet
ein Hochzeitszug einer Katze, so werden die Eheleute in
Unfrieden leben. Der Angang der Katze bedeutet über-
haupt nichts Gutes. Auf Katzen oder noch häufiger in
solche verwandelt reiten die Hexen an den Versammlungs-
ort (Müller, Sieb. Sagen, 2. Aufl. S. 116, 132, 133, 141).
„Selbst das nächtliche Liebeskonzert der Katzen hat die
unheimliche Doppelrolle des Tieres im Volksglauben un-
bedingt verstärkt, und alle Ueberlieferungen wimmeln
geradezu von Katzensagen, eine so unheimlich wie die
andere." Träumt man von Katzen, so wird man von „falschen"
Leuten betrogen werden. Wenn sich die Katze lange putzt,
so ändert sich das Wetter.
2. Hund.
Der Hund ist der Hüter vergrabener Schätze und
verzauberter Jungfrauen. In dem Ziperin, einer Gegend
bei Schweischer, ist eine Truhe voll Gold begraben. Ein
Zigeuner grub einmal danach, fand auch die Truhe und
sah das Geld; aber ein kleiner schwarzer Pudel hinderte
ihn, dasselbe herauszunehmen. Und wie er dennoch nicht
abstehen wollte, verlor sich der Pudel und es erschien ein
Büffelochse, der dem Spafs ein Ende machte (Müller S. 99).
Zu dem Baiersdorfer Bauern Georg Hanek kam ein Gespenst.
Es sah aus wie ein Windspiel und hatte Augen, nichts An-
deres als zwei glühende Kohlen. Es packte den Bauern
und führte ihn mit sich durch die Luft bis ans Dorfende,
wo es ihn auf die Erde herabwarf (Müller S. 57). Hunde-
köpfe werden über Stalltüren gelegt, um das Vieh gegen
Hexen zu sichern (Schuster a. a. 0. S. 124). „Der ge-
waltige Fenriswolf, der im Kampfe gegen die Götter
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— 165 —
am Ende der Welt seinen Rachen so weit aufsperrt, dafs
der Unterkiefer die Erde, der Oberkiefer den Himmel be-
rührt, Odins heulender Sturmeshund, wird von den Tart-
lauern im Kampfe gegen ihre Frauen als grauenerregende
Seuche herbeigerufen. Eine Tartlauerin klagte in einein
Eheprozefs wider ihren Mann unter anderem: er habe sie
gar hart verwünscht, er habe gesagt: der Wärlthankt
saul dich friesen! = der Welthund soll dich fressen
(Haltrich-Wolff S. 256). Im Volksglauben hat der
Hund vieles mit der Katze gemein. Wenn die Hunde zum
Himmel gekehrt heulen („garstig tun"), steht eine Feuers-
brunst, wenn sie zur Erde gekehrt bellen,, ein Todesfall in
der Nähe bevor. Springt ein Hund an einen Kranken
heran, so wird dieser bald genesen. Bellt ein Hund den
Hochzeitszug an, so werden die Eheleute viel von neidischen
Menschen zu leiden haben. Begegnet man einen Hund, so
bedeutet dies Erfolg im Unternehmen. Träumt man von
Hunden, so wird man mit Feinden zu tun haben. Frifst
der Hund Gras, so wird es bald regnen.
3. AVolf.
Wenn Wölfe und Füchse bis auf den Marktplatz
kommen, dann ist die Teuerung nicht fern (Haltrich-
Wolff S. 291). Wenn man den Wolf bei Tisch erwähnt
(rächt), so frifst er einem etwas. Wenn der Wolf der
Herde nicht beikommen kann, so frifst er Maulwurfshügel,
dann hat er Mut und reifst Alles zusammen, was ihm vor-
kommt (Haltrich-Wolff S. 291). Der Angang des
Wolfes gilt für glückverheifsend. Heulende Wölfe zeigen
freudige Begegnung an. Wolfszähne hängt man Säuglingen
um den Hals, damit sie starke Zähne bekommen. Durch
eine Wolfskehle läfst man die Bienen zum erstenmal im
Jahre ausfliegen, damit sie „böse werden" und Raubbienen
nicht in den Korb einlassen. Wolfshaare ist es gut in den
Dachbalken zu stecken, um das Gebäude vor Feuer zu
sichern (Burzenland). Träumt man von Wölfen, so steht
einem ein schweres, aber erfolgreiches Unternehmen bevor.
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— 166 -
4. Fuchs.
So wie der Wolf ist auch der Fuchs als Wegtier glück-
verheißend (Haltrich-Wolff S. 291). Ein bellender
Fuchs zeigt eine willkommene Neuigkeit an. Fuchshoden
gedörrt und als Pulver eingenommen, erhöht die männliche
Potenz. Einen Fuchsschwanz soll man auf dem Aufboden
bewahren, um das Gebäude vor dem Blitz zu sichern.
Träumt man von Füchsen, so wird man mit hinterlistigen
Leuten zu tun haben.
5. Bär.
Sieht man einen Bären, so wird man in seinem Unter-
nehmen „schwer vorwärts kommen", träumt man von diesem
Tiere, so steht einem eine „schwere Arbeit" bevor.
6. Wiesel.
Sieht man dies Tier im Hofe oder Stalle, so trifft einen
schwerer Verlust. Erscheint es in der Nähe eines Kranken,
so zeigt es dessen baldigen Tod an. Sich beifsende Wiesel
bedeuten Zank und Streit. Zum Schutze gegen das Wiesel,
das als elbisches Wesen betrachtet wird, stellt man an man-
chen Orten in eine Stallecke einen Dreschflegel und einen
Rocken mit Flachs oder Hanf und Spindel versehen, indem
man spricht:
W6 te e Frächen bäst, Wenn du ein Frauchen bist,
se nom en spän So nimm und spinn 1
oder enträn; Oder entrinn';
wö te e M antchen bäst, Wenn du ein Männchen bist,
se nom und drasch So nimm und drisch
oder ent witsch! Oder entwisch!
Auch halten manche ein ausgestopftes Wieselfell im Stall,
um das Euter der Kuh damit zu reiben, wenn die Milch
blutig ist. In Tartlen lautet die Vorschrift ein wenig an-
ders: Spinn mit der linken Hand und denk* dabei oder
sprich: Wisel span oder entran! (Wiesel spinne oder
entrinne.) Dann steckt man den Rocken samt Hanf, Spin-
del und Garn dorthin, woher „die Wiesel" kommt und
- 167 —
wenn sie nicht spinnen kann, so verzieht sie sich (Halt-
rich-WolffS. 276). Auch glaubt man an manchen Orten,
das Wiesel sei die Seele ungeborener Kinder, welche die
Mutter künstlich aus ihrem Leibe getrieben (vgl. L i p p e r t
a. a. 0. S. 570). Wenn sich viele Wiesel an einem Orte
zeigen, so steht ein trockenes Jahr mit wenig Regen bevor.
III. Nagetiere.
1. Maus und Ratte.
Schon bei den Alten ist die Maus ein dämonisches
Tier. „Das Symbol des Todes ist die Maus um so leichter,
als das ganze Wesen des Tieres für den oberflächlichen
Beobachter etwas Unheimliches hat, und der arge Schade,
den sie in den Scheunen wie auf den Feldern anrichtet,
fallt schwer ins Gewicht. Um diesen schädlichen und ge-
rarchteten Einflufs aufzuheben und den bösen Zauber durch
Gegenzauber zu bannen, pflegte man die Maus als sühnen-
des Opfertier darzubringen, und aus demselben Grunde spielt
das Tierchen auch von alters her im sympathetischen Volks-
glauben eine nicht unwichtige Rolle; so wird das Symbol
des Todes zu einem Symbole des Lebens, gerade wie das
andere wichtigste chthonische Tier, die Schlange; beide
erscheinen als Symbol der Seele, und deshalb kommt in
vielen Sagen der Zug vor, dafs einem Schlafenden die Seele
in Schlangen- oder Mausgestalt (viel seltener als Insekt)
zeitweilig aus dem Munde kriecht" (L. Frey tag a. a. O.
S. 190). Kinder soll man nicht mit offenem Munde schlafen
lassen, denn die Seele schlüpft als Maus aus dem Leibe
und das Kind stirbt (Kronstadt). Wenn einem Kinde ein
Zahn ausfallt, mufs es ihn in ein Mausloch werfen und
sagen: Maus, ich gebe dir einen beinernen, gib mir einen
eisernen ! Zieht man einer lebenden Maus einen Zwirnfaden
durch beide Augen und bindet man diesen blutigen Faden
einem Säugling um den Hals, so zahnt er leicht und leidet
im Leben nie an Zahnschmerzen (vgl. Plofs, Das Kind II.
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- 168 —
229). Mäuseblut ist gut einzunehmen, wenn man die Gelb-
sucht hat. Kriecht eine Maus ins Krankenbett, so stirbt
der Sieche bald. Wo sich viele Mäuse oder Ratten zeigen,
dort tritt bald ein Unglücksfall ein. Träumt man von
Mäusen, so hat man baldige Unannehmlichkeiten zu er-
warten. Wenn im Herbste viele Mäuse im Dorfe sind, so
wird der Winter gar streng sein.
Man sieht nicht gern einen Hasen über den Weg
laufen, denn das bedeutet Unglück (Haltrich-Wolff
S. 291). Als der Fürst Sigmund und der kaiserliche General
Georg Basta im Jahre 1601 mit ihren Haufen nicht weit
von einander sich gegenüber lagen, liefsen sich in dem
siebenbürgischen Lager viele Hasen sehen, das war, meint
der Chronist Georg Kraufs, ein sicheres Anzeichen für die
Furchtsamkeit der Siebenbürger und die bald darauf fol-
gende Flucht derselben (Müller, 2. Aufl. S. 69). Als der
Fürst Gabriel Bethlen am 28. Oktober 1613 nach Thoren-
burg kam, bewillkommnete ihn die dort liegende türkische
Besatzung. Am folgenden Tage, bei Gelegenheit eines ihm
zu Ehren veranstalteten Manövers, lief ein Hase vor einem
anstürmenden Haufen von 10 000 Türken den Berg hinan,
gerade auf Bethlen los. Ein grofser Türke auf weifsem
Rofs jagt ihm nach, erreicht ihn, nimmt ihn in vollem Lauf
mit der Hand von der Erde und legt ihn lebendig auf des
Fürsten Sattelbaum. „Als solches die alten Türken sahen,
nahmen sie ihre Bücher heraus und fingen an zu weissagen,
was der Hase bedeuten würde, nämlich: dafs G. Bethlen
ein grofsmächtiger Fürst und Herr sein würde, der alle
seine Feinde würde überwinden, es seien heimliche oder
öffentliche" (Deutsche Fundgr. 1, 268; Müller, S. Sag.,
2. Aufl. S. 71). Im Winter 1883 schofs man in der Mtihl-
bacher Gegend einen fünffüfsigen Hasen, der statt des
Schwanzes ein fufsähnliches Rudiment hatte. Er wurde ver-
brannt, weil man glaubte, es sei eine in einen Hasen ver-
2. Hase.
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wandelte Hexe. Viele Hexen haben am Leibe ein Zeichen,
das einer Hasenpfote gleicht. Hasenfleisch, besonders Hasen-
hoden, gelten für ein Mittel gegen Impotenz und Kinder-
losigkeit. Kinderlose Weiber sollen sich während den
menses mit einem Hasenfell räuchern. Der Hase als öster-
licher Eierleger tritt im Volksglauben der Siebenbürger
Sachsen nur hie und da in den Städten auf. Träumt man
von Hasen, so erlebt man bald einen grofsen Schrecken.
Das nahezu schwierigste mythologische Tier, das überhaupt
existiert und dessen Bedeutung immer noch nicht aufgeklärt
ist, das ist eben der Hase. Seine Bedeutung hat bislang
noch am klarsten L. Freytag dargelegt (a. a. 0. S. 189).
Seine trefflichen Auseinandersetzungen mögen hier voll-
inhaltlich stehen: „Im Altertum spielt der Hase (wie bei
uns das Kaninchen) eine bedeutende Rolle als Symbol
sexueller Fruchtbarkeit (Friedrich a. a. 0. S. 434 ff.),
und christliche Kirchenväter waren überzeugt, dafs das mo-
saische Verbot des Hasenfleischessens (3. Mose 11, 6) des-
halb ergangen sei, weil das Hasenfleisch die sexuelle Leiden-
schaft mafslos steigere. Bei den Parsen ist der Hase ein
Nachttier, also ein dämonisches Tier, und daraus will man
seine Unglücksrolle im Volksglauben begreiflich machen.
Drittens ist der Hase ein Symbol der Schnelligkeit und
viertens metaphorisch das der Unsterblichkeit, insofern der
Hase, wie es heifst, „mit offenen Augen schläft" und dadurch
das leichte Erwachen nach dem Tode symbolisch dargestellt
werden soll. Dies ist der schwierigste Punkt von allen;
aber auch Friedrich in seiner Symbolik der Natur stimmt
dieser Auffassung bei (S. 436), denn er weist auf die Tat-
sache hin, dafs in den Volkssagen ein gehetzter Hase so
oft in der Kirche und bei Heiligen Zuflucht und Rettung
findet. Aber Schiller hat recht, wenn er sagt: „Und mit
seinen Götterhänden schützt er das gequälte Tier," und die
den halbtot gehetzten Hasen in der Kirche beschützende
Bildsäule der heiligen Jungfrau vertritt hier lediglich die
heidnische Göttin. Darum heifst es auch in den tiroler Volks-
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traditionell bei Zingerle ganz richtig, dafs sich Hexen
oft in Hasen verwandeln; das ist ganz natürlich, denn in
den Hasen ist die doppelte Rolle der Göttin der Fruchtbar-
keit und der schnellen Göttin vertreten. Und wenn der
Jäger Glück hat, wenn ihm morgens beim Ausgang zuerst
ein Wolf begegnet, Unglück aber, wenn ihm zuerst ein
Hase über den Weg läuft, so hat man dahinter keinen
mythologischen Tiefsinn zu suchen : der Wolf bringt Glück,
denn er bezeichnet das Wild, das dem Jäger nahe kommt,
und der Hase bringt Unglück, weil er das Wild bezeichnet,
das schnell vor dem Jäger flieht Die wirkliche doppelte
symbolische Rolle des Hasen ist die der Fruchtbarkeit und
der Schnelligkeit; er ist das Symbol der segnenden Götter,
der Bringer und Träger der Fruchtbarkeit, und deshalb ist
auch der Hase zum dämonischen, zum Hexentier geworden."
Diese Auseinandersetzungen finden ihre Belege auch im
Volksglauben der Siebenbürger Sachsen. Ueber den Hasen
als österlichen Eierleger sagt nun L. Frey tag (vgl. Ztschr.
d. Alpenvereins 1880 S. 212 ff.): „Der Hase ist ebenso wie
der Bock das Symbol des schnellen Thorr, des Beschützers
der landwirtschaftlichen Fruchtbarkeit Die Ostern waren
die Zeit der neuerwachenden Frühlingsfreude und Früh-
lingsfruchtbarkeit ; darum bekamen auch zu den Ostern die
Knaben Kuchen in Gestalt von Hasen, Hirschen und
Hähnen, die Mädchen solche in Gestalt von Hennen. Schon
bei den nordamerikanischen Indianern ist nun der Hase
auch das Symbol der göttlichen Schnelligkeit, und in ihm
erscheint geradezu der Himmelsgott personifiziert. Das
schnellste aber ist der rote Blitz des Donnerers Thorr; das
ist seine Lieblingsfarbe, und rotgefarbt sind auch die Oster-
eier. Thorr ist Beschützer des Landbaus und der Frucht-
barkeit, und insofern hütet auch der Hase sein Symbol,
das Österliche Eierlegen der Hennen, und wenn der Hase
sie selber legt, so ist das ein volksmäfsiger, gewifs erst
christlicher Mifsverstand. Diese meine Auffassung wird
durch Friedrich (a. a. O. S. 692) bestärkt, der hervor-
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— 171 -
hebt, „dafs schon die alten Parsen am Frühlingsfeste rot-
gefarbte Eier austauschten, und dafs diese eben Symbole
der sexuellen, neu erwachenden Fruchtbarkeit sind; rot ist
die Farbe der Sonne wie des Blitzes. Die Henne ist ein
Symbol der Fruchtbarkeit und der Hase auch; nun ist
dieser aber auch Symbol des starken, schützenden Gottes,
und wenn aus dem das Eierlegen schützenden Hasen ein
das Legen selber verrichtender Hase wird, so ist das wohl
zu begreifen für die christliche Zeit, die heidnische Sym-
bolik nicht mehr verstand." —
IV. Einhufer.
1. Pferd.
Gespenstische Rosse spielen auch im Volksglauben der
Siebenbürger Sachsen eine grofse Rolle. Auf dem Weg von
Mühlbach nach Alvincz sieht man oft in der Nacht ein
schwarzes Rofs windschnell einherjagen. Auf dem Johannis-
berg bei Schweischer läuft nachts ein schwarzes Füllen vor
oder hinter den Reisenden einher, und ob sie es auch fort-
jagen, ist es immer gleich weit von ihnen (Müller, Sieb.
'Sagen, 2. Aufl. S. 57). Oft begegnet ein müder Wanderer
einem solchen Rofs in der Nacht, und besteigt er es, so wird
es von ihm durch die Luft ans Ziel seiner Reise geführt
(Müller S. 94). In Pferdeschädeln findet man oft Kohlen
oder Kröten, die sich in der Nacht in Gold verwandeln
(Müller S. 117). Pferdeköpfe auf den Zäunen halten
Hexen und böse Geister auf (Haltrich- Wolff S. 281).
Wiehert ein Pferd vor einem Krankenhause, so wird der
Sieche bald genesen. Begegnen eines freien Pferdes bedeutet
Glück. Träumt man von Pferden, so erhält man unerwartet
Geld oder Geschenke. Schnuppern die Pferde mit erhobenem
Kopfe in der Luft herum, so naht Sturm und Regen.
2. Esel.
Der Esel gilt in jeder Beziehung für ein Glückstier.
Der Angang des Esels wird als glückliches Vorzeichen be-
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trachtet. Kommt ein Esel an einen Kranken heran, so
wird dieser bald genesen. Flüstert man einem Esel irgend
einen Wunsch ins Ohr und beutelt er dabei seinen Kopf,
so geht der Wunsch in Erfüllung. Springt der freigelassene
Esel herum, so gibt es in der Nähe bald eine Hochzeit oder
eine Taufe. Träumt man von einem Esel, so wird man
bald eine grofse Freude erleben. Eselgeschrei zeigt
Regen an.
V. Wiederkäuer.
1. Rind.
Brüllt eine Kuh vor dem Tore, so wird man bald eine
freudige Nachricht hören. Begegnet ein Hochzeitszug einer
säugenden Kuh, so wird die Ehe glücklich sein. Eine Kuh
zu begegnen, gilt für glückverheißend. Träumt man von
einem Rind, so hat man Erfolg in irgend einer bedeutenden
Unternehmung. Schnuppern die Rinder in der Luft herum,
so gibt es bald Regen; ebenso wenn sie auf der Weide
hastig grasen.
2. Scbaf.
Eine begegnende Schafherde zeigt dem Wanderer Glück
an; laufen aber die Schafe vor ihm scheu davon, so ist
dies ein ungünstiges Vorzeichen. Träumt man von Schafen,
so erhält man bald ein Geschenk. Wenn sich die Schafe
dicht zusammendrängen, so ist Sturm im Anzug, lassen sie
sich abends schwer zur Hürde treiben, so kann man auf
andauernd schönes Wetter hoffen.
3. Ziegen.
Ganz das Entgegengesetzte gilt auch bei den Sieben-
bürger Sachsen von der Ziege. Der Angang der Ziege ist
unheilverkündend. In Begleitung der Riesen, Hexen und
Teufel tritt die Ziege auf. Welche Bedeutung die Bock-
füfse haben, ist weltbekannt. „Durch die Einführung des
-Christentums schwinden die heidnischen Götter für das
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Volk durchaus nicht in Wesenlosigkeit, aber aus den
Göttern werden Teufel und Dämonen, und als solchen
schwören ihnen auch die ersten christlichen Täuflinge in
feierlichster Form ab; Odhinn und Thorr stehen hier in
begreiflichster vorderster Reihe. So erscheinen denn auch
von da ab die Teufel mit Bockfüfsen, Hahnenfufsen oder
Pferdeflifsen (war doch das Pferd das heiligste heidnische
Opfertier), und wenn in der Tradition ein unheimlicher
Fremdling den Bock-, Hahnen- oder Pferdefufs zeigt, so
wird er sofort als Teufel, d. h. als heidnischer Gott er-
kannt; natürlich wird das Attribut des blofsen Symbols
dem Gotte selber beigelegt. Dieser Zug kehrt immer
wieder und spielt in Hexenprozefsakten eine verhängnis-
volle Rolle" (L. Freytag a. a. O. S. 159). Und so ist
es auch im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen. In
vielen Ställen werden zur Verscheuchung der Hexen
schwarze Ziegenböcke gehalten, deren Geruch sie nicht
sollen vertragen können (Haltrich-Wolff S. 278). Die
Heldenburg bei Krizba haben der Sage nach Riesen erbaut
und die Spuren der ruhenden Riesenjungfrau und die ihrer
steten Begleiterin, einer Ziege, haben sich dem festen Ge-
stein so eingeprägt, dafs sie noch heute kenntlich sind
(Müller 2. Aufl. S. 27). Der Thorrmythus in seiner
Verquickung mit dem Teufel tritt auf bedeutsame Weise
in folgender siebenbtirgisch-sächsischen Sage hervor: „Um
Mitternacht ging einst ein Knabe mit drei Gefafsen zum
Moorbrunnen, um Wasser zu holen. Die drei Gefäfse hatte
er sich mit einem neuen weifsen Handtuche wohl verbunden,
um sie leichter tragen zu können. Als er bei der Stein-
brücke, die im Dorfe steht, vorüberging, erschien ihm
plötzlich ein alter Mann mit einem langen grauen Bart, der
hatte ein weifses Leintuch über dem Kopfe. Der Knabe
erschrack, als er diese Erscheinung sah und wollte ihr aus-
weichen und weitergehen. Da hörte er den Greis, wie er
mit freundlicher Stimme sprach: „Tritt nur näher, mein
Kind, es soll dir nichts geschehen; ich habe ja eine Bitte
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an dich; gib mir ein weifses Stückchen von dir!" Der
Knabe schnitt ein Stück vom Handtuch ab, gab es ihm
hin und ging zum Brunnen. Als er zurückkam, stand an
der Stelle, wo er den Greis gesehen hatte, eine weifse Ziege
und bat ihn auch um ein weifses Zeichen. Er gab auch
ihr ein Stückchen vom Handtuch. Am anderen Tage grub
der Knabe an der Stelle, wo der Greis und die Ziege
gestanden, nach und fand einen Kessel. Da trat eine
Jungfrau mit weifsen Haaren und weifsen Kleidern an ihn
heran und verlangte ein weifses Zeichen. Er gab ihr seine
weifse Pelzkappe, die sie aber mit den Worten zurück-
wies : „Nein, deine Pelzkappe mag ich nicht nehmen, denn
mit dieser sollst du deinen Schatz messen; gib mir sonst
etwas von dir!" Der Knabe schnitt einen Streifen von
seinem Hemde ab und gab ihn ihr, worauf sie sprach:
„Gehe nun heim, aber sage Niemandem etwas, bis du in
dein Haus getreten bist, sonst wirst du den Schatz ver-
lieren." Die Jungfrau verschwand und der Knabe trug
den Kessel heim und stellte ihn, ohne dafs er ein Wort
gesprochen hatte, auf den Tisch. Der Deckel des Kessels
sprang auf und Greis, Ziege und Jungfrau standen in einer
Keihe vor ihm auf dem Tische. Gleich darauf wurde es
so licht in dem Zimmer, als ob man tausend Kerzen an-
gezündet hätte. Da rief der verwunderte Knabe: „Gott
sei Dank!" Im Nu waren Greis, Ziege und Jungfrau ver-
schwunden. Der Knabe fing an, den mit Goldstücken
angefüllten Kessel zu leeren, und weil er kein anderes
Gefafs hatte, nahm er seine weifse Pelzmütze, füllte sie
mit den Goldstücken aus dem Kessel und leerte sie in die
Truhe aus. Das ging so eine Zeit. Als aber der Knabe
sah, dafs sich das Herausgenommene im Kessel gar nicht
kannte, da rief er verwundert : „Was der Teufel die Truhe
ist bald voll und im Kessel kennt sich noch nichts. Wie
lange soll ich denn hier noch messen ?" Im Augenblick war
der Kessel leer und eine Schale aus Ton stand auf dem
Tische und daneben stand ein schwarzer Mann mit pech-
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schwarzein Barte, funkelnden Augen, eine rote Mütze auf
dem Kopfe und in der Hand einen Schlägel mit Reifen-
treiber, neben ihm aber stand eine schwarze Ziege und
eine schwarze Jungfrau. Schwefelgeruch — heifst es in
einer Relation dieser Sage — erfüllte die Stube. In seiner
Angst rief der Knabe: „Gott, was soll ich mit diesen da
anfangen?" Da verschwanden die schwarzen Gestalten.
Der Kessel war wieder auf dem Tische, aber leer. Das
herausgenommene Geld aber lag in der Truhe. Eine rauhe
Stimme rief: „Hättest du den Namen des Teufels nicht
ausgesprochen, so würde der Kessel niemals leer geworden
sein" (vgl. Müller 2. Aufl. S. 27). — Ziegenmilch ist ein
gutes Mittel gegen Auszehrung. Störrischen Pferden soll
man eine Schnur aus Ziegenhaaren um den Hals binden,
damit sie nicht scheu werden. Gräbt man nach einem
verborgenen Schatze, so soll man den Ort mit einer solchen
Schnur abgrenzen, damit während dem Graben der Schatz
nicht „fortschiefse", d. h. verschwinde. Träumt man von
Ziegen, so ändert sich das Wetter. Kämpfen die Ziegen
miteinander, so kommt schlechtes Wetter. „Der volks-
freundliche Thorr (der ja eigentlich älter ist als Odhinn)
ist Heilgott und Wettergott zugleich ; so wird es begreiflich,
dafs Ziegen diese doppelte Rolle spielen, und so wird
überhaupt vieles verständlich, was uns im medizinischen
und im Wetterglauben des Volkes als unfafsbar erscheint"
(L. Freytag a. a. 0. S. 159).
VI. Vidimier.
1. Schwein.
Der Angang dieses Tieres gilt für ein sehr günstiges
Zeichen. Wer von Schweinen träumt, hat Glück; so
glauben die einen, die anderen aber, so die Malmkroger
und Mettersdorfer meinen, dafs dann Jemand aus der
Familie sterbe (Haltrich - Wolf f S. 292). Wühlt das
Schwein vor der Haustüre, so stirbt Jemand aus dem Hause
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oder es trifft sonst ein Unglück die Familie. Das Schwein
als Schatzhüter tritt oft in Sagen auf (Müller 2. Aufl.
S. 84. 91).
VII. Maulwurf.
Wer einen Maulwurf ertappt, mit den Fingern im
Nacken fafst und an die Sonne hält, bis er stirbt, der
erhält in seinen Fingern die Kraft, wehe Brüste säugender
Frauen durch Berührung zu heilen (Haltrich-Wolff
S. 292). Wühlen die Maulwürfe noch spät im Herbste
die Erde auf, so ist ein kurzer und gelinder Winter zu
erwarten. Trinkt man Maulwurfsblut zu geeigneter Stunde,
die aber Niemand weifs, so kann man verborgene Schätze
sehen. Träumt man vom Maulwurf, so wird man mit
Feinden zu tun haben.
B. Vögel.
I. Raubvögel.
1. Tagraubvögel.
Alle die zu dieser Klasse gehörigen Raubvögel erscheinen
im siebenbürgisch-sächsischen Volksglauben als ungünstiges
Zeichen. Von den Krähen erzählt man: Im August, so
nach dem Schnitt, sammeln sich gewöhnlich die Krähen in
Haufen von vielen Tausenden und verschwinden darauf für
einige Wochen. Nur hin und wieder sieht man eine
Zurückgebliebene einsam in den Stoppeln spazieren. Aber
von den Fortgezogenen führt zu der Zeit eine jede eine
Kornähre zu dem babylonischen Turm (Müller 2. Aufl.
S. 167). Vor seinem Tode träumte dem siebenbürgischen
Fürsten Gabriel Bathori : zwei Geier setzten sich auf seinen
Kopf, schlügen ihn mit den Flügeln und hackten ihm die
Augen aus (Müller S. 197). Träumt man von Raubvögeln,
so trifft einen grofses Unglück. In den Zeiten Rakoczi II.
stand über Hermannstadt am hellen Tage eine männliche
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Gestalt in der Luft, nackt und ein Schwert in der Hand
haltend. Die Stadt Klausenburg umzogen Mädchengestalten
mit entsetzlichem Wehruf. Auf den Feldern aber ver-
sammelten sich scharenweise grofse alte Geier, jagten das
Vieh und brachten es um; so auch die Menschen, welche
von ihnen ohne Scheu bis in die Dörfer verfolgt wurden
(Müller S. 196). „Der Rabe gilt wohl wegen seines
schwarzen Gefieders, seines heiseren Geschreies und wegen
seiner Leichenspeise allerwärts als Unglücks- und Todesbote.
Seine Farbe deutet die dunkle Sturmeswolke an. Wenn
ein Rabe oder eine Krähe einzeln in einem Orte krähet, so
stehet ein grofses Unglück bevor. Das Unglück von Bun
soll durch einen ähnlichen Unglücksvogel vorausverkündigt
worden sein, wie überhaupt bei diesem erschütternden Un-
fälle mancherlei Aberglauben zu Tage trat. Am 13. Mai
1870 nach sechs Uhr nachmittags ergofis sich nämlich über
das eine Stunde oberhalb Schässburg in einem engen
Seitentale der Kokel gelegene Dorf Grofs-Bun ein Wolken-
bruch, dessen Gewässer innerhalb zwei Stunden über sechzig
Wohnhäuser samt Wirtschaftsgebäuden und an 200 Menschen
in denselben, die in den Fluten ihr Grab fanden, mit sich
fortrissen: ein Unglück, das durch sein plötzliches Herein-
brechen weithin allgemeines Entsetzen verbreitete. Wenn
Raben schreiend über das Dorf fliegen, sagt man in Tartlen,
so wollen sie Fleisch haben; es stirbt Jemand im Orte.
Wenn man Garn einäschert, mufs ein Knabe sorgen, dafs
nicht eine Krähe auf das Dach kommt, sonst wird das
Garn zu Werg. Wenn eine Krähe auf dem Dache schreit,
kommt ein Gast. Wenn die Krähen nachts schreien, kommt
Aufruhr unter das Volk" (H a 1 tr i c h - W o 1 f f S. 293). Wer
Krähenaugen in der Neujahrsnacht ifst, der sieht in der
Nacht gerade so, wie am Tage. Fliegen Krähen oder
Raben lärmend vom Felde heim, so ändert sich das
Wetter. — Die Elster ist auch ein unheilbringender Vogel.
Wen kreischende Elstern auf dem Wege begleiten , dem
W 1 i sl o c k i , YolkBbwnch o. Volksglaube d. Siebenb. Sachsen. 1 2
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stirbt Jemand aus der An Verwandtschaft (Malmkrog). Wenn
eine Elster über den Weg läuft, sagen die Tartier, kommt
eine Neuigkeit in die Familie, aber es ist selten eine an-
genehme (Haltrich-Wolff S. 293). Kreischt eine Elster
vor der Türe, so kommt ein Gast. Putzen sich die Elstern
das Gefieder, so ändert sich das Wetter.
2. Nachtraubvögel.
Die Eule heifst in Bekokten der Totenvogel, in Tartlau
der Sterbevogel, in Bulkesch der Leichenvogel, anderen Orts
Tschuvik; in der Schweiz Kivit (magyarisch schreit sie:
Ki-vidd ! = trag' hinaus, d. h. die Leiche auf den Friedhof).
Neben dem Hunde ist die Eule der gefürchtetste Todesbote.
Man soll ihren Schrei nicht nachahmen, sonst stirbt man.
Schreit sie in der Nähe eines Kranken, so zeigt sie dessen
Tod an. Sieht man Nachtvögel am Tage, so trifft einen
bald grofses Unglück; ebenso wenn man von diesen Vögeln
träumt. Hält man das Auge einer getöteten Eule, das vorher
neun Tage lang in Essig gelegen ist, vor eine brennende
Kerze, so kann man darin seine zukünftigen Kinder er-
blicken; und bindet man eine Eule am linken Fufse an
einen Baum, so befindet sich der Gegenstand, der Jemandem
gestohlen worden ist, in der Richtung, in welche die Eule
zu fliegen bestrebt ist (dasselbe glauben auch die Zigeuner ;
siehe mein Werk: „Aus dem innern Leben der Zigeuner,"
S. 127).
III. Wilde Vögel.
Von den wilden Vögeln kommen im Volksglauben
der Siebenbürger Sachsen folgende vor: Sperling, Gimpel,
Schwalbe, Kuckuck und Storch.
Als am 10. Oktober 1612 der Kronstädter Stadtrichter
Michael Weifs vor der Schlacht von Marienburg die Reihen
seiner Krieger vor dem Kronstädter Klostertor aufstellte
und musterte, kam plötzlich ein weifser Sperling —
andere sagen eine weifse Schwalbe — geflogen und setzte
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sich auf seines Helmes Spitze. Die Schlacht endigte un-
glücklich; Weifs selbst fiel (vgl. Müller 2. Aufl. S. 70).
Fliegt ein Sperling in eine Wohnung, so zeigt er schlechte
Nachrichten an. Fliegen Sperlinge beim Herannahen eines
Menschen auf, so vernimmt er bald eine böse Nachricht.
Träumt man von Sperlingen, so erleidet man bald einen
Schaden. Baden sich diese Vögel im Sande, so ändert
sich das Wetter. — Einen Gimpel ist es gut im Käfig
zu halten; er „zieht den Rotlauf" der Hausbewohner an
sich; auch sichert er das Gebäude vor dem Blitze. — Das
Haus, an dem Schwalben ihr Nest bauen, ist sicher vor
Erdbeben und Feuersgefahr. Eine Schwalbe zu töten oder
ihr Nest zu zerstören, bringt Unheil. Wer eine Schwalbe
tötet, dessen Kuh gibt blutige Milch (Tartlen). Wenn
man im Frühling die erste Schwalbe sieht, soll man sich
ausschuhen und die Fufssohlen untersuchen; findet man
ein weifses Härchen daran, so wird man — wie die
Katzendorfer und Grofs- Alischer behaupten — glücklich
(H a 1 1 r i c h - W o 1 f f S. 294). Wenn Schwalben sieben Jahre
lang an einem Hause nisten, so hinterlassen sie im Neste
ein Steinchen, mit dessen Hilfe man sich bei Jedermann
beliebt machen kann. Berührt man Jemanden mit diesem
Steine, so mufs er einen lieben (vgl. Frey tag a. a. O.
S. 275). Die echt germanische Schwalbenliebe kommt also
auch im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen zum Aus-
druck. Diejenigen aber, sagt mit Recht Frey tag, die
dem Volke diesen harmlosen Glauben nehmen wollen, ver-
sündigen sich an der Volksseele und wissen nicht, was sie
tun. Glücklicherweise sind wir noch nicht so weit, und
nach wie vor gilt in unserem Volke das Wort, dafs die
Zerstörung eines Storchen- oder Schwalbennestes ein ver-
derbenbringendes Unglück ist. — Wenn der Kuckuck in
die Haus- und Hofgärten kommt, so regnet es. Schreit er
im Dorfe, so kommt ein armes Jahr. Wenn man zum ersten
Mal im Jahre den Kuckuck rufen hört und ihn fragt:
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Kukukkniecht,
b6 mer Riecht,
wefel J6r säl ich liewen?
Kuckuckknecht,
sag' mir Recht,
wie viele Jahre soll ich leben?
und er dann noch weiter ruft, so hat man nur zu zählen,
um die Zahl der Jahre zu erfahren. Ledigen Leuten sagt
er, wie viele Jahre sie unverheiratet bleiben sollen. Wenn
man im Frühjahr den Kuckuck zuerst schreien hört, soll
man sich vorwärts über den Kopf überschlagen , dann tut
einem der Rücken das ganze Jahr über nicht wehe. Hört
man beim ersten Austritt aus dem Hause früh morgens den
Kuckuck rufen, so vernimmt man bald eine Neuigkeit.
Hört man ihn bei wichtigem Gange rechter Hand rufen,
so ist dies ein glückliches Vorzeichen ; ruft er linker Hand,
so hat man Mifserfolg. — Ueber den Storch gilt dasselbe,
was über die Schwalbe gesagt worden ist. —
Schätze bewachende Geister erscheinen oft in Gestalt
einer Henne. In Mühlbach grub ein Mann nach Schätzen
und fand dabei in der Erde einen Ofen, in welchem eine
Henne, dem Anscheine nach tot, auf Eiern safs. Aergerlich
warf der Mann, der sich in seiner Hoffnung auf einen
Schatz getäuscht glaubte, Ofen und Henne und Eier hinaus
auf die Strafse, und auf der Stelle waren Ofen und Henne
und Eier und Alles verschwunden. Der Mann hatte sein
Glück verscherzt; die Eier waren der Schatz und hätten
sich später in Gold verwandelt (Müller 2. Aufl. S. 41).
Auch bei Wolkendorf liegt ein Schatz begraben, den Trut-
hühner bewachen (ebenda S. 86). In Mühlbach sitzt in
einem Hause mitten im Keller eine schwarze Henne auf
vielen Eiern (ebenda S. 90). „Gerne verwandeln sich Hexen
in schwarze Hühner; schädigt man diese an etwas, so em-
pfindet die Hexe den Schmerz. Ein alter Mann in Grofs-
Schenk hieb einer solchen verdächtigen Henne einst eine
Zehe ab und zeigte dieses sogleich dem Gericht an und
drang auf Haussuchung, damit man der Trude ihr Recht
IV. Hausrögel.
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könne widerfahren lassen. Die Haussuchung wurde zwar
vorgenommen; allein man schlug die ganze Sache nieder.
Aber wem seit der Zeit ein Finger fehlte, das war die N. N.
Die Enkelin desselben Mannes ging in einer Nacht barfufs
über die Hausflur. Da fuhr es ihr plötzlich in die Füfse;
man hat seitdem viel versucht mit ihr, um ihr die Gesund-
heit wiederzugeben ; aber es wird schwer helfen , denn sie
hat in eine Trudentrappe getreten" (Müller 2. Aufl. S. 134).
Kräht eine Henne wie ein Hahn, so bedeutet dies einen
Todesfall oder sonst ein grofses Unglück ; desgleichen wenn
eine Henne ein weichschaliges Ei legt. Zankende Hühner
bedeuten Zank und Streit im Hause. Träumt man von
Hühnern, so wird man etwas Angenehmes erleben; träumt
man aber von Eiern, so bedeutet dies grofsen Schaden, ja
sogar Todesfall. Begeben sich die Hühner zeitig zur Ruhe,
so ist Regen im Anzug. Gänse und Enten spielen nur
bei der Wetterprophezeiung eine Rolle. Fliegen die Gänse
zeitig im Herbste über das Dorf, so tritt der Winter
zeitig ein. Baden sich Enten und Gänse mit lautem Ge-
schrei, so tritt Tauwetter oder Regen ein. —
V. Schlangen, Kröten.
Die Schlange als Schatzhüterin spielt auch im sieben-
bürgisch - sächsischen Volksglauben eine Rolle (Müller
S. 44. 84). In den Ueberlieferungen ist zu unterscheiden
zwischen natürlichen und verwünschten Schlangen. Letztere
müssen, bis ihr Erlöser kommt, an dem Fluche ihrer
dämonischen Verwandlung tragen. Wer die Krone des
Schlangenkönigs erlangen kann, der wird reich und glück-
lich. Ladet man in der Neujahrsnacht eine Natter in die
Flinte, so verfehlt man mit diesem Gewehre im folgenden
Jahre nie das Ziel. Gegen Schlangenbifs hilft ein Dekokt von
Eschenblättern oder Eschenzweigen. In der Nähe einer Esche
haust keine Schlange. Zwischen der Esche und der Schlange
ist die Feindschaft uralt, und die Eschenblätter sind uralt
heilig gegen Schlangenzauber (Friedrich a. a. 0. S. 184).
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Die Esche ist ja das Abbild der heiligen Weltesche Yggdrasill.
An manchen Orten pflegen die Leute der Hausschlange jeden
Abend in einem Teller an einem bestimmten Orte Milch
hinzusetzen, damit sie das Haus vor Feuer und Unglück
bewahre. So in Agnethlen und Zuckmantel. Bedeckt man
den Teller voll Milch zur Hälfte mit einem weifsen Tuch,
so kann es geschehen, dafs die Hausschlange, so sie ein
Schlangenkönig ist, ihr Krönlein auf das Tuch hinlegt und
sich entfernt (Haltrich-Wolff S. 310; vgl. „Germania"
29, 101). Auf jedem Hofe ist eine Natter; wenn man die
umbringt, so stirbt der ganze Hof aus (Tartlen). Ueber
den Drachen berichtet der siebenbürgisch - sächsische
Volksglauben: Man sieht den Drachen oft in Gestalt eines
Heubaumes mit Feuer über das Dorf fahren. Manchmal
kehrt er auch durch den Schornstein in ein Haus ein und
läfst entweder Geld oder Feuer zurück. Viele glauben,
bisweilen sei ein feuriger Drachen in Gestalt eines langen
Sackes, der ganz mit gestohlenem Korn angefüllt gewesen,
gekommen und habe das Korn einzelnen bevorzugten
Menschen zugeführt. Eine solche Erscheinung wollen ihrer
mehrere vor wenigen Jahren erst gesehen haben (Haltrich-
Wolff S. 811). Hebt einer beim Dreschen besonders viel
Korn auf, so sagt man in Henndorf: „Der hat sich in der
Nacht Korn schütten lassen vom Drachen," und in Arkeden
wieder hört man den Drachen über der Scheune fragen:
„Sal ich schüdden?" (soll ich schütten?); erwidert man
darauf: „Schüd, bäs te gedannnert bäst" (schütt', bis du
gedonnert bist), dann schüttet er Korn fort und fort, bis
es zum Scheunentore hinausfliefst (G. A. Heinrich a. a. O.
S. 32). Wenn bei Nacht der feurige Drache Jemandem er-
scheint, so stecke man schnell eine Gabel in die Erde, und
er kann einem nichts antun (Haltrich-Wolff S. 311).
In gleicher Weise haben auch die Kröten grofse
zauberwirkende Kraft. So kommen sie oft über das aus-
gedroschene Getreide auf der Tenne und verschleppen die
Körner. Damit man durch sie nun nicht Schaden leide,
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wird insbesondere die Kellerkröte geschont. Und in Wurm-
loch erzählen sich die Kinder geheimnisvoll, dafs der und
der mächtige Kröten in seiner Scheune oder seinem Keller
unter einem Steine verborgen halte, die er ausschicke, des
Nachbars ausgedroschenes Korn von der Tenne ihm heim-
zubringen (Heinrich S. 32). Wer hexen kann, hat
Ameisen und Kröten in Sold. Einem Bauer in Grofs-
Schenk stahl eine Trude das Korn aus dem Kasten. Einst
kommt er vom Felde nach Hause und findet eine Kröte im
Kasten, er will sie mit der Axt töten, vermag es aber
nicht, da er diese in der rechten Hand hat Als er sie in
die linke nahm, verschwand die Kröte (Haltrich-Wolff
S. 311). „Schon in der altpersischen Religion erscheinen
die vom bösen Prinzip geschaffenen bösen Geister in
Krötengestalt, und nicht blofs im Altertum, sondern bis
tief in die Neuzeit herauf erscheint die Kröte als ein
furchtbar giftiges, den unterirdischen Mächten angehöriges
Geschöpf; der scharfe Saft, den das ebenso häfsliche wie
harmlose und nützliche Tier, verfolgt, von sich spritzt, galt
für den Ausflufs feindseligster Gesinnung" (L. Frey tag
a. a. 0. S. 191). Wenn einen die Kröte bepifst, so be-
kommt man Krätzen. Dafs dies dämonische Tier auch im
Volksglauben der Siebenbürger Sachsen als Hüter ver-
wünschter Schätze auftritt und in den Hexenprozessen eine
verhängnisvolle Rolle spielt, ist selbstverständlich. In der
Kond, einer Halde bei Regen, fand ein Mann einen Pferde-
kopf mit Fröschen gefüllt. Er warf ihn seinem schlafenden
Nachbarn zum offenen Fenster in die Stube hinein. Am
nächsten Morgen hatten sich diese Tiere in lauteres Gold
verwandelt (Müller 2. Aufl. S. 94). Eine alte Hexe kam
einst in Gestalt einer Kröte zu einem Landmann auf das
Feld, welcher eben seinen warmen Hirsebrei verzehrte. Er
träufelte ihr einige Tropfen davon auf den Rücken. Die
Kröte entfernte sich sogleich. Nach einigen Tagen kam
ein altes Weib zu ihm und beschenkte seinen Sohn mit
einem Gürtel. Die Frau stand im Rufe, eine Hexe zu
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sein, weshalb der Bauer den Gürtel zuerst seinem Hunde
anlegte. Alsobald fing dieser an zu wimmern und zu
heulen, schwoll auf und barst. Der Bauer klagte die
Hexe vor Gericht an, wo sie beim Verhöre gestand, wie
der Bauer sie damals beschädigt und sie jetzt ihre Rache
an ihm habe ausüben wollen (Müller S. 140). Erblickt
man eine Kröte, so soll man ausspeien, sonst trifft einen
ein Unglück. Erblickt man aber viele Kröten beisammen,
so bekommt man unerwartetes Geld. Träumt man von
Fröschen oder Kröten, so wird man einen Schaden erleiden.
Quacken die Frösche laut, so kann man andauernd schönes
Wetter erwarten. —
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VI. Insekten.
„Spielen" die Mücken im Abendsonnenschein, so dauert
das schöne Wetter noch lange an. In einem Mühlbächer
Hexenprozesse heilst es: Eine Frau hatte zwei Arbeiter
genommen und arbeitete mit denselben den ganzen Vormittag
ununterbrochen in ihrem Weingarten. Nach dem Mittags-
mahl legten sie sich, wie gewöhnlich ist, nieder» um ein
wenig auszuruhen. Um die zweite Stunde nachmittags er-
hoben sich die Arbeiter und wollten auch die Frau wecken,
welche auf dem Kücken unbeweglich und mit offenem
Munde dalag. Sie rüttelten und schüttelten an ihr und
schrieen ihr ins Ohr. Umsonst; sie lag wie tot und war
nicht zu erwecken. Da liefsen die Arbeiter sie liegen und
gingen an ihr Geschüft. Um Feierabendzeit kamen sie
wieder, um sich samt der Frau auf den Weg zu machen.
Sie fanden die letztere noch immer in derselben Lage, wie
sie dieselbe verlassen hatten , auf dem Rücken liegend, un-
beweglich, mit offenem Munde, einem Toten ähnlich. Indem
sie sie staunend betrachteten, kam eine grofse Mücke daher
gesummt. Einer der Arbeiter hatte einen ledernen Beutel,
fing sie und steckte sie in denselben. Darauf wurden ver-
schiedene Versuche gemacht, an der Frau irgend ein Zeichen
von Leben zu entdecken, jedoch immer umsonst. Nach
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ungefähr einer Stunde wurde die Mücke aus ihrer Haft
entlassen und flog sogleich in den Mund der Frau, welche
sofort aufwachte. Nun waren die beiden Arbeiter nicht
länger im Zweifel, dafs die Frau eine Hexe sei (Müller,
S. Sag. 2. Aufl. S. 150). Schlafenden Kindern soll man den
offenen Mund bedecken, damit ihre Seele nicht als Mücke
davonfliege. In manchen Ortschaften glaubt man, die Seele
verlasse den toten Körper als summende Biene, die in
24 Stunden zum Himmel wandert (G. Schuller a. a. O.
S. 41). Wenn der Hausherr stirbt, mufs man es dem Vieh
im Stalle und den Bienen klagend mitteilen, sonst hat
man Unglück (Haltrich- Wolf f S. 295). Träumt man von
Bienen, so wird man durch Feuer Schaden erleiden. —
Dies wäre denn die Zusammenstellung aller der Tiere,
die im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen eine Rolle
spielen. Die Tiere haben eben im Glauben erhebliche Reste
hinterlassen; davon ist vieles altmythischen, pangermanischen
Ursprungs, manches aber im Laufe der Zeit und durch
christliche Färbung unkenntlich oder gar sinnlos geworden.
Hieraus lassen sich eben mancherlei Widersprüche im Volks-
glauben erklären. Religionsgeschichtliche Forschung aber
mufs mit jedem Kapitel des Volksglaubens rechnen, sei
dasselbe auch noch so vergilbt und verwischt.
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I
VI.
Tod und Totenfetische.
ein Zweig des Volksglaubens ist von dem Alles
zersetzenden Einflufs der Kultur so wenig berührt
worden, als die Totengebräuche. „Die bedeut-
samsten Ueberreste des ältesten Glaubens," sagt F. S. Kr aufs
(Ztschr. d. Ver. f. Volksk. I S. 148), „behaupten sich bei
allen Völkern in den Totengebräuchen, denn sie unterliegen
verhältnismäfsig wenigen Veränderungen, da sie durch die
besonderen, Herz und Gemüt aufs mächtigste erschütternden
Ereignisse eine eigene Weihe und Heiligkeit besitzen, in-
folge welcher sie immer wieder neu aufgefrischt und in
Uebung erhalten werden." In den Totengebräuchen offen-
baren sich eben die allerursprünglichsten und einfachsten
religiösen Vorstellungen, die sich eben aus diesem Grunde
für religionsgeschichtliche Forschung und vergleichende
Völkerpsychologie von ungemein grofsem Werte erweisen.
Und wenn auch der eigentliche Sinn dieser Gebräuche bei
vielen Völkern schon längst in Vergessenheit geraten ist,
so bleibt ihnen doch noch immer die allgemeine Sanktion.
Das Tun bringt Glück, das Unterlassen Unglück. „Grofse
Fortschritte," sagt Lippert, „hat die Menschheit nie ge-
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macht; auch in unserem Jahrhundert lassen wir uns durch
viele neue Lebensformen über den Fortschritt des Geistes
täuschen."
Die Totengebräuche der Siebenbürger Sachsen weisen in
mancher Richtung unverwischte Ursprünglichkeit auf, wenn
sie auch vielfach — wie dies nicht anders der Fall sein
kann — mit christlichen Anschauungen versetzt sind.
Der Tod wird im sächsischen Volksglauben allgemein
als ein bleiches Gerippe dargestellt, das eine Sense oder
eine Sichel in der Hand hält. So tritt er zum Totkranken
heran, blickt auf die Uhr und mäht, sobald die Todesstunde
schlägt, dem Menschen unsichtbar den Kopf ab, wobei er
die langen Zähne fletscht; daher sein häufiger Beiname „der
Longzandich" (Langzähnige). An manchen Orten erscheint
er als spindeldürrer Greis, der in Leintuch gehüllt ist oder
nur weifse Unterhosen (Gatjen) an hat und dem Kranken
winkt, ihm zu folgen. In Rosenau und auch sonst heifst er
auch der „Weifsgatjige". Oft erscheint er mit Menschen-
gebeinen zwischen den langen Zähnen. „Vereinzelt ist mir
auch die Vorstellung begegnet, u schreibt GeorgSchuller
in seiner wertvollen Abhandlung „Volkstümlicher Glaube
und Brauch bei Tod und Begräbnis im Siebenb. Sachsen-
lande" (Schäfsburger Gymn.-Progr. 1863—65), „wonach das
Gerippe Krallen an den Händen, Eulenaugen, einen auf-
gesperrten Schnabel, lange Ohren und zwei vorwärts ge-
bogene Hörner, sowie eine ganz schwarze Farbe hat. Man-
ches an dieser Ausstattung scheint von einer Vermengung
mit dem Teufel herzurühren." Auf einer Verwechselung mit
diesem beruht es wohl auch, wenn der Tod anderwärts als
schwarzer Hund mit feurigen Augen gedacht wird ; als
solcher führt er dann den mundartlichen Beinamen »Firägelc
(Feuerigel?). Uns Kinder pflegte mein Grofsvater oft zu
schelten : „dat dech de> Firagel fre'sze sul" = dafs dich der
Firägel fressen soll!
In Sagen und Märchen (s. Müllers Sammlung Nr. 44,
57, 43, 45) tritt der Tod in der Gestalt eines „schwarzen"
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Mohren, eines Ritters, einer Jungfrau usw. auf. Von den
Beinamen des Todes (G. Schuller S. 11) sind zu er-
wähnen: „der Dörrbälig" (bälen = Eingeweide, also: der
mit dürren Eingeweiden), der Ruhestörer, der Kaltmacher,
der Knicker, der Knickfufs, der Streckfufs, der Gliedaus-
strecker, der Würger, der Würgengel, Halsumdreher , der
Brotsparer, Brautknecht, Ehescheider, der Bischof (in Senn-
dorf sagt man, wenn in einem Hause eine verheiratete Per-
son stirbt: „Der Bischof ist da eingekehrt", was sich auf
die Trennung der Ehe bezieht; in genannten Orte sollen
viele Ehescheidungen vorkommen , G. S c h u 1 1 e r). Aus dem
Rumänischen ist die Benennung „Harthangel" (archangelus,
Erzengel) entlehnt. „Ein eigentümliches Epitheton," schreibt
G. Schul ler (S. 11), „führt der Tod in dem Kinderspiel
»sch&mpelän did« (schampelnder Tod), welches gewöhnlich
in der Wälschkorn ernte gespielt wird. Eines der Mit-
spielenden wird ganz mit Maisblättern bedeckt, das ist der
»sch&mpelän did« ; die Anderen stellen sich im Kreise herum
und rufen: »sch&mpelän did, stand äf, et hot Int geschlön«
= schampelnder Tod, steh' auf, es hat eins geschlagen
(eins — zum zweitenmale zwei usw.); er antwortet: »ach,
lot mich noch e wenig schldfen« (ach, lafst mich noch ein
wenig schlafen). So geht es fort, bis in der Anrede die
Zahl zwölf genannt wird; da springt der Verhüllte mit
den Worten: »ham, ich freszen dich!« auf, die Anderen
stieben auseinander und wen er erhaschen kann, mufs nun
selber »sch&mpelän did« werden, womit man von Neuem an-
hebt" (vgl. Hai tr ich im Archiv f. siebenb. Landeskunde
N. F. ni 309). Auch für Sterben gibt es eine Reihe
synonymer Redensarten, von denen wir hier nur einige mit-
teilen: E mächt hem &njd (er macht gegen das Ende);
ämegön (umgehen) ; e äs iwern (er ist hinüber) ; hömeln,
hömelzen (himmeln, in den Himmel ziehen); e lot iwern
§rn (er liegt über dem Fufsboden) ; den Löffel niederlegen ;
sich den Fleischkasten oder's Holzloch machen lassen; unter
den Wermut oder Attich kommen; die Haut lassen oder
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verkaufen; auf seine Haut trinken (vgl. die Zeitschr. „Am
Urquell" I. 113, 139); Töpfer werden, Erde kauen; Einem
die Hufeisen abreifsen. „Dieser merkwürdige Aus-
druck," schreibt G. Sch ulier (S. 13), „ist mir aus drei
Orten bezeugt: aus Arkeden, Peschendorf und Zied. Herr
Pfarrer Fr. Fronius leitet die Redensart von einem da-
selbst noch jetzt üblichen Ortsbrauche her. Werden näm-
lich — was nicht immer geschieht — einem Verstorbenen
auch die Schuhe angezogen, so reifst man zuvor die Huf-
eisen (so heifsen allgemein auf dem Lande die Eisen-
beachläge an den Schuhabsätzen, wozu oft noch eine Eisen-
verzierung hinten an der Schuhferse — „die blichen" —
kommt) von denselben ab. Als Grund hievon gibt das
Volk an: es solle dadurch das sogenannte „Blühen" (des
Metalls; vgl. Müller, Sagen Nr. 102) verhindert werden
— vielleicht damit kein Schatzgräber- die Ruhe des Toten
störe. Fronius ist indes geneigt, den Grund vielmehr in
der frommen Scheu zu finden, vermöge der man vor Gott
nicht so mit Eisen bewehrt und geziert erscheinen will
(denn auch die „Blochen" werden abgerissen), und führt als
Analogie an, dafs nach den Arkeder Bruderschaftsartikeln
(s. Fronius, Bild. a. d. sächs. Bauernl. in Siebenb., S. 48)
kein „Knecht" (d. i. konfirmierter Jüngling) mit solchen
„blechen" vor den Altar zum Genufs des heiligen Abend-
mahls treten dürfe. Die Rumänen, die diesen Brauch auch
haben, geben ihrerseits als Grund davon Folgendes an: die
Himmelstüre befinde sich neben der Höllenttire; habe nun
ein Einkömmling Hufeisen an den Schuhen, so höre ihn
der Höllenhund im Himmel auftreten und ziehe ihn in
die Hölle." —
Zahlreich sind auch die Todvorbedeutungen im
Volksglauben der Siebenbürger Sachsen.
Will man wissen, ob ein Kranker mit dem Leben da-
vonkommt, so schmiert man seine Fufssohlen mit Speck
und wirft diesen einem Hunde vor; frifst er, so wird der
Kranke gesund, im Gegenteil stirbt er (H al t r ich- Wolf f
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S. 308; vgl. E. Meier, Deutsche Sagen u. Gebräuche aus
Schwaben, S. 508). Oder man schüttet Weihrauch in ein
neues Töpfchen, wirft eine glühende Kohle darauf und steigt
damit auf den Tisch; zieht der Rauch gerade aufwärts, so
genest der Kranke; zieht er aber der Türe zu, so stirbt er.
Zu einem, den man zu überleben hofft, sagt man in der
Schäfsburger Gegend scherzhaft : „Mit deinen Knochen werfe
ich noch Birnen (oder Pflaumen) von den Bäumen"
(G. S c h u 1 1 e r S. 22). Legt sich ein Kranker am Sonntag
ins Bett, so steht er nicht mehr auf. Wenn die Kinder
Leiche spielen (stärwe spielen = Sterben spielen, wobei sie
Puppen udgl. begraben), Kirche halten oder auf der Strafse
Kirchenlieder singen, so stirbt bald Jemand im Orte. Man
soll sich nicht im Scherze auf eine Bank oder dgl. legen
und unter Singen herum tragen lassen; man stirbt dann
bald (vgl. Müllers Sagen Nr. 159). Wer im Wagengeleise
oder rücklings geht, ebenso wer das Brot auf die verkehrte
Seite legt, dem stirbt bald ein Angehöriger. Wer rücklings
geht, von dem sagt man in Kronstadt: er läuft dem Teufel
in die Arme. Fällt ein Stern vom Himmel, so stirbt ein
Mensch. Sturm bei der Verlobung oder geht der Trauring
verloren, so stirbt eines der Eheleute. Von dreizehn Per-
sonen, die an einem Tische sitzen, stirbt eine bald. Am
eigenen Körper darf man nichts messen; „man mifst sich
den Sarg." Strickt eine Frau die angefangene Nadel nicht
ab, so stirbt ihr Mann; und ein Weib, dessen Gatten
schnell hintereinander sterben, hat eine weifse Leber. Das-
selbe glauben auch die Magyaren. Wenn das Brot beim
Backen zerspringt, oder wenn im Hause etwas, z. B. ein
Spiegel, Glas udgl. ohne sichtbare Veranlassung springt,
oder kracht oder fitllt, so stirbt Jemand von den Angehörigen
des Hauses. Entfernte Verwandte melden sich bei ihrem
Verscheiden immer durch etwas an, durch Rufen, Fenster-
klopfen udgl. Fallen Jemandem plötzlich drei Blutstropfen
(nach Anderen ein einziger) aus der Nase, so stirbt ihm ein
naher Anverwandter (G. Sch uller S. 28). Wenn man von
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einem plötzlichen Schauer gerüttelt wird, so sagt man: „Der
Tod (oder was in diesem Falle dasselbe bedeutet — der
Kantor) ist mir übers Grab gesprungen" (G. Schul ler
S. 28). Im magyarischen sagt man: „Jemand ist auf mein
Grab (d. h. auf die Stelle des Grabes) getreten" (valaki a
siromra l^pett). Fällt dem Tischler die Säge aus der Hand,
so mufs er bald einen Sarg machen. Einem Kranken darf
man kein Kleidungsstück verfertigen oder anprobieren, sonst
stirbt er.
Bald gibt es wieder eine Leiche, wenn dem Toten ein
Auge sich immer öffnet oder wenn die Leichenstarre nicht
eintritt; ebenso wenn der Leichnam noch einmal erseufzt
oder der Mund nahe Bänderzipfel einzieht (G. Schuller
S. 29). Wird eine Leiche aus einem Hause fortgetragen,
so mufs man schnell die Türe schliefsen, sonst stirbt bald
Jemand nach. Stäubt die Erde, die man im Grabe auf den
Sarg wirft, oder erklingt der Sarg hohldumpf unter den
Schollen, oder niefst der Pfarrer am Grabe, so stirbt bald
wieder Jemand.
Geht man durch eine Stelle, wo Pferde sich gewälzt
haben, so stirbt man (G. Sc hui ler S. 30). Wenn ein
getötetes und zum Sengen zurechtgelegtes Schwein den
Kopf nach einer Seite wendet, so sagt man, es sterbe Je-
mand von den Leuten, die in der Richtung wohnen, nach
welcher das Schwein den Kopf gewendet hat; ebenso be-
deutet es einen Todesfall, wenn ein lebendiges Schwein auf
der rechten Seite liegt und den Kopf hängen läfst. Heu-
lende Hunde, Katzen, die in der Krankenstube kratzen,
krähende Hennen und schreiende Eulen (Totenvogel) zeigen
einen bevorstehenden Todesfall an. Fliegt ein Vogel oder
ein Schmetterling in eine Krankenstube, so stirbt der Sieche
bald. „Schlägt die Turmuhr unter dem Glockengeläute, so
stirbt bald Jemand im Orte („de stönd schlit än de klök"
= die Stunde schlägt in die Glocke). Nach Anderen hat
der Stundenschlag nur dann die Vorbedeutung, wenn er
während des Leichengeläutes oder während des Abend-
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glockenläutens erfolgt. Fällt er in das Hochzeitgeläute ein,
so stirbt eins von den Brautleuten" (G. Schul ler S. 33). —
Die Parallelen in diesem Gebiete des Volksglaubens
mehren sich von Tage zu Tage und gehen in ein ganz
überraschendes Detail. Parallelen zu diesen Todvorbedeu-
tungen des Volksglaubens der Siebenbtirger Sachsen finden
sich bei zahlreichen Völkern vor. Und eben deshalb haben
sie für die Volkskunde einen besonderen Wert; denn in
der Uebereinstimmung in den Sitten und Anschauungen
aller Völker der Erde liegt ein tiefer wissenschaftlicher
Wert und ein mächtiger Impuls für eine allgemeine Moral.
„Diese Uebereinstimmung lehrt nämlich," schreibt Alb.
Herrn. Post (in der Ztschr. „ Am Urquell" H S. 70), „dafs
es im Völkerleben so gut Gesetze gibt, wie in der übrigen
Natur, und dafs diese Gesetze für alle Menschen dieselben
sind. Eine Erkenntnis dieser Gesetze eröffnet uns tiefere
Einblicke in die menschliche Natur, als sie auf irgend eine
sonstige Art jemals haben gewonnen werden können ; sie
lehrt uns, dafs ein Widerstreben des Einzelnen gegen diese
socialen Gesetze nur zu seiner Vernichtung fuhren kann;
sie lehrt uns, dafs jede Nation mit jeder anderen verbunden
ist durch ein allgemein menschliches Band, welches viel
mächtiger ist als die nationale Eigenart. Die Früchte einer
solchen Erkenntnis, wenn sie einmal Gemeingut der Mensch-
heit geworden ist, werden nicht ausbleiben." —
Richten wir nun unser Augenmerk auf die Gebräuche,
die sich auf den Augenblick beziehen, da nach der all-
gemeinen Auffassung des Todes die Seele den Leib verläfst.
Ist schon keine Hoffnung auf Genesung mehr vorhan-
den, so wird der Geistliche gebeten, für den Kranken in
der Kirche eine öffentliche Fürbitte zu tun („einen frommen
Seufzer zu unserem Herrgott zu schicken") und demselben
das heilige Abendmahl zu reichen. Es herrscht dabei der
Glaube, dafs nach Vollzug dieser beiden Funktionen ent-
weder Besserung oder der Tod eintrete. Auch glaubt man
den Tod verhindern oder hinausschieben zu können, wenn
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man unter das Kopfkissen eines Schwerkranken ein „an-
gestorbene8 a , d. i. ein ererbtes Kleidungsstück legt (G.
Schuller S. 39). Um dem Scheidenden das Sterben zu
erleichtern, wendet man ihn auf die linke Seite, oder man
breitet ein Tuch oder Kleid „aus dem vierten Familien-
gliede" über ihn (Schälsburg), oder man zieht ihm das
Kopfkissen weg (Rohrbach, Reufsdorf und sonst). Verkürzt
auch dies den bitteren Todeskampf nicht, so legt man den
Sterbenden vom Federbette weg auf Erbsenstroh (Prüden,
Henndorf und sonst), denn es könnten im ersteren Tauben-
federn enthalten sein, und auf solchen kann der Mensch
nicht ersterben. Schwer sterbende Kinder legt man samt
dem Bette in die Stelle, wo sonst der Tisch steht (G.
Schuller S. 40).
Auch bei den Siebenbürger Sachsen ist man „von der
Vorliebe der Urzeit , die Geister der Väter in seiner Nähe,
am Herde, im Hause oder doch in der Hofstätte zu haben,
durch christliche Erziehung abgekommen; der Wunsch ist
sogar, wie viele Beweise zeugen, ein gegenteiliger geworden"
(Lippert, Christentum, Volksgl. u. Volksbr. S. 384). Es
hat daher der Gedanke gesiegt : die Seele gehört sofort der
ewigen Ruhe an, und ihres Bleibens darf hienieden nicht
mehr sein. Es ist daher das erste, was nach, eingetretenem
Todesfall zu geschehen hat, dafs man die Fenster öffnet,
damit die Seele hinausfliegen könne. Von dieser hat man
sehr verschiedenartige Vorstellungen. „Vielen ist sie ein-
fach ein unsichtbares Wesen oder ein unsichtbarer, aufwärts
fliegender Geist. Andere meinen, sie sei ein weifses, un-
körperliches und unförmliches Wesen (Hamruden) oder ein
Geist mit einem Leintuch umhangen (Alzen). Mancherwärts
denkt man sie sich als eine dem Körper, den sie bewohnt
hat, ähnliche Gestalt (Kaisd und sonst), oder als einen
blofsen Hauch (= gölem; Henndorf, Rosenau) oder (in an-
tiker Weise) als einen Schatten (Bogeschdorf). Wieder
Andere stellen sich dieselbe als ein Licht oder eine Fackel
vor (Schäfsburg), oder als eine weifse Taube, die zum
Wlislocki, Volksbrauch u. Volksglaube d. 8iebenb. Sachien. 13
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Himmel emporfliegt (eine verbreitete Vorstellung), oder end-
lich als eine summende Biene, die in vierundzwanzig Stun-
den zum Himmel wandert (Wattersdorf; die Seele als Mücke
s. Müller, Sagen Nr. 151). Von der Seele eines bösen
Menschen glaubt man (z. B. in Schorsch), sie müsse als
schwarzes Hündchen auf Erden umherirren. Aus den
Seelen unschuldiger Kinder hingegen werden Engel"
(G. Schuller S. 41).
Dem Toten werden Geldstücke auf die Augen gelegt,
damit sie sich nicht öffnen; auf den Bauch aber setzt man
einen Zinnteller, damit der Leib nicht anschwelle. Diese
Geldstücke, der Teller und auch das Rasiermesser, womit
man den Toten rasiert hat, werden in den Sarg gelegt und
mitbegraben. „Das zum Waschen verwandte Wasser pflegt
man an einen abgelegenen Ort oder auch dem Nachbar »in
der Grenzfrieden« (Zaun) zu schütten; ebendahin werden
die bei dem Waschen gebrauchten Tüchelchen und die
Scherben der mit Fleifs zerbrochenen Waschschüssel ge-
worfen. Zur Reinigung des Leichnams gehört endlich, dafs
man ihm die Haare kämme und die Nägel an den Fingern
und Zehen beschneide. Diese Nägelschnitzen werden so-
dann in ein Tüchelchen gebunden und unter einem Balken
der Zimmerdecke oder auf einem Schüsselrahmen verborgen,
damit das Glück des Hauses mit dem Toten nicht verloren
gehe, oder — nach anderer Deutung — damit der Tote
nicht noch mehr Familienglieder nach sich ziehe" (G.
Schuller S. 48). Und dies Alles geschieht deshalb, eben
weil es der Seele so sehr eigen ist, sich an Alles zu hängen,
was zu ihr in irgend welche Beziehungen gebracht wurde,
was sie wegen dessen sinnlicher Berührung mit dem Leibe
als ihr Eigen betrachten kann. „Das wissen seit Urzeiten
die Menschen," schreibt Lippert (a. a. O. S. 387), „und
sie machen davon Gebrauch, je nachdem sie die Seele fest-
halten oder bannen wollen. Wenn wir weit von uns in
China die Sitte treffen, dafs im Momente, da man eine
Leiche aus dem Hause trägt, in demselben eine Wase zer-
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schlagen wird, so werden wir den, wenn auch niemand mehr
bewufsten Gedankengang leicht herstellen können. In der
Volksvorstellung der Siebenbürger Sachsen blieb auch ganz
allgemein — zugleich die Basis der Vorstellung vom Ex-
uvialfetische — der Glaube an die Zähigkeit, mit welcher
die Seele an all dem Ihren hängt und es mit sich zu reifsen
sucht. Darauf weist noch mancher Rest der volkstümlichen
Anschauung. Deshalb mufs man dem Vieh und den Bienen
den Fall mit den Worten ansagen: „Dein Herr ist ge-
storben," sonst hat man hinfort kein Glück mit dem Vieh
und den Bienen (G. S c h u 1 1 e r S. 42). Schlafende Familien-
mitglieder müssen bei einem Todesfall geweckt werden,
sonst sterben sie dem Toten bald nach." In frühere Zeiten
verschenkte man auch die Kleider des Verstorbenen an
Arme. Lipp er t (S. 389) erklärt uns in trefflicher Weise
diesen Rest uralter Anschauung, indem er schreibt: „In all
dem erhielt sich zugleich noch so recht aus des Menschen
Urzeit das Angsterregende eines Todesfalles, die Furcht vor
dem den Zurückbleibenden ungünstigen Sinne des Gestor-
benen . . . Dafs derselbe die Schlafenden töte, beruht auf
jener alten Volksanschauung, dafs die Seele der Schlafen-
den aufser dem Leibe weilt. Da trifft sie die auswandernde
und nimmt sie mit, ehe sie in den Leib zurückkehren kann;
indem man also diesen weckt, ruft man seine Seele in ihn
zurück." —
Mit peinlicher Gewissenhaftigkeit hält man überall
darauf, dafs alle geknüpften Sachen am Toten, also in-
sonderheit die Bänder, womit Hände und Füfse desselben
bis zur Beerdigung zusammengebunden waren, wie auch
das Tuch, welches das Kinn festhielt, damit der Mund nicht
offen bleibe, — gelöst werden; raancherorten entfernt man
sogar alle Stecknadeln, die zur Befestigung von Ausstattungs-
stücken angebracht waren. „Fragt man die Leute," berichtet
G. S chuller (S. 12), „nach dem Grunde dieses Verfahrens,
so lautet die gewöhnlichste Antwort : es sei eben nicht gut,
wenn man es unterlasse. Manche äufsern sich bestimmter:
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Der Tote finde sonst keine Rohe im Grabe, oder: es seien
ihm sonst auch in jener Welt Hände, Füfse u. s. w. ge-
bunden; oder: die zurückbleibende Ehehälfte könne sonst
nicht wieder heiraten; oder endlich: es geschehe deshalb,
weil auch die Engel im Himmel nicht gebunden seien."
Dafs also die Seele nicht bleibe, den Toten von
der Rückkehr überhaupt abzuhalten, das verlangt eine
verständige Selbstftlrsorge der Überlebenden fUr ihr
eigenes Wohl. Darauf bezieht sich auch der folgende
Glaube: Einem Gestorbenen darf man kein Hemde von
einer noch lebenden Person anziehen, sonst siecht diese
dahin („vergeht auf den Ftifsen"), wie das Hemde im Grabe
zu Grunde geht. Zieht man ein Kleidungsstück von einer
bereits gestorbenen Person einem Toten an, so weichen
sich beide im Jenseits aus, sollten sie auch im Leben noch
so gute Freunde gewesen sein. Wenn an der Ausstattung
(zumal dem Totenkissen) genäht wird, darf man keinen
Knoten knüpfen, sonst bindet man den Gestorbenen an
dieses Leben, und er kann keine Ruhe im Grabe finden.
Manche glauben, das Knotenknüpfen habe auch für gewisse
Lebende schlechte Folgen. Eine Frau nämlich, die solches
tut, verliert ihren Gatten, ein Mädchen bekommt keinen
Mann (Malmkrog). Werden an dem Totenkissen einer
verehelichten Person Knoten geknüpft, so kann der hinter-
bleibende Teil nicht wieder heiraten (Rosenau; G. Schuller
S. 64). Dem Nachbarvater (Vorstand der Nachbarschaft,
s. Fronius a. a. O. S. 82), der die Todesanzeige beim
Pfarrer machen soll, mufs man vorher zwei Becher Wein
zu trinken geben, sonst kommt der Gestorbene in einer
Nacht zurück, begibt sich in den Keller und richtet den
Wein so zu, dafs er keinem Käufer schmeckt (Bogeschdorf;
G. Schuller S. 64). Riecht man an einer Blume, die auf
einem Toten liegt oder auf einem Grabe wächst, so ver-
liert man seinen Geruch. Dafs er den Geruch verloren,
schrieb auch mein Grofsvater diesem Umstände zu. Legt
man Blumen auf einen Toten, so verwelkt der Strauch,
— 197 —
von dem sie herrühren, zumal wenn er vom Verstorbenen
selbst gepflanzt worden ist. „Kinder, die sich vor einem
Toten (oder den Toten überhaupt) fürchten, nötigt man,
die grofse Zehe desselben anzufassen, so verlieren sie diese
Furcht für immer (Zeiden). In Brenndorf läfst man sie
zu diesem Zwecke in die grofse Zehe — beifsen, wodurch
zugleich bewirkt wird, dafs ihnen der Tote nachher nicht
erscheint In Hamruden war es früher üblich, dafs die
Anverwandten eines Gestorbenen, während dieser auf der
Totenbank lag, dreimal um ihn herumgingen und bei jedem
Umgange einmal die grofse Zehe eines seiner Füfse be-
rührten; auch wurden kleine Kinder dreimal über den
Toten hinübergehoben. Dieses Alles sollte bewirken, dafs
der Tote nicht „heimkomme" (G. Schuller S. 64). Um
die Seele von der Rückkehr abzuhalten, ihr gleichsam den
Weg oder die Zurechtfindung zu erschweren, beobachtet
man nach der Beerdigung noch folgenden Brauch: Um
den aufgeworfenen Grabhügel halten die Anwesenden einen
feierlichen Umgang, wobei sie dem Toten Abschiedsworte
zurufen; eine schwangere Frau aber darf sich nicht daran
beteiligen, sonst ist sie bei der Niederkunft unglücklich
(Zendersch, Zuckmantel), oder das Kind, das sie gebiert,
wird bleich (Hamruden; G. Schuller S. 18).
Selbstmörder, deren Seelen „den Ort der Tat
umschweben und dahin zurückzukehren versuchen", wurden
in alten Zeiten verbrannt, später in ungeweihter Erde be-
graben. Sie wurden nicht über die Schwelle aus dem
Hause getragen, sondern man schob sie durch ein Fenster
oder ein zu diesem Zwecke unter der Schwelle gebrochenes
Loch hinaus (G. Schuller S. 44). Es geschah dies eben
auch aus dem Grunde, um der zurückkehrenden Seele den
Weg oder die Zurechtfindung zu verwehren (vgl. L i p p e r t
S. 391).
Bezüglich unnatürlicher Todesfalle heifst es im
Volksglauben der Siebenbürger Sachsen: Die Leiche eines
Ertrunkenen findet man, wenn man in ein ausgehöhltes
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Brot ein brennendes Wachslicht steckt und es dann auf
dem betreffenden Wasser schwimmen läfst Wo das Brot
stille steht, dort befindet sich der Leichnam. „In Bulkesch
hatte sich vor mehreren Jahren ein Mann ersäuft, und man
ging „von der Gemeinde" (d. h. aus jedem Hause eine
Person) und suchte ihn, fand ihn aber nicht. Da rief ihm
seine Frau durchs „Rauchloch" (das aus dem Stubenofen
in den Rauchfang führt), denn so, glaubte man, müsse er
nun zum Vorschein kommen" (G. Schuller S. 65). Er-
trinkt Jemand, so regnet es so lange, bis man seine Leiche
findet; und wenn sich Jemand erhängt, so bläst anhaltend
der »Sturmwind. „Erhängt sich einer so, dafs ihm die
Füfse auf den Boden reichen, so macht der Teufel Feuer
unter dieselben, und er niufs sie immer weiter hinauf-
ziehen, bis ihm die Kehle gehörig fest zugeschnürt ist"
(G. Schuller S. 66). Tritt der Mörder an die Bahre des
Ermordeten, so fangen die Wunden des Leichnams zu
bluten an. An der Stelle, wo ein Mord geschehen ist,
darf man nicht vorübergehen, ohne ein Reis oder (wenn
sie sich nicht im Walde befindet) einen Stein oder ein
wenig Erde auf dieselbe zu werfen. In einem nahe bei
Schäfsburg gelegenen Walde befindet sich eine solche stets
von Reisig bedeckte Stelle (G. Schuller S. 67).
Wir sehen also, dafs im Volksglauben der Sachsen, um
die Seele von der Rückkehr abzuhalten, noch positiv ab»
wehrende und negativ vorbeugende Mittel vorhanden sind.
Li ppert schreibt über diese Mittel (S. 390): „Die ersteren
bestehen in der Erschwerung des Weges oder der Zurecht-
findung — die anderen in der Beseitigung aller Dinge, an
welche sich die Seele besonders gern zu heften pflegt. Die
Beseitigung hat wieder zwei Wege : Vernichtung der Gegen-
stände oder Beisetzung mit dem Toten. So öffnet sich
wieder nach dieser Richtung hin das Verständnis zu einer
Menge absonderlicher und doch wieder im Gedanken über-
einstimmender Bräuche."
* *
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Im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen kommen
auch alle Arten von Totenfetischen vor, die wir im
Volksbrauch anderer siebenbürgischer Völkerschaften zum
gröfsten Teil wiederfinden. Alles und jedes, was mit der
Leiche und deren Teilen in irgend eine Verbindung oder
Berührung kommt, verwendet der Zauber zu seinen Zwecken
und Absichten. Den Inhalt des vorliegenden Themas bis
in alle Einzelheiten hin zu erschöpfen, ein erschöpfendes
Ganze für den siebenbürgisch - sächsischen Volksglauben,
bin ich nicht imstande zu liefern; dazu würde eine um-
ständliche, den Umfang eines ganzen Bandes ausfüllende
Untersuchung gehören; nur mit einigen Streiflichtern
möchte ich den wundersamen Ideenkreis beleuchten, in
welchem sich das Bewufstsein der niederen Volksschichten
zu bewegen pflegt, soweit sie noch eben ungestört von
dem verhängnisvollen Einflüsse einer höheren Bildung in
dem Banne ihres ursprünglichen Dämonismus verblieben
sind. Zugleich erweist dadurch die Ethnologie wieder ihre
„ungemeine, bedeutsame philosophische Verwertung, indem
sie nämlich für ein wirklich induktives Studium die einzelnen
Bausteine und Entwicklungsglieder beschafft, aus denen wir
die Entfaltung irgend einer religiösen oder psychologischen
Vorstellung überhaupt uns verständlich machen können"
(Th. A che Iis in der Zeitschr. „Am Urquell", III. S. 81).
Es heifst im sächsischen Volksglauben, dafs derjenige,
der etwas absichtlich oder unabsichtlich sich aneignet, das
dem Toten unmittelbar (Grabblumen, Sargstücke u. s. w.)
oder mittelbar (Körperteile) angehört, sein Leben lang un-
glücklich wird. Eine Bäckermagd, die Nachts um Bier
geschickt, über den Kirchhof zur Schenke ging, sah eine
weifse Gestalt auf einem Grabe kauern. Sie meinte, es sei
ihr Geliebter, der Bäckergeselle, ging also auf die Gestalt
zu, zog ihr das Hemd aus und eilte davon. Es war aber
nicht ihr Geliebter gewesen, sondern ein Toter, der in der
nächsten Nacht ans Fenster der Maid kam und sie auf-
forderte, ihm das Hemd an derselben Stelle wieder anzu-
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ziehen. Wie sie dies in der folgenden Nacht in Begleitung
des Bäckergesellen tat, umfafste sie der Tote und war im
Nu mit ihr verschwunden (s. M ü 1 1 e r Nr. 420, 6. S c h u 1 1 e r
S. 67). Diese auch anderen Völkerschaften Siebenbürgens
bekannte Sage illustriert am besten den Glauben, dafs man
Tote im Besitze ihres Eigentums nicht stören dürfe.
Will man sich etwas von den Toten aneignen, so mufs
man folgende Vorschriften einhalten: Man spricht beim
Wegnehmen eines Totengutes: „Alle guten Geister loben
Gott den Herrn!" Oder man schlägt in das Grab ein mit
einem Kreuz bezeichnetes Hölzchen ein, oder sticht einen
eisernen Nagel ins Grab. Die Sache, die man vom Friedhof
oder von einer Leiche sich aneignet, soll man zuerst mit
der linken Hand angreifen, oder um die Hand ein weifses
Tuch wickeln und so die betreffende Sache nach Hause
tragen, das Tuch aber soll man so bald wie möglich nach-
träglich in den Grabhügel einscharren. Den Tod eines
schlechten Menschen (eines Diebes u. s. w.) kann man da-
durch herbeiführen, dafs man durch gewisse Personen, die
solches gegen gute Bezahlung vermögen, „auf ihn fasten"
läfst. Man sieht nur einmal, dafs er auf den Füfsen ver-
geht und stirbt (G. Schuller S. 66). Wirft man heimlich
in einen Sarg Speichel, Blut u. dergl. einer Person, so
siecht diese langsam dahin und stirbt, wenn sie den Grund
ihrer Krankheit nicht errät. Steckt man ein Totenknochen-
splitterchen Jemandem in den oberen Teil des Türstockes,
jedoch auf der Seite, die nicht gegen die Stube gekehrt
ist, so wird der betreffende Inwohner mit der Zeit ein Stück
nach dem andern seines Besitztums verlieren ; in die innere,
der Stube zugekehrten Seite gesteckt, bewirkt dies Knochen-
splitterchen rasche Vermehrung des Besitztums (Mühlbach;
ähnlich im magyarischen Volksglauben). 1 ) Hängt man einen
*) S. mein Werk: „Volksglaube u. rel. Brauch der Magyaren"
(München, Aschendorff) sub: Tod.
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Lappen von einem Totenkleide an einen Rebenstock, so
trägt derselbe keine Trauben mehr; vergräbt man aber
einen Totenknochen in die Fruchtkammer, so vertreibt man
damit alle Mäuse (Heitau; vgl. Lipper t a. a. O. S. 397).
Gibt man Speisereste vom Totenmahle den Haustieren zu
fressen, so werden dieselben davon fett (Burzenland). Will
man einer Person den Schlaf benehmen, so stecke man ihr
unter das Kopfpolster das Tuch, mit dem man sich die
Tränen abgewischt hat, die man bei einer Leiche geweint.
Das Tuch aber darf seither nicht gewaschen worden sein.
Die Person wird nun allnächtlich vom betreffenden Toten
träumen und so lange keine nächtliche Ruhe haben, bis sie
das Tuch nicht verbrennt (Kronstadt; vgl. Lippert S. 409).
Dauernden Unfrieden kann man unter Eheleuten stiften,
wenn man von ihren Haaren, Nägeln, Speichel, Blut u. dergl.
etwas in ein offenes Grab wirft
Besonders spielt die Heilkraft der Totenfetische auch
im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen eine Rolle.
„Wenn ein Augenkranker an einem heiteren
Frühlingssonntage in der Frühe zum Grabe eines Frommen
geht und seine Augen mit frischem Tau von demselben
benetzt, so wird er an den Augen geheilt" (G. Sch ulier
S. 58). Mit unheilbarem Ausschlag behaftete Kranke
soll man in einem Bade, in dem sich Kräuter und Erde
von einem Grabe befinden, waschen und das Badewasser
dann auf den Friedhof giefsen (Hermannstadt). Gegen
Auswuchs und Kropf ziehe man einem Toten durch die
Hand einen Seidenfaden und binde ihn dann um den Hals
des betreffenden Menschen (Haltrich-Wolff S. 308).
Ein seidenes Band aus einem Grabe schützt gegen Fraisen.
Am Charfreitage beim Kirchenläuten geht man auf den
Friedhof und holt Kräuter, ein Mittel gegen jede Krankheit
(G. Schuller S. 58). Stirbt ein Säugling, so legt sich
die Mutter Erde vom Grabe desselben auf die Brüste,
damit ihre Milch versiege (G. Sch ulier S. 39). Mit
Lappen von einem Totenkleide sollen sich Gichtkranke
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den leidenden Körperteil reiben und dann den Lappen all-
nächtlich an einen Baum hängen (Kronstadt). Gegen an-
haltende Krämpfe soll man mit einem Faden einen Toten
ausmessen und diesen um den blofsen Leib tragen (Tartlau,
Petersberg). Eine Geschwulst oder Wa rzen werden
geheilt, wenn man sich dieselben mit der Hand eines Toten
streichelt (Henndorf). „Einen Säufer kann man von seiner
Trunksucht gründlich kurieren, wenn man von dem Ge-
tränke, das er am liebsten trinkt, ein Quantum über eine
Silbermünze, die in dem Munde eines Toten während dessen
Ausstattung gelegen hat, giefst und dem Säufer zu trinken
gibt" (G. Schuller S. 65). Was F. S. Krauss (a. a. O.
S. 140) aus dem südslavischen Glauben berichtet, teilte mir
1888 eine in Mühlbach gar wohlbekannte Bauernmaid Anna
mit. Ne vir coitum facere possit soll das Weib eine Nadel
dem Toten in den Leib stecken, dieselbe nach einigen
Stunden unbemerkt herausziehen und über sie dann einen
Trank dem betreffenden Manne giefsen. Er wird keines
Weibes mehr froh werden — nam membro virili ad
coeundum firmitas deficiet. Irrsinnigen soll man aus einem
Totenschädel zu trinken geben.
Um dem Gebäude Festigkeit zu verleihen, so vergräbt
man in den Grund desselben einen Totenknochen. Heimlich
lebt nur noch hie und da dieser Brauch fort und wird von
der Einmauerung von Pferdeschädeln gänzlich verdrängt.
Das Einmauern von Menschen, namentlich Kindern, bei
Grundsteinlegung von Gebäuden mag auch unter den
Siebenbürger Sachsen in uralter Zeit in Brauch gestanden
sein. Nun werden in rudimentärer Weise nur Totenknochen
und Tierschädel eingemauert. Das Tier tritt also auch hier
in beschränktem Kreise stellvertretend für den Menschen
ein, es übernimmt die Rolle, die ursprünglich dem Menschen
zugedacht ist. „Von so unheimlicher Zähigkeit sind die
Vorstellungen des Volkes und an so unsichtbaren Fäden
spinnen sie sich weiter, wenn sie längst abgerissen scheinen ! tt
(Lippert S. 458). —
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- 203 —
Zum Zaubern, besonders „das Glück an sich zu binden"
(det gleck u sech b&ndjen), eignen sich vor allem Körper-
teile eines Toten. Nehmen wir zuerst den Liebeszauber.
Will man eine Maid an sich fesseln, so eigne man sich einige
ihrer Haupthaare an, speie darauf und stecke dieselben
dann heimlich in den Sarg eines Toten. Haare von einem
Toten und die eigenen Menses vergräbt die Frau an den
Ort, wo der Mann das Wasser abzuschlagen pflegt, um sich
seiner ehelichen Treue zu versichern. Vergräbt die Maid
die Fufsspur eines Burschen in den Friedhof, so kann
dieser nicht von ihr lassen (Mühlbach und sonst). Will
man in einer Ehe Unfrieden stiften, so stecke man Toten-
haare ins Bett der Eheleute (Grossau).
Durch Totengebein kann man Ratten und Mäuse,
Wiesel und Marder vertreiben (s. Feilberg in der Zeit-
schrift „Am Urquell", HL 87). Vergräbt man ein solches
Gebein oder auch nur etwas Haare von einem Toten in
den Boden eines Gebäudes, so wird sich daselbst keines
der erwähnten Tiere zeigen. Flechtet man Totenhaare in
den (gewöhnlich aus Stroh oder Rohr geflochtenen) Bienen-
korb, so hat man stets reichliche Honigernte (ähnlich auch
der magyarische Bienenzauber). -
Auch bei den Siebenbürger Sachsen schliefst sich ein
ganzer Wust vom tollen Zauberwahn an Hingerichtete so-
wohl, als auch an solche Menschen, die sich freiwillig das
Leben nehmen. In erster Reihe stehen dabei diejenigen,
die durch Erhängen das Leben verlieren. Schön erläutert
diesen Volksglauben Lippert (a. a. O. S. 461): „Für uns
nicht unverständlich, aber doch an sich merkwürdig, ist
das Verhältnis, in welches der Hingerichtete seiner
Seele nach zu den Überlebenden tritt. Die Kirche hat
wohl auch die Vorstellungen dieser Art in ihr System
einzuordnen gesucht, aber eine grofse Zahl zum Teil toll
phantastischer Rudimente deutet darauf, dafs es ihr nur
theoretisch gelungen sei. Aus Allem ergibt sich das Eine,
dafs das Volk bei der unvermeidlichen Verdunkelung einer
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gewisserinafsen nur in geheimer Tradition durch die Jahr-
hunderte fortgepflanzten Vorstellung, alles, was sich auf
den zum Zwecke eines besonderen Wächteramtes ins Jenseits
Beförderten bezog, auf jeden Hingerichteten überhaupt
übertragen hatte. Die nahe Beziehung, in welcher einst
Hinrichtung und Opferung gestanden, mufs zu jener Ver-
wicklung der Vorstellungen, aus welcher nur noch das
Phantastische in spätere Zeiten hineinleuchtete, beigetragen
haben. Der Hingerichtete wurde gleich jenem ein an die
Stelle und seine Exuvier gebannter, nicht unmächtiger
Geist, das moralische Moment fiel bei einer so alther
vererbten Vorstellung gar nicht ins Gewicht. Wie der
Kannibale kein Bedenken trägt, die Seele aus dem Ver-
ruchtesten gerade um ihrer Stärke willen in sich aufzunehmen,
so kam auch dort die sittliche Qualität nicht in Betracht.
Je schwerer, gewalttätiger und seltener das Verbrechen, desto
mehr drängte sich das Volk um die Reste des Verbrechens."
So war es früher; heute aber, wo die Hinrichtungen
kein öffentliches Schauspiel bilden, wo der Scharfrichter
mit den Überresten des Gerichteten keinen Handel mehr
treiben kann, findet das Volk einen Ersatz dafür in den
Selbstmördern, und zwar an denen, die sich durch den
Strick das Leben nehmen. Warum gerade die Erhängten
im Volksglauben eine Rolle spielen und die Überreste auf
eine andere Art ums Leben gekommener Menschen gar nicht
in Betracht kommen (wenigstens in Ungarn und Sieben-
bürgen), habe ich bislang bei keinem mir bekannten Volks-
forscher erklärt gefunden; ich selbst wage es nicht zu
erklären, weil sich dabei eine weite Aussicht ins Heidentum
und älteste Christentum eröffnet
Der Hauptgedanke bei diesem Zauber ist: „Alles, was
von einem Erhängten herrührt, ist glückbringend," d. h. alles
wird der Exuvie eines machtübenden Geistes gleichgezählt,
und je nach dem Wege, auf welchem Einer sein Glück
sucht, sei es im Stehlen, Rauben, Einbrechen oder wie
immer sonst, dafür wird die Exuvie oder Reliquie zum
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— 205 —
besonderen Zaubermitte] , zum Amulet oder Talisman
(Lippert S. 463). Ein Knöchelchen des Erhängten im
Geldbeutel schafft Geld und schützt den Dieb vor Ent-
deckung; unter der Schwelle begraben schafft es Glück in
jeder Beziehung. Mischt der Dieb ein Stückchen, von
welchem Körperteile immer, eines Erhängten unter den
Talg und giefst sich daraus eine Kerze, so wird er beim
Scheine derselben nie ertappt werden. Blut des Erhängten
wird bei Fallsucht angewendet. Selbst ein Stückchen vom
Strick oder ein Lappen von den Kleidern des Erhängten
bringt Glück ins Haus. Wenn man Pferde, überhaupt Vieh
mit einem Fetzen (zader) eines Erhängten bestreicht, so
werden sie fett (Haltrich- Wolff S. 309). Bestreicht
man mit solchen Lappen einen Gegenstand, den man ver-
kaufen will, so bekommt man viele Käufer. Legt man in
ein Wein- oder Schnapsfafs etwas vom Stricke oder den
Kleidern, oder gar den kleinen Finger des Erhängten
hinein, so kehrt derjenige, der von diesem Getränk ge-
trunken, stets in diese Schenke ein. Näht man solche
Fetzen an den Sälaken, so gedeiht die Aussaat aufser-
ordentlich. Totkranke kann man noch sehr lange am
Leben erhalten, wenn man ihnen etwas vom Strick eines
Erhängten ins Bett legt. So erzählte mein Grofsvater
Andreas Roth von einer Grofs-Schenker- Witwe, namens
Dietrich, die man in seiner Jugendzeit über ein Jahr auf
diese Weise am Leben hielt, bis ihr Sohn vom Militär aus
Italien heimkehrte. Als man den Strick aus dem Bette
nahm, um „der Frau die Qual zu erleuchtern," so starb sie
noch im Laufe desselben Tages. —
Aus dem hier mitgeteilten Volksglauben der Sieben-
bürger Sachsen kann man immerhin die Einsicht gewinnen,
dafs die Bedeutung der Totenfetische ftir Darstellungen
aus dem Gebiete der nichtchristlichen Religionsgeschichte
eine ungemein wichtige ist, weil sie eben Kultur und Sitte
älterer und neuerer Zeit im innersten Wesen beleuchtet,
uns zum erschöpfenden Verständnis nicht nur unserer eigenen
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— 206 -
mythologischen und religiösen Volksgebräuche verhelfen,
sondern auch solcher primitiver Völker, deren Menschen-
schlächterei und Menschenopfer uns ohne unsere eigenen
Totenfetische eben unverständlich, unerklärlich erscheinen
würden , die zwar heute bei Kulturvölkern in die
Sphäre der nur symbolischen Ersatzmittel gehören und
den „blutigen Ernst des ursprünglichen Opfers und des
eigentlichen Zaubermittels verloren haben, nichtsdesto-
weniger nur durch die animistische Perspektive, dafs es
sich hier um den Ersatz eines eigentlichen Menschenopfers
handelt, ihre volle Bedeutung erlangen."
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Baschjäger 23.
Bachs 100.
Bäsch möter 21 ff.
Dahn, F., fflL
Bastian, Ad. 160,
Dämonen 1 ff.
Baumblatt 8iL
Darre 8fi. 149.
Baumwachs 8fi.
Diebssegen 117- 2Q">.
Beermutter 8iL 98. 29,
Dieffenbach 38,
Beuengovend 5A.
Dienstag 15fi.
Berufen IM ff.
Dillsame 22. UL
BeRchreien s. Verheifsen.
Dialeu 2.
Besprechungsformeln 82 ff.
Div6 2eny 2.
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— 208 —
Domenhanz 14*
Domlenk 14.
Dornenden 14 ff.
Donner 40. 154.
Donnerkraut 100.
Donnerstag 113. 154 ff.
Donnerstein 98. 114.
Drache 1*2 ff.
Dräinte-fosz 3»
Drei-Enten-Fufs 3.
Dreikönige, heil. 50. 52. 124,
Drul, Drula 32.
Dudela 83,
Duidelgh 83.
Dürre 122.
Einimpfung der Zauberkraft 80 ff.
Eisenkraut 143,
Elias, hl. 12L
Ellekoner 2.
Elster 122.
Enguane 3.
Enten 3. 1ÄL
Epilepsie 88. UxL lüL 205.
E rasmus 28.
Erbsenstroh 134.
Erhängte 12L 132 ff. 203 ff.
Ertrunkene 29.
Erzahlnächte 50.
Esche 18L
Esel 103. 121.
Eule 128.
Fanggen 3.
Fänken 3.
Fasching 58 ff.
Fasching begraben 52.
Feilberg 203.
Fenriswolf 164.
Festgebräuche 45 ff.
Feuerbesprechen 8L 113.
Fieber 89.
Fierich s. Kolik.
Fingernägel 85. 104. 142. 150. 194.
Fisch 98.
Flechte 90,
Fledermaus 162.
Flurumzüge 68. 126.,
Frau Holda Reigen IM.
Freitag 92. 124. 139. 142. 155 ff.
Freudenfeuer 53.
Freytag 163.. 162. 169. 123. 129.
Friedrich 163. 169. 181.
Frischbier 86. 8& 89. 9L 25, 2k
99.1ÜL103.104.106.118.122.124.
Fronius 58. 59. 134. 132. 189.
Frosch 25.
Fuchs 58. 100. 103. 165.
Fufssparr 9L
Fufsspur 25. 85.
Gallustag 48. 22.
Gans 86. 181.
gebrech 8. Verheifsen.
Geburt 141 ff.
Geburtstage 142.
geinzelöwend 50.
Geisterkircbe 52.
Gelbmöhre 86. 91.
Gelbsucht 9JL
Georgstag 48. 50. 20.
Gerichtsstätten 42. 58. 59. 68. 69.
Geschwüre 93. 201.
Getwerk 12.
Gewitter 113, 122.
Gewitterriesen 40.
Giannini 22.
Gicht 9L 201.
Gimpel 128.
Glück und Unglück 131 ff.
Glückshaube 14-1.
Glückspfeunig 15ft.
Glücksseil 113. 133 ff.
Golther 5. 6. 8.
Gottsberg 12.
Gottsbergel 12.
Gottsbuorich 12. 49. 5L
Grab 95. 96. 128.
Grampus 25 ff.
Grasznäku, Grasznickel 3ü ff
Greridel 33.
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— 209 —
Grillen IL
Grimm IL 24. 26. 28. 35, 38. 82*
Grömautchen 18.
Grumpes 25.
Gurke 103.
Haare 52. 52. 85. 2L 104, 203.
Hagebutten s. Rosenstrauch.
Hagel 22. 126. 122.
Hahn 23. 24. 105. 180.
Hahnenschlagen 60 ff. 22.
Hakenmann 30.
Halsweh 95.
Haltrich 30, 39—42. 52. 188.
Haltrich-Wolff 12. 20. 23. 30.
48. 49- 62. 66. 61. 78 ff. 124. 125.
126. 122. 14L 144. 150. 155. 163»
Hanf 86. 125. 122. [167 ff. 205.
Hänzepänz 18 ff. 22.
Hase 29. 168.
Hasel 50. 103.
Hausgeist 26.
Hausgrille 17.
Hauskomödie 54.
Hauswurz 100.
Heilmittel 22 ff.
Heinrich, G. A. 122 ff. 182.
Herzklopfen 25.
Hepentep lö-
Hexen 13. 12. 50. 52. 66. 62. 20.
24. 120, 126. 142 ff. 162. 12L 182 ff.
Heimchen IL
Hillner 8. 132 ff.
Himmelfahrtstag 21.
Hinterer 12L 132.
Hintner 32.
Hirsch 16.
Hodenanschwellung 96.
Hoefler 8L
Hof bann 102 ff.
Höinj s. Riese.
Holunder 86. 88. 92. 102. 106. 122.
Holzleute 3.
Holzmandel 26.
Wlislocki, Yolksbranch n. Volksglaube
Hopf 16L
Hoprichberg 81.
Hostie 8L 105. 118.
Hufeisen 50. 25.
Huiprichberg s. Hoprichberg.
Huhn s. Hahn.
Hülsenfrüchte 49.
Hund 15. 84. 26, 100. 130. 164. 182. 124.
Hundsaltcr s. Darre.
Hundswut 96.
Hüne s. Riese.
Jagd, wilde 24.
Jahr, grünes 53.
Impotenz 98.
Imtchen 12 ff.
Ingo 26.
Johannisfeuer 24.
Johannistag 50. 24 ff. IM
Jornandes 38.
Jorsfarken 49.
Ipolyi 8L
Irrsinn 202.
Isgau 25.
Isian 35.
Isko 36.
Jungfernreigen 2L
Kaindl, R. F. 162.
Katharina, hl. 85.
Katona, L. 133.
Katze 5. 6. 15. 5L 20. 88. 20. 112. 162.
Kazeböz 12.
Katzebutz 19.
Katzenweit 12.
Kind 54. 24. 26. LLL 113. 128.
Klee 22. [132 ff. 165.
Klusch, M. 80. 113.
Knoblauch 120. 14L 143. 144.
Kohlen 62. 25. 8L 144» 146. HL
Köhler, R 99.
Kokelfrau 30.
Kolik 98.
Königslied 20,
Kopfschmerz 29,
d. Siebenb. Sacbaen.
14
— 210 —
Korkdistel 123.
Krähe 126.
Krämpfe 22.. 202.
Krankheit 107.
Krästinann 25.
Krause, F. S. 44. 48. 83. 99. 105.
, 12L 13L 148. 156. 186.. 202,
Krazewöz 12,
Krehs 104.
Kreuzweg 50. 62, 89.
Kreuzwoche 124,
Kriwiz 23.
Kröte 66. 88. 12L 18L
Kuh 50. 2L 112. 12L
Kuhn 35,
Kukuk 128.
Kümmel 143.
Kupczanko, Gr. 25.
Kürbis 103.
JLa Fontaine 28,
Laistner 3. 4. 2. 8,
Lammtalg 94,
Lappenbäume s. Andree.
Laurentiustag 76.
Leichengebräuche 195 ff.
Leo 38.
Lesni pahny 3.
Liebeszauber 5& 6L 25. TL 203,
Liebrecht, Felix 30. HL 133.
Lied 14. 16, 20^2, 5L 58, 68. 62. 132 ff.
Linsen 103.
Lippert 12. 45—47. 50. 52. 54. 5a
52.6L 64.65.62.20.2L 23.26.
162. 186. 123. 2ÜL 203. 205.
Ljesije 3.
Löpel 38,
Lorenzikohlen 8L
Maibaum IL 22.
Maifest 21 ff.
Maikönige 2L 23.
Mann, schwarzer 84.
Mannhardt 112. 148.
Märchen 30. 4L
Mareien 3. 110. 132 ff.
Mariae Verkündigung 61.
Marienjungfer verbrennen 62.
Markus 8L
Martinsgans 22.
Martinstag 22,
Märzfelder 42 ff.
Mathias, hl. 104.
Maulwurf 122. 165. 126.
Maus 89. 129. 162. 20L 203,
Mämädchen TL
Menghini, M. 28.
Menschenopfer 22.
menses s. Blut.
Menzel 56.
Michaelstag 48, 22.
Mittwoch 156.
Montag, geschworener 52. Lü.
Mooralb 32 ff.
Moorsau 33.
Mücke 184.
Müller 2. 10, 13, 18, 22. 23, 30.
34. 35. 37—39. 42. 100. 143, 144.
142. 164. 168. 185. 182.
Mumesch 30.
Muorlef 32 ff.
Musaeus 40.
Matterfolge CiL
W abelschnur 128. 140^ 14i
Nachgeburt 29.
Nachtschrei 154.
Nackt umlaufen SL 12L 129.
Nasenbluten 99.
Natter 18L
Neid, gegen 116 ff.
Neujahr 53. 130.
Nikel 22 ff.
Nikolaus 5L
Nixen 29 ff.
Nonnen 3,
Nornen 3. 135 ff.
Nufs 82.
Nyrop, Kr. 82. 9L
Ohm s. Geschwüre.
Ohrenschmerz 100.
9d by Google
Olescher, K. 110,
Sagen 22. 23, 26, 34. 35. 39. 42.
Opfer 48,
124. 164. 168, 120. 113. 176. 180,
Orendi US*
Salz 9L [181. 129.
Orken 3»
Schaf 58. 122.
Ostern 66 ff. 82, 125. 143. 120.
Schaselt 24. 142.
Päkes, Pekes 25.
Schätze IL 12. 18. 50. 62. 25. 142.
Palmsonntag 66.
164, 123. 126. 180. 18L
Peleweles 25.
Schicksalsspinnerinnen 2, 131 ff.
Pelzmartin 51*
Schiller 162.
Pest 100.
Schimmelreiter 5L
Petri- und Paulitag 26.
Schlagflufs 102.
Petrus, hl. 104. 105. 106.
Schlange 18L
Pfannenschmied 124,
Schlangenbifs 102. 18L
Pfeifer 143.
Schmetterling
Pfefferland HL
Schmidt, W. 128,
Pferd 50. 93. 99. 105, 120, HL
Schöl s. Blasen.
Pfingsten 22 ff. 143.
Schuller, G. 12. 14. 12. 12, 20, 25.
Pfingstkönige 12 ff.
32. 52. 55. 63, 182 ff.
Pilwiz 25.
Schürze einer Dirne 85.
PI0S8 167,
Schuster 5. 9. 11 12. 13, 14. 12.
Post, A. H. 192.
18.20,21.25.28.34,36.32. 43,
Potenz 166-
49-58. 60. 66-78. 81 ff. 136.
Prahn 84. 85. 10L 104. 106.
Schwalbe 103. 113. 128.
Ouatemhertage 48. 124.
Schwangerschaft 139 ff.
Quecksilber 96.
Schwein 85. 1£L 129. 125. 191.
Rabe 160.
Schwelle 49.
Bange 38.
Schwerttanz 60.
Ratte 162. 203.
Seele 123 ff.
Raubvogel 116.
Segen 29 ff.
Reisesegen 112.
Siebenmeilenstiefel 40.
Riesen 32 ff. 122.
Simplicissimus 35.
Rind 122.
Sommersprossen 103.
Riselwoche 26.
Sonnabend 156.
Bit 118,
Sonntag 92. 122. 142, 155 ff 19£L 2ÜL
Rochholz 2. 131 ff.
Sonntag, schwarzer 66,
Rohrochs 34,
Sonntagskinder 26.
Roland 28.
Specht 22.
Rosenstrauch 50. 119.
Speisereste 5L
Roth, Andr. 82 ff. 205.
Sperling 128,
Rotlauf 100, 122,
Spinne 160.
Rübe 86.
Springgras 22. >
Rübezahl 25.
Steinöl 96.
Rürüsz b. Rohrochse.
Storch 113, 128.
Busalken 3.
Straparola 28, ^«
— 212 —
Strobel 5»
Sylvester, M. 120.
Sylvesternacht 54 ff.
Syphilis 96.
Tagwählerei 157 ff.
Talg 94.
Taufe 151 ff.
Terpentin 92,
Teufel 110. ii6.ua. 129. 123. 124. 19&
Teufelswurm 93*
Teutsch 22. 92.
Thomas 82.
Thomasnacht TL
Tiere lfil ff.
Tobias 82,
Tod 186 ff.
Todaustragen 63 ff.
Todvorbedeutungen 189 ff.
Totenbahre 97.
Totenfetische 199 ff.
Totenhand 63 ff.
Totenkirche 52.
Töppen 88.
Toreschöinj 38.
Träume 1£2 ff.
Trol 32.
Traden 22. 150 ff.
Trunksucht 103. 202,
Uberti, Fazio 28*
Umgang des Grabes 197.
Umtchen 12 ff.
Uolrangen 32 ff.
Urbanus, hl. 125.
Urin 89. 9a 9L99. 105. 120. 122.
Verheifsen 93.
Verrenkung 103.
„Versehen" 139 ff.
Verwahrungsmittel 119 ff.
Vilen 3.
Vogelfrafs 122.
Volksmann, IL 10o-
Vorzeichen 152 ff.
Wachholder IM. 142.
Wagner, J. fi.
Wahrsagung 49.
Waldfrauen 3. SfL
Waldgeister 21 ff. 25, 28, 44.
Waldmaide 22.
Waldjäger 23.
Wäinjken s. Wenken.
Warzen 105,
Wassergeister 2L 29 ff.
Wassersucht 104.
Wate 100.
Wechselbalg 5, 82»
Weidenruten 2. ßß. 92, 101, 133.
Weihnachten 49 ff. 124» 129.
Weihrauch 129» 143. 144.
Weinhold, K. 29.
Wenken 2. 8L 9k 132 ff.
Wettermacher 122.
Wettreiten 69.
Wettrennen 69»
Wicht, Wichtel 2L
Wiesel 16. 96. lßß. 203.
Winde 23»
Winteraustragen 65.
Witterungsprophezeiung 162 ff-
Wittstock 34.
Woche, taube 66. 124.
Wodan 94.
Wohnert, A. 112.
Wolf, J. W. 142,
Wolf 165,
Wotsch, Chr. 109.
Würmer 49. 6L 105.
Wuttke 12. 60.
Zänken 13»
Zähne IL 165. 162.
Zahnschmerzen 106.
Zauberformeln 82 ff.
Ziege 15. 18. 122»
Zingerle, O. 89. 102. 1Ü6. 17a
Zwerge 11 ff.
Zwiebelkalender 55.
Verlag von EMIL FELBER in BERLIN
Aus
dem inneren Leben
der
Zigeuner.
Ethnologische Mitteilungen
von
Dr. Heinrich von Wlislocki.
Mit 28 Abbildungen.
Ladenpreis 6 Mark.
Inhalt:
Vorwort — Krankheitsdäinonen. — Handarbeiten. — Höhenkultns. —
JMutzauber. — Wanderzeichen, Signale und Zeichensprache. — Tier-
orakel und Orakeltiere. — Wetterprophezeiung. — Feuerbespreehung.
— Eine zigeunerische Dichterin. — Sehlagworte.
In spaltenlangen Aufsätzen haben die hervorragendsten Zeitungen und
Zeitschriften (u. a. die Gartenlaube) auf die ganz aussergewöhnliche Be-
deutung dieses Werkes hingewiesen, das trotz seiner Wissenschaftlichkeit
spannender und interessanter als ein Roman ist.
Das Ruch kann jedem wärmstens empfohlen werden.
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Hervorragende Werke zur Volks- und Völkerkunde
aus dem
Verlage von EMIL FELBER in Berlin.
Basti an, A., Ideale Welten nach uranographischen Provinzen in Wort
und Bild. Ethnologische Zeit- und Streitfragen, nach Gesichtspunkten der
indischen Völkerkunde 3 Bde. Lex.-S«. 45,— M.
1. Reisen auf der vorderiodUchen Haihinsel im J. 1890. Für ethnologische Stadien
o. äamiulungvzwevke. VII, 289 S. mit 9 Tafeln — 2. Ethnologie and Geschieht« in
ihren Berähruiigspurkten. Unter Bezugnahme anf Indien. X. 270 S. m. 9 Tafeln. —
3. Kosmogonien and Theogonien iudischer Religionsphilosophien (vornehmlich der
jairistiHchen). Zar Beantwortung ethnologischer Fragestellungen. VIII, 232 S.
mit 4 Tafeln.
— , Wie das Volk denkt. Ein Beitrag zur Beantwortung socialer Fragen auf
Grundlage ethnischer Elementargudanken in der Lehre vom Menschen. 5, — M.
Delff, H. K. Hugo, Grundzüge der Entwicklungsgeschichte der Religion.
Neue Ausgabe. 4,— M.
tioldzlher, J., Die Zähiriten. Ihr Lehrsystem und ihre Geschiebte.
Beitrat? zur Geschichte der mohamodanischen Theologie. 12,- M.
Htrschfeld, Hartwig, Beiträge zur Erklärung des Koran. 2,— M.
Hummel, Fritz, Die semitischen Völker und Sprachen als erster Versuch
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I. Band. Allgemeine Einleitung. (Die Bedeutung der Semiten für die Kultur-
Seschichte.) — Erstes Buch: Die vorseinitischen Kulturen in Aegypten und
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Kaegi, Adolf, Der Kig-Veda, die älteste Literatur der Inder. 2. Auf-
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Kern, Heinrich, Der Buddhismus und seine Geschichte in Indien. Vom
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Fritze. Gebunden G,— M.
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Wlislocki, Dr. Heinrich von, Aus dem inneren Leben der Zigeuner.
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II. Band 18*4. 1x85. Jeder Band 16,— M.
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Erscheint seit 1886. Berücksichtigt Volkskunde in hervorragender Weise.
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